Manafonistas

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2016 27 Jun

Schimanski (1981-1991) / Götz George (1938-2016)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Tauchte Götz George nicht in den Sechzigern in Karl May-Verfilmungen auf, statt, seinem später sichtbar werdenden Können entsprechend, die „Neue Deutsche Welle“ zu bereichern? Wie hätten Wenders-Filme mit dem widerspenstigen George Jr. gewirkt? Dies ist kein Nachruf, dies ist eine Erinnerung an die Rolle, in welcher der Sohn des Übervaters Heinrich mir am meisten bedeutete: Schimanski. Da fand ich einen Wahlverwandten, der als Kind des Ruhrgebiets die Kneipen, die Huren, und den Wert guter Freunde kannte (unvergessen der grossartig-miesgrämige Eberhard Feik an seiner Seite, viel zu früh gestorben). Gestorben wird in diesem Jahr genug, und jetzt trifft es auch meinen liebsten Tatort-Kommissar. Was heute entweder so blöd ist, dass es wehtut (die Humorschleifen aus Münster), oder endlos betroffenheitsbemüht (Tatort als Sozialkundeunterricht), erlaubte damals, mit den Herren Kressin und Schimanski, noch dezente Fernsehanarchie. Wie selten sind Tatorte geworden wie der von Samuel Fuller gedrehte (oder sollte ich sagen: „geschossene“) „Tote Taube in der Beethovenstrasse“ (mit der fiebrigen Musik von Can), oder die pöbelnde, rumpelnde Schwarzweisswelt des von Hajo Gies eingefangenen Kohlenpotts? Die Stahlindustrie war im Niedergang begriffen, viele alte Brauereien verpassten den Sprung in die neue Zeit und verschwanden in der Abteilung Ruhr-Kultur. Und in diese grau gewordenen Welt, in der Knallchargen wie Duran Duran den Soundtrack des Zeitgeists lieferten, brachte Schimanski eine ungebrochene Vitalität, einen ganz und gar ungestylten Mix aus Aggressivität und Gerechtigkeitsliebe. Ich war in den unwilden Achtzigern (in den sich zuviele Hippies in Yuppies verwandelt hatten) mit  einer Prostituierten aus dem Dortmunder Milieu gut befreundet (ein kluges Wesen mit scharfer Menschenkenntnis, von der sich so  manche Öko-Tanten im Kreuzviertel ein paar Scheiben hätten abschneiden können), ich sah, kurz vor einem Konzert von Mal Waldron im Domicil, Pistolenschüsse im Norden der City aufblitzen, eine Abrechnung unter Gangstern, ich trank einen Abend lang unendlich viel Bier (bis zum ersten und einzigen Filmriss meines Lebens). Wenn ich zurückdenke, werde ich nicht von Nostalgie befallen, aber weh tut es dann doch, an einem Tag wie heute, die Bilder von Schimanskis grossem Abschied vor mir zu sehen (die Comebacks lassen wir mal aussen vor), als er über den Rhein segelte, frei schwebend durch die Lüfte, und alle Schwerkraft für Momente aufgehoben war. That’s the way life goes, that’s the way death works. 

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