Brian Harnetty: Everlasting Water
Qluster: Das seltsame Tier aus dem Norden
Brian Harnetty ist ein Musikethnologe, der in den Archiven alter Bibliotheken wühlt. Auf „Rawhead & Bloodybones“ bereichert er seine Fundstücke, alte Stories aus dem Gebiet der Appalachen, mit Soundtracks, die unter die Oberflächengemütlichkeit dringen. Sie mögen solche Atmosphären? Dann nehmen Sie mal den Western „Das Dickicht“ zur Hand, jüngst als Taschenbuch bei Heyne Hard Core erschienen.
„Das seltsame Tier aus dem Norden“ ist nicht dem Wildwestroman von Joe R. Lansdale entsprungen, sondern dem neuen Album „Echtzeit“ der Gruppe Qluster – seit der Krankheit und dem Tod von Dieter Moebius anders aufgestellt, und mit Q statt C geschrieben. Hier kommt die alte Lust am Skurrilen und Unheimlichen zum Vorschein – ein geduldiges Echo alter Zeiten, als an der Weser Zauberwaren a la „Sowiesoso“ enstanden. „Fleeting“ ist Gitarrensoloalbum aus der Sparte „American Primitive Guitar“ , wobei das Wort „primitive“ nur positive Bedeutungen hat.
Aufgenommen in einem Haus in Mount Holly, New Jersey, mit Blick auf den Rancocas Creek, gelingt Glenn Jones ein Album, das J. J. Cale geliebt hätte. Und das Haus lebt – man hört einiges, was darin und draussen vorgeht. Ein Wasserfall rauscht durch „Spookane River Falls“. Naturklänge – der Pianist Wolfert Brederode mag den Titel seines neuen Albums, „Black Ice“, er suggeriere „lyrische Strahlkraft, Transparenz, und ein Gespür für Gefahr“.
Glenn Jones: Spookane River Falls
Wolfert Brederode: Olive Tree
Musik nimmt man an unvertrauten Orten anders wahr. Ich hörte das Album „Black Ice“ vor Wochen im Auto, einmal, unvergesslich, auf der Fahrt zum und am Hörnumer Kliff – morgens um 7 eine sowas von verlassene Ecke von Sylt. Milliomen Jahre sind die einzelnen Sand- und Erdlagen des Kliffs alt, die Farbnuancen legen da genaues Zeugnis ab – die hohe Abbruchkante zieht sich kilometerlang, das Raumgefühl erweitert sich.
Abstrakt und minimalistisch: die hauchdünnen Linien auf den Bildern der indischen Malerin Nasreen Mohamedi, fernab aller traditionell indischen Farbenpracht. Der Pianist Vijay Iyer und der Trompeter Wadada Leo Smith haben ihr eine Suite gewidmet auf dem herausragenden Duo-Album „A Cosmic Rhythm With Each Stroke“ – der Titel eine Anspielung an Mohamedis Spiel mit dem Unendlichen. Und wer in diesen Wochen nach New York reist – bis Anfang Juni ist der indischen Malerin eine Ausstellung im MOMA gewidmet.
Vijay Iyer & Wadada Leo Smith: All Becomes Alive
Nik Bärtsch’s Mobile: Modul 18
Nik Bärtsch und sein Album „Continuum“ – ein vertrauter Sound, aber wandlungsfähig: „Module“ sind der passende Ausdruck für seine Klangbausteine. dass dies auch „rituelle Musik“ sei, etwas Samuraiartiges aus dem fernen Asien mitschwinge, wird gerne ins Gespräch gebracht, beim Hören tut es aber auch ein japanische Teezeremonie. Im Ernst: nichts hier wirkt verkopft – und diese kühl berauschenden Klänge gibt es auch als gute alte Schallplatte. Genauso übrigens wie die für Anfang Mai anstehenden Alben von Jack DeJohnette und Carla Bley. ECM setzt wieder öfter auf Vinyl – meine gute Nachricht zum Record Store Day.
P. J. Harvey: Chain of Keys
Ohne Werturteile, und wie Robert Wyatt einst, geht es P.J. Harvey auf „The Hope Six Demolition Project“ darum Zeugnis abzulegen, den Opfern eines Stimme zu geben. Garantiert keine Ohrwürmer – für die nötigenVerstörungen sorgen die Texte, die Anklänge an elektrischen Blues und britischen Garagenrock, ungezügelte Saxofone und archaische Stammesgesänge. Während sich PJ Harvey durch die reale Welt der Kriegszonen, Flüchtlingscamps und Vorstadtghettos bewegt hat, gibt es auch jede Menge bodenlosen Hass im jüngsten Film von Quentin Tarantino – „The Hateful 8“. In Deutschland konnte man ihn in einigen Lichtspieltheatern in einem alten Cinemascope-Format sehen konnte – eine Zeitreise im doppelten Sinn.
Ennio Morricone: Nieve
NACHRICHTEN
Robert Moog war ein Pionier der elektronischen Musik, mit seinen Moogsynthesizern. Seine ersten Versuche stellte er bereits in den 50er Jahren an. Wie ein Schrank mit Klaviertastatur sah sein modulares Symthesizermonstrum anno 1964 aus. 1968 interpretierte Walter Carlos den guten alten Bach allein mit einem Moog, und „Switched-on Bach“ wurde ein Kassenschlager. In manch abenteuerlichen Welten der Fusion Music in den 70ern kamen neue Moog-Modelle zum Einsatz.
Das Memorymoog von 1982, und ein solches bespielt Matthew Bourne auf seinem neuen Album „Moogmemory“, galt als besonders schwer zu bändigendes Biest, und Matthew Bourne liess es so umbauen, dass er ausreichend Einfluss nehmen konnte, und nicht ständig von der Maschine in die Irre geführt wurde. Man wähnt sich hier und da in einer durchgestylten Weltraumbar, wo Roboter und Menschen einen neuen Jive tanzen, man hört den Klängen an, wie eine Avantgarde von einst in einem spannenden Museum landet. Das Zauberwort: Retrofuturismus. Matthew Bourne lauscht den Maschinenträumen.
Matthew Bourne: Nils
Das schönste Lied der Welt – mit einer Waschmaschine – heisst „Mrs. Bartolozzi“ und findet sich auf Kate Bushs Doppelabum „Aerial“. Es lockt in die Welt von Dorset hinein, die Abgeschiedenheit am Meer, wenn sie allein diese zwei Worte „washing machine“ zelebriert, und und einen Blick in die Waschtrommel wirft…“I watched them go ‚round and ‚round / My blouse wrappin‘ itself around your trousers / Oh, and the waves are goin‘ out / My skirt floatin‘ up around my waist / Washing Machine …“.
Drew Daniel und M.C. Schmidt haben ihr neues Album vornehmlich aus den Sounds ihrer Waschmaschine „Ultimate Care II“ geformt, und Mrs. Bartolozzi wäre mit dem Teil auch glücklich. Die alltäglichsten Haushaltsgeräte haben das Potential zur Bewusstseinserweiterung, und diese Maschine aus einem Keller in Brooklyn macht da keine Ausnahme. Manchmal wirkt das, als steige man in das Innere der Maschine. Etwa kurz vor Schluss, wenn das puffende, tuckernde Geräusch des Dampfblasen bildenden Wassers auf Kopfhörern den Eindruck erweckt, das sich die Trommel um den eigenen Kopf dreht. Sensurround, sozusagen, und in Abwamdlung eines sehr schönen Pink Floyd Songs sage ich nur noch: Set the controls for the heart of the spin-cycle!
Matmos: Ultimate Care II
Der Waschgang ist beendet. Matmos und das famose Album „Ultimate Care II“. Ich weiss, niemand ist hierbei eingeschlafen, ich weiss nur nicht, ob jetzt, nach diesem Achtunddreissigminuten-Brett, noch alle da sind! Es folgt ein weiterer Sprzialist für wunderschönes Gepolter: „Love Streams“, von Tim Hecker, entstand in enger Zusammenarbeit mit Ben Frost und Johann Johansson in Island. Hard Core Melancholia! Gelegentlich sorgt ein isländischer Chor für sakrale Klangspuren aus fernen Jahrhunderten. Nach den Nachrichten geht es weiter mit der der dritten Stunde der Radionacht Klanghorizonte – und der Komposition „Oceans“, von Flying Saucer Attack. Wer Tim Heckers Faszination für „beautiful noise“ historisch aufrollt, landet natürlich bei „My Bloody Valentine“, früher oder später auch im ländlichen England, bei Flying Saucer Attack.
Tim Hecker: Black Phase
NACHRICHTEN
Flying Saucer Attack: Oceans
Flying Saucer Attack: Feedback Song
Musik ganz nach dem Geschmack des kompromisslosesten aller britischen DJs, der seit den späten Sechzigern vor dem Mikrofon sass. Bei seinen unzähligen, zur festen Institution der britischen Gegenkultur zählenden „John Peel Sessions“ war die ländliche Geräusch- und Rauschwelt von Flying Saucer Attack mit dabei. Die meisten Stücke dieser Stunde hat John Peel einmal in seinen Sendungen zwischen 1967 und 2003 gespielt. Ein Outsider war er am Anfang, als er in britischen Popblütezeiten, immer auch die Ohren offen hatte für die Wlt jenseits von Charts und Zeitgeistern. Die „playlists“ seiner Sendungen waren darauf spezialisiert, Erwartungen zu unterlaufen, mischten Sea Chanties aus Suffolk mit Garagen-Rock aus Iowa, Miasissippi Blues mit Berliner Techno-Schmiede.
Und am liebsten, immer wieder, ein verrücktes Reggaestück, manche nannten ihn Jah Peel, nicht John Peel. Er eckte gerne an, und konnte es sich leisten. Seine Hörerschaft war enorm, ich mochte seinen coole Schnoddrigkeit, den antiautoritären Zug seiner Stimme, eine Stmme, die nach seiner Hinwendung zu Punk und Post-Punk an Schärfe gewann – das kostete ihm viele Hippies der frühen Jahre. In den Neunziger lauschte ich seinen Moderationen oft lieber als manchem seiiner Hardcore-Noise-Punk-Obsessionen.
Aus David Cavanaughs Buch „Good Night and Good Riddance – How thirty five years of John Peel helped to shape modern life“ hier eine kleine Kostprobe, als Einstieg in einen Peel’schen Stilbruch-Mix: John Peel spielte Robert Wyatts Song „A Last Straw“ am 23. Juli 1974 (… und ich lese einen Absatz vor, in dem David Cavanaugh – oder ist es John Peel? – die Unterwasseratmosphären des Liedes von Robert Wyatt beschreibt).
Robert Wyatt: A Last Straw (Rock Bottom)
Gentle Giant: Knots (Octopus)
XTC: Complicated Game (Drums & Wires)
John Cale: Chinese Envoy (Music for a New Society)
This Heat: Fall of Saigon (This Heat)
Ein weites Feld, aber wer in der Blütezeit der Hippieära und des Radios auf einem Piratensender die subervsiven Musikstoffe liefert, und bald bei der BBC 1 anheuert, und über drei Jahrzehnte sein Revier behält, auch wenn es ihm die Oberen nicht leicht machen, nur dem eigenen Urteil traut und nie den bequemen Weg geht, der schreibt halt Radiogeschichte.
Sie hörten: Gentle Giant, einen Song aus dem Opus „Octopus“ von Gentle Giant (in dem es unter anderem um die damalige Kultfigur der Antipsychiatriebewegung ging, R. D. Laing, und sein Buch Knots / Knoten). Sie hörten einen Song aus „Drums and Wires“ von XTC („Complcated Game“ ist auch der Titel eines neuen Buches über die Lieder von Andy Partridge). Sie hörten „The Fall of Saigon“ und „Testcard“, aus einer der Undergroundplatten schlechthin der Londoner Post-Punk-Szene, von This Heat.
David Cavanaugh erforscht, beschreibt, erzählt 265 Programme von John Peel aus der Zeit zwischen 1967 bis 2003. Jedem Kapitel ist ein Ereignis des jeweiligen Tages vorangestellt, um das politschen und zeitgeschichtlichen Feld aufzureissen. Ein Buch zum Schmökern und Erinnerung wecken – zum Alte-Spuren-Neu-Aufnehmen wie geschaffen. Soviele, ob David Bowie, Roxy Music, P. J. Harvey (ja, sie auch!) – wer wurde da nicht alles über Nacht einem gorssen Publikum bekannt!?
Als er „Tubular Bells“ von Michael Oldfield spielte, bildeten sich am nächsten Tag lange Schlangen an den Kassen, das war nicht gaz so der Fall, als er eine Seite con „No Pussyfooting“ von Fripp & Eno auflegte – er spielte die Musik vom Band versehentlich rückwärts. Hier noch einmal ländliche britische Psychedelik, zwei weitere Stücke aus dem Grenzfeld von Popol Vuh und My Bloody Valentine – Südküstenballaden und Gitarrenräusche. Die Platten „Chorus“ und “ Distannce“ von Flying Saucer Attack sind zuletzt wiederveröffentlicht worden.
Flying Saucer Attack: Always
Flying Saucer Attack: Instrumental
NACHRICHTEN
Nana Vasconcelos: Que Faser
Die Abteilung Zeitreise in der Radionacht Klanghorizonte begann mit einer Produktion von Manfred Eicher aus dem Jahre 1981: „Quer Faser“, aus dem Album „Codona 2“. Der Name steht für die Vornamen der drei Musiker Colin Walcott, Don Cherry, Nana Vasconcelos. Jetzt hat der letzte dieses wunderbaren Trios, Nana Vasconcelos, den Planeten verlassen. Seine Verweildauer: 1946-2016.
Der Perkussionist hatte stets Elementares im Sinn. Nicht umsonst war sein Hauptinstrument – eigentlich – ein unfassbar limitiertes Teil, die Berimbau. Ein Musikbogen aus dem Nordosten Brasiliens. Auf einen gebogenen Holzstock werden die Saiten gespannt, ein Draht als Saite, der schon mal einem Autoreifen entnommen wird – ein aufgeschnittener Flaschenkürbis als Resonanzkörper. Das Hauptinstrument des brasilianischen Kampftanzes Capoeira.
Ein klassischs Dritte-Welt-Instrument, aber was für Welten hat ihm Nana Vasconcelos entlassen entlockt, etwa mit dem Trio Codona. Er gastierte, als Jon Hassell mit Brian Eno zusammen einen Meilenstein in die Landschaft zimmerten, „Possible Musics“. Und ganz gross auch sein Soloalabum aus dem Tonstudio Bauer in Ludwigsburg – monochromes Grau, das Cover, es heisst schlicht Nana Vasconcelos, ein Stück daraus „O Berimbao“. Dem Japaner seine Shakihachi, dem Brasilianer seine Berimbao!
Die erste Begegnung mit seiner Perkussionskunst hatte ich 1976, in einem Studentenwohnheim in Würzburg, als ich „Dança das Cabeças“ auflegte, Nana Vasconcelos an der Seite seines langjährigen Weggefährten, Egberto Gismonti. Die Grossen gehen, einer nach dem andern. Nun ist auch der argentinsiche Saxofonist Gato Barbieri gestorben, El Gato, und dies ist eine seiner schönsten Platten …
Gato Barbieri: Encuentros
Latin Amerca, Chapter One, von Gato Barbieri. Das schwarze Vinyl drehte sich damals wochenlang auf meinem Plattenteller – wohl nach „A Love Supreme“ eine meiner meistgehörten Schallplatten von Impulse Records. Die Folklore reichte weit und tief in die Pampas, ins kleinste Hüttendorf, weit über den Tango der Nachtclubs von Buenos Aires hinaus. Die besten Alben von Gato Barbieri entstanden bis zur Mitte der 70er. Einmal, auf der EL PAMPERO war auch Nana Vasconcelos dabei. Wahlverwandtschaften. Auch keine Überraschung, dass sich Gato Barbieri, Charlie Haden und Don Cherry bestens verstanden. Man höre nur, einst ein anderer Dauerbrenner aus meinem Impulse-Katalog, Charlie Hadens berühmtes erstes Opus mit dem „Liberation Music Orchestra“. Eine Art sinnestrunkene Tollkühnheit gelang Gato Barbieri, extrem reduziert, auf seinem Soundtrack zu „Last Tango in Paris“. Eine Lieblingsplatte von Harold Budd. Diese musik berührte mich schon damals weitaus mehr als der Film von Bertolucci. Alte Meister und alte Meisterinnen, Fortsetzung: 80er, 70er, 00er Jahre. Mit dabei drei Bassisten: Marcus Miller, Palle Danielsson, Eberhard Weber.
Donald Fagen: The Nightfly
Keith Jarrett: Long as you live you’re loving yours
Kate Bush: Mrs. Bartolozzi
Ohne grosse Worte: Donald Fagen, der diebische Erfinder, Keith Jarrett, sein Meilenstein mit den Skandinaviern, zuletzt ein kleiner feiner Nachschlag zu dem Album von Matmos, die Huldigung an die Waschmaschine – „Mrs. Bartolozzi“. „Aerial“, eines der hinreissendsten Werke der Engländerin, war auch eine Hommage ans ländliche Leben, überschäumend, wohl wissend um den Kreislauf von Leben und Sterben. Alles Naive hat einen doppelten Boden.
Das Hinterland hatte seine Auftritte auch in der Historie des Krautrocks. Das hiessen die Orte in der Provinz Wümme, oder Forst. Als Dieter Moebius und Hans Joachim Roedelius die Metropole Berlin verliessen und an der grossen Weser ankamen, entwickelte sich ein neues Kapitel ihres Duos Cluster, verwegen, verschroben, Pioniere des Synthesizer-Pop und der ambienten Sounds, der grosse Grill stand unterm blumengeschmückten Sonnenschirm. Und was grillten sie: Gemüse. Michael Rother liebte es makrobiotisch. Man denke an das Album „Sowiesoso“, das natürlich in der Box enthalten ist, die das kreativste Jahrzehnt des Duos dokumentiert, die Jahre 1971 bis 1981. Irgendwann kam auch mal ihr grösster Fan aus Suffolk vorbei, ein gewisser Brian Eno.
Cluster: In Ewigkeit
Wenn Sie am Wochenende Zeit und Lust haben, gönnen Sie sich mal auf YouTube die exzellente BBC 4-Doku „Krautrock – The Rebirth of Germany“, ein Trip in die Ära, als sich deutsche Musiker mit eigenen Visionen vom langen Atem der Nazizeit und dem spiessbürgerlichen Muff der frühen Wirtschaftswunderjahre befreiten, eine Stunde Null ins Visier nahmen, von Can bis Amon Düül, von Cluster bis Faust, von Konrad Schnitzler bis Kraftwerk. Nach den Nachrichten werfen wir einen Blick in das Schweden der Hippiejahre: wie sah es da eigentlich aus mit dem Underground?
Cluster: Hollywood (Zuckerzeit)
NACHRICHTEN
Auf zur nächsten Etappe der Zeitreisen in den heutigen Klanghorizonten. Wie ging es also zu in anderen Länder Europas, fernab von England dem Mutterland der Popmusik? Solche Abgrenzungenvon anglo-amerikanischen Vorbildern betrieb der schwedische Underground anders als die Krautrocker. Im Zweiten Weltkrieg wären sie Schweden am liebsten unsichtbar geblieben, was nicht immer ganz gelang. Sie trotzten dennoch den Horrorzeiten und bereiteten, klug und antifaschistisch, den Boden für eine Schar tollkühner Nachfahren vor, vom frohem Sozialismus bis zum Leben als Pop-Art-Experiment. Auf jeden Fall hatten sie mit Träd, Gräs Och Stenar, eine herrlich abgedrehte Kapelle, die sich tatsächlich „Bäume, Gras und Steine“ nannte, und manchmal auch so klang. Die nun vorliegende Kiste „Träd Gras och Stenar“, 3 mal CD, oder 6 mal Vinyl, zeigt, was diese Subversiven live so alles anstellten, z.B. mit engischen Jukeboxhymnen a la „Last Time“ von den Rolling Stones.
Da war jede Menge Verwandlungskunst im Spiel, wenn manisch und repetitiv so ein Ohrwurm zerlegt wurde, wie im Terry-Riley-Rausch mit gekrümmtem Regenbogen, und eine halbe Ewigkeit lang. Auch der eigene Stoff war richtig gut, „one of the best heavy-psych-improv-folk-blues-rock bands ever“ nannte sie Stephen Malkmus.
Mir war es ein Vergnügen, dieser Band aus den Frühen Siebziger Jahren auf die Spur zu kommen. Wer kennt schon Bo Anders Persson, Torbjörn Abelli, Arne Ericsson and Thomas Mera Gartz!? Das war das Andere Schweden, lassen wir ABBA den Ruhm: „The Winner Takes It All“ – so ist das eben. Subversives bleibt besser unkultiviert. Sonst wird auch das Wilde nur eine weitere Fake-Welt, eine falsch gefärbte Erinnerung. Gute Reise. Nach den Nachrichten und der Presseschau geht es um 5.40 Uhr zum Showdown der langen Nacht der Klanghorizonte!
Träd, Gras Och Stenar: The long last track of the second disc
NACHRICHTEN
PRESSESCHAU
Herbie Mann: Chain of Fools
Last Exit Hollywood … „Chain of Fools“, diese Version einer bekannten Soulnummer wurde genau dirt aufgezeichnet, „Live at The Whiskey“, am 6. Juni 1969. Bill Halverson war der Toningenieur, im folgenden Sommer fing er den Sound ein von Crosby Stills Nash and Youngs „4-Way-Street“. An einem warmen kalifornischen Sommerabend gab sich eine Band die Ehre, deren Line-up dem Jazzfreund ziemlich spannend vorkommt – Sie haben ja gehört, wen Herbie Mann gerade alles vorgestellt hat! Wer ihn also eher als Easy Listening-Flötist in Erinnerung hat, war vielleicht überrascht. Als einer der bestverdienenden Jazzmusiker der 70er Jahre, werkelte Herbie Mann später kräftig an einem relaxten Soundtrack jener Jahre. Hier aber liess Herbie Mann alle Zügel los, schoss Popsongs wie Donovans „Tangier“ oder Tim Hardins „If I Were A Carpenter“ in freie Umlaufbahnen … am Mikrofon wünscht Michael Engelbrecht ein gutes Wochenende. „Good morning and good riddance …“, wie John Peel es sagen würde!
Herbie Mann: Tangier