Spannend wird es erst, wenn der Bewerber die Bühne verlässt, und die Jury zu diskutieren beginnt. Wie subjektiv sind die Maßstäbe der Jurymitglieder, welche Dynamik entsteht – durch Begeisterung, Ablehnung, Argumente? Drei Jahre hat der Dokumentarfilmer Till Harms gebraucht, bis er die Erlaubnis erhielt, an der Hochschule für Film, Theater und Medien in Hannover das zu drehen, was die Jury hinter geschlossenen Türen bespricht. Was sucht die Jury eigentlich? Wie zeigt sich Begabung, was ist ein no-go? Alle Bewerber werden zum Vorspielen eingeladen, im Jahr 2013, im Jahr der Dokumentation, waren es fast 700. Ausgewählt werden fünf Frauen und fünf Männer, jeder hat eine Chance. In der ersten Runde geht es darum, einen kurzen einstudierten Monolog zu spielen. Die Frauen sind besser, sagt einmal ein Jurymitglied, die Männer stellen einfach einen Stuhl hin und setzen sich irgendwie darauf, dann sehen wir nicht mehr, wie sie mit ihrem Körper verbunden sind. Natürlich geht es nicht um Perfektion, es geht um Entwicklungsfähigkeit. Emotionen transportieren können. Zeigen, wie sich Emotionen entwickeln, als Figur allein, und vor allem – schwieriger – im Dialog. Dabei aber nicht allzu sehr in sich verwickelt zu sein. Das erfordert eine Reife, die nicht jeder hat, mit Anfang, Mitte Zwanzig. Gelungenes Schauspiel entsteht aus einer selbstkontrollierten Fähigkeit zur Illusion und aus der Freude am Spiel. Das gilt für jede Kunst. Was Harms am meisten überrascht hat, war, dass die Jury jede Ablehnung begründet hat und dass es im Verlauf der Prüfung mehrere Chancen für Bewerber gab. Das geht dann zum Beispiel so: Okay, hier sitzt jetzt also der Vater am Tisch, und dann setzt sich ein Jurymitglied an den Tisch und wird gegenüber dem Prüfling autoritär. Hier ist dann Interaktion gefragt, und Spontaneität. Ob jemand eine Stimme schätzt oder eine bestimmte Rolle, das ist subjektiv, und natürlich geht es auch um Sympathie und um die Frage, ob man mit jemandem vier Jahre lang zusammenarbeiten will oder kann. Deshalb ist ein „Nein“ eines Jurymitglieds bei der abschließenden Frage, ob jemand aufgenommen werden soll, Anlass zu einer erneuten Diskussion. Nach dem Dokumentarfilm „Die Spielwütigen“ aus dem Jahr 2004 von Andreas Veiel, der vier Schauspielschüler vom Ausbildungsbeginn bis zum Berufsstart begleitet, ist „Die Prüfung“ von Till Harms ein weiterer unbedingt sehenswerter Film für alle, die sich für den Schauspielberuf interessieren. Für die Vorbereitung auf die Prüfung ist auch eine Wanderung im Wald zu empfehlen. Überqueren Sie einen Bach, springen Sie von Stein zu Stein, und verharren Sie dabei einen Moment. Sie werden diesen Augenblick in der Prüfung wiederfinden, in einer vorgerückten Runde.
Kinostart war am 19. Mai.