Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 4 Apr

El Gato und Lars G.

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Sie drehte sich eine Zeitlang wie verrückt bei mir, wohl nach „A Love Supreme“ eine meiner meistgespielten Schallplatten von Impulse Records. „Latin America, Chapter 1“. Die Folklore reichte weit und tief in die Pampas, ins kleinste Hüttendorf, weit über den Tango der Nachtclubs von Buenos Aires hinaus. Was Teenager  so alles hörten, in der alten Bundesrepublik, um gepflegten Hecken und Gartenzäunen zu entkommen! Solch sinnestrunkene Tollkühnheit gelang Gato Barbieri, extrem reduziert, auch auf seinem Soundtrack zu „Last Tango in Paris“. Eine Lieblingsplatte von Harold Budd. Dass Gato Barbieri, Charlie Haden und Don Cherry sich bestens verstanden, ist naheliegend. Man höre nur, ein anderer Dauerbrenner aus meinem Impulse-Katalog damals, Charlie Hadens erstes Opus mit dem „Liberation Music Orchestra“.

El Gato ist am Samstag gestorben. Lars Gustafsson auch, der alte Schwede, das ist eine andere Geschichte, die mich aber auch, erinnerungstechnisch, in die 70er Jahre führt. Mein Lieblingsbuch hatte den schrägen Titel „Sigismund – Aus den Erinnerungen eines polnischen Barockfürsten“. Es drehte sich ums Fahrradfahren, das Ende der fossilen Brennstoffe, und revolutionäre Gesinnungen. Herr Gustafsson konnte einen gut in die Irre führen, später ging ich einmal mit ihm speisen, in Recklinghausen, wir sprachen über einen anderen, dunkleren, Roman, „Die Sache mit dem Hund“. Er war ein Philosoph, ein schlauer Fuchs, neben all seinen Romanen schrieb er auch formidable Lyrik. Wenn da einmal Musik vorkam, kam sie aus der Ecke von Bach. Lesenswert der Nachruf von Thomas Steinfeld in der SZ von heute. A propos Johann Sebastian, einer seiner Gedichtbände heisst „Die Stille der Welt vor Bach“. Und eines seiner schönsten Gedichte, „Wie die Winter einmal waren“, lautet so (und man kann durchaus dazu Gatos Klängen zum letzten Tango in Paris lauschen):

 
 

Dieser kalte grüne Streifen
welcher der Morgen war
hatte mit uns
nichts zu schaffen.

Und feierlich stieg senkrechter Rauch
aus den Schornsteinen auf.
Zu einem Gott, der Gefallen
an solch vertikalen Bewegungen fand.

Und das Knarren unter den Füßen!
O dieses unbeschreibliche Knarren:

Niemand konnte sich ungehört nähern
so viel war sicher.

Und der Verdacht, dass das Leben
vielleicht wirklich sinnlos w a r

nicht nur bei Schopenhauer
und diesen anderen kühnen älteren Typen.

Sondern auch hier
unter den weißen Rauchsäulen des Himmels.

 

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