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2015 17 Jun

Gregor öffnet seinen Bücher- und Plattenschrank (96)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 1 Comment

Zunächst einmal öffne ich meinen Bücherschrank. Darin findet der gut aufgelegte Leser schnell die Abteilung Flann O´Brien, schnell übrigens deshalb, weil diese Abteilung ein halbes Regalbrett einnimmt. Da findet er unter anderem Aus Dalkeys Archiven, Der dritte Polizist, Irischer Lebenslauf, Durst und andere dringende Dinge, In Schwimmen Zwei-Vögel, Trost und Rat und Das harte Leben.

Allen Büchern gemeinsam ist die Tatsache, dass sie von Harry Rowohlt übersetzt wurden. Eine Ausnahme, man mag es kaum glauben, aber so ist es nun mal: das Büchlein Das harte Leben wurde nicht von Rowohlt, sondern von Annemarie und Heinrich Böll übersetzt. Gestern hörten wir, dass Harry Rowohlt mit gerade einmal 70 Jahren in Hamburg am 15.06. verstorben ist.

Ich habe von Harry Rowohlt übersetzte Bücher geliebt und nun mal eben den Autor herausgesucht, über den ich Rowohlt kennen gelernt habe. Besonders köstlich ist ihm die Übersetzung von In Schwimmen Zwei-Vögel und Trost und Rat gelungen. In letzterem Büchlein findet sich das Kapitel über die Buchhandhabung. O´Brien schildert hier eine geniale Geschäftsidee, über die sich jene Leute freuen dürften, die zwar nie lesen, aber dennoch vor ihren Mitmenschen als belesen und gebildet eingestuft werden wollen.

Zunächst muss man sich freilich die richtigen Titel für seine Bibliothek zusammenstellen, die Titelliste sollte natürlich in dem Buch Ulysses von James Joyce gipfeln, nebst ausgewählter Sekundärliteratur (übrigens, so spricht das einfache irische Volk über Flann O´Brien: „So hätte Joyce geschrieben, wenn er nicht so bescheuert gewesen wäre.“) Nun, die Bücherwand steht, vielleicht auch mit Hilfe der besten von Marcel Reich-Ranicki ausgewählten Romanen.

Ungelesene Bücher machen aber nun nicht viel her, deshalb kommt nun der Buchhandhaber ins Spiel, er bietet fünf verschiedene Stufen der Handhabung an, von ziemlich preiswert bis sündteuer. Stufe 1: Unser Schwachkopf von einem Kunden möchte, dass seine Bekannten ihn nach einem flüchtigem Blick ins Haus für einen Intellektuellen halten. Dazu reicht es, wenn jeder Band mit vier Eselsohren versehen wird, einem Straßenbahnfahrschein oder sagen wir einem Gepäckschein-Abschnitt. Stufe 2: Neben den Eselsohren und den genannten Papieren, werden in 25 Bänden geeignete Passagen mit Rotstift unterstrichen, außerdem bekommen sie als vergessenes Lesezeichen je eine Flugschrift über Victor Hugo in französischer Sprache.

Mit Handhabung De Luxe erreichen wir die dritte Stufe: „Jeder Band wird übel zugerichtet, die Buchrücken der kleineren Bände werden in einer Weise beschädigt, die den Eindruck entstehen lässt, sie seien in Brust- oder Hosentaschen herumgetragen worden; eine Passage in jedem Band wird mit Rotstift unterstrichen plus Ausrufungs- oder Fragezeichen am Seitenrand; ein altes Programm vom Gate Theatre wird jedem Band als vergessenes Lesezeichen beigelegt.“

Die vierte Stufe nennt man Traitement Superbe. Hier wird die Handhabung nur von ausgewiesenen Handhabungsmeistern vorgenommen. Neben allem bereits genannten werden in 50% der Bücher Randbemerkungen eingefügt, etwa: „Quatsch! / Ja, allerdings! / Sehr wahr, sehr wahr! / Da bin ich aber ganz anderer Meinung. / Warum? / Ja, aber vgl. Homer, Od.III, 151 / Na, na, na! / Schon, aber Boussuet hat in seinem Discours sur l´histoire universelle den gleichen Nachweis geführt und viel gehaltvollere Erklärungen abgegeben. / Unsinn, Unsinn! / Gut gegeben! / Aber warum, um Himmel willen? / Ebendies hat mir vor Jahren der arme Joyce gesagt.“

Kann man sich noch eine Steigerung vorstellen? Nein?

Doch, die Stufe 5. Neben allem vorangegangen genannten kommt gegen einen kleinen Aufpreis folgendes hinzu: Nicht weniger als sechs Bände werden mit gefälschten Zuneigungs- und Dankbarkeitsbezeugungen vom Autor des betreffenden Werkes versehen, z.B.: „Für meinen alten Freund und Zunftkollegen A.B. In liebevoller Erinnerung von George Moore …“ oder „Lieber A.B., deine unschätzbaren Vorschläge und dein Beistand – die Freundlichkeit gar nicht zu erwähnen, die du an den Tag legtest, als du das gesamte 3. Kapitel umgeschrieben hast – als das berechtigt dich wie keinen Anderen zu diesem ersten Exemplar von Tess. Dein alter Freund T.Hardy.“

So, ich werde jetzt Harry Rowohlts gedenken, indem ich in seinen von ihm genial übersetzten Flann O´Brien-Büchern blättere, natürlich nicht, ohne mir zuvor einen großen Schluck Laphroaig, einen zehn Jahre alten Islay Single Malt Scotch Wisky, eingossenen und die wunderbare neue CD aufgelegt zu haben, die zu meinem Gedenken gut passt: Charlie Haden & Gonzalo Rubalcaba: Tokyo Adagio, ein Mitschnitt eines Duo-Konzertes aus dem Jahre 2005.

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1 Comment

  1. Lajla Nizinski:

    Gregor, slantje auf Harry.


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