Es gibt Schriftsteller, die immer wieder über ihre Mutter geschrieben haben. Peter Handke hat in den verschiedenen Sprachexperimenten versucht, die Mutter zu bewältigen. In Wunschloses Unglück ordnet er sein Innenleben mit diesen Sprach- und Schreibversuchen. In Immer noch Sturm gewinnt er durch eine stark erinnnernde Erzählform eine große Nähe zur Mutter.
Peter Schneider lässt eine Freundin nach seiner Mutter forschen und ist beim Schreiben des Buches Die Lieben meiner Mutter darüber erstaunt, dass seine Mutter sich Freiheiten nahm, die vor der „Satisfaction-Generation“ möglich waren.
Jetzt habe ich Die Bilder meiner Mutter von Stephan Wackwitz gelesen.
Wer in seinem literarischen Text The Allman Brothers hebend erwähnt, hat schon im Nu die Aufmerksamkeit meiner Synapse angeklickt.
Stephan Wackwitz ist Jahrgang 1952. Er ist ein Goethe Kollege, den ich leider nie getroffen habe. In seinem neuen Buch beschreibt er seine Mutter, die ihren Sohn „schenial“ findet. Es wird Schwäbisch geschwätzt, Wohnort ist Stuttgart. Die Mutter fertigt Mode-Illustrationen an, die im Buch zu bewundern sind. Sie war eine sehr begabte Zeichnerin, hätte sich selbst aber nicht als Künstlerin bezeichnet. Wackwitz beschreibt mit einer exklusiven, hohen, deutschen Sprache die Mutter in ihrem Umfeld und insbesondere seine Beziehung zu ihr.
Dieses Buch hat in mir schlafende Hunde geweckt. Man mõchte der toten Mutter in den Himmel hinein nachrufen:“ Warum hast du nicht mehr aus deinem Leben gemacht?“
Hier eine kleine Leseprobe als Anregung zum eventuellen Lektürevollzug:
Meine bastelnde Annäherung an die technische Moderne ermöglichte mir, am Rand meiner Kindheit, das verlorene Gleichgewicht aus Autonomie und verschlingender mütterlicher Liebe unabhängig von meiner Mutter zu rekonstruieren und in mein späteres Leben hinüberzuretten – in einem Medium, das weit genug entfernt war von der Kunst. So wurde Radiobasteln zu einer Vorform meines lebenslangen Kunstanschauens, Musikhörens und Schreibens … Und es ist kein Zufall, dass der erste Hit der Beatles mit dem Refrain „She loves you yeah, yeah, yeah“, der die Welt damals für jeden und jede, die ihn einmal hörte, für immer verwandelt hat …