Manafonistas

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2014 4 Dez

Ausflug nach Graubünden

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 1 Comment

Sommerlich warme Winterstrandkörbe („electrified beach chairs“) sind die vorläufig neueste Kreation unserer Wohlfühl- und Erlebniskultur. Wo sich aber kein Raum für das Surreale öffnet, verpuffen all diese Wellness-Kreationen wie jede andere kurzfristige Luxuserfahrung auch.

Das Surreale kann manchmal die Gestalt heimlicher, keinesfalls heimeliger, eher unheimlicher, Stille annehmen, Peter Zumthor hat auf diesem Gebiet Bedeutendes geleistet – nicht ohne Grund wurden einzelne seiner Kreationen schon mit erlesener Ambient Music von Paul Schütze, Thomas Köner oder Brian Eno akustisch angereichert, in kleinen Zeitfenstern, um dem eigentlichen Geräusch der Stille Raum zu lassen.

Vor dem Bergpanorama Graubündens träumte einst, in den Neunzigern, eine kleine Gemeinde von einem Erlebnisbad, aber niemand aus dem Ratshaus schien geahnt zu haben, worauf man sich bei dem Schweizer Architekten eingelassen hatte. Kein opulentes Wellenbad, keine Wasserrutschen mit geliebtem Kindergekreisch! Die Ruhe, die einen hier in Vals kalt erwischt, erinnert eher an Klöster und Totengedenkstätten. So wurde die Therme bald unter Denkmalschutz gestellt, und Leute, die gerne ihren Sekt korrekt trinken, oder Wörter wie „stylish“ und „handysh“ benutzen, würden hier rasch von subdepressiven Schwingungen heimgesucht.

Die Stille gibt den Ton an, wenn man den streng rechtwinklig geformten Raum betritt, geformt aus jenem grau-silbrig schimmernden Gestein, das unweit des Ortes abgebaut wird: Quarzit. Kritiker haben schon garstige Worte gefunden für die Therme und vom „schönsten, überlebensgrossen Sarg Europas“ gesprochen, „in dem man sich frei bewegen könne, und nur selten auf andere Untote treffe“.

Andere belassen es bei ihrer Sprachlosigkeit, aber natürlich gibt es auch hier Esoteriker, die alles, was Stille verspricht und solches Versprechen auch gnadenlos umsetzt, gleich „mystisch“ nennen, oder „spirituell“. Mal fällt der Blick auf einen rostigen Wasserlauf, mal auf die Bergwelt draussen. Einem Cronopium, das dort verweilt, könnte eine Zeile aus einem alten Talking Heads-Song in den Sinn kommen: „Heaven is a place where nothing really happens“.

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1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

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