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2014 10 Okt

Tous les garcons et les filles, de la belle fille Francoise Hardy

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 6 Comments

In Chaville, dem Wohnort von Handke, wartete ich einmal einen halben Nachmittag auf ihn. Ich setzte mich an den hinteren Tisch der trostlosen Bahnhofskneipe und wartete vergebens. Modiano laesst seine Verlorenen oft in Cafes, Bars, Hotels, Kneipen ausruhen, um an diesen Orten in schattiger Stille darueber nachdenken zu koennen: Wie gehts jetzt weiter? Und der implizierten Antwort: es geht nicht weiter. Deswegen der Literaturnobelpreis auch fuer diese Melancholiker.

Ich habe drei Buecher von Modiano gelesen:

 
Aus tiefstem Vergessen

Eine Jugend

Im Cafe der verlorenen Jugend

 
Mich interessieren seine Buecher ueber das Vergessen, das Juedische nicht. Mich machten seine Buecher auch nicht suechtig. Aber wer in den spaeten 60ern am Rive gauche war, dort herumlungerte, an der Seine sich verliebte und tagelang nach den blauen Augen und dem Provoohring suchte, der weiss, um was es in Modianos Buechern geht. Es sind Liebesgeschichten, die ein romatisches deja-vu erlauben, die einem erneut auf die Suche nach dem weissgekleideten Amsterdamer schicken und nach Aufklaerung verlangen, die man nie bekommen soll.

Diese drei Buecher sind eine Wiederholung der immer gleichen Befindlichkeiten [ wie Hardy sie besingt], gewissermassen „Stiluebungen“ wie Queneau sie an der Geschichte mit dem Autobus S ausprobiert und wie sie Handke nie schreiben koennte, weil Modiano eine sehr kurze klare Sprache pflegt.

 

„Sept cent millions de chinois

et moi et moi et moi …“

„J’y pense et puis j oublie

c’est la c’est la vie …“

(Jacques Dutronc)

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6 Comments

  1. Uwe Meilchen:

    Vielen Dank Lajla, dein Blogeintrag und wie Du ueber Modiano schreibt weckt in mir den Impuls, SOFORT loszugehen, zu der Buchhandlung meines Vertrauens und dort nach seinen Buechern zu suchen.

    Allein, der Stapel an Buechern, die noch zu lesen sind (= Hausaufgaben) ist leider noch recht hoch. – Aber ich merke mir Modiano vor ! – Und die Ductronic Single „Et moi et moi et moi“ steht bei mir im Regal – mit „Mini mini mini“ auf der B-Seite ! .-D

  2. Gregor:

    Doch, ich hab mich für Modiano gefreut, dass er den Preis bekommen hat. Ich schätze ihn sehr, diesen Autor. Dora Bruder, das war mein erstes Buch, die meisten älteren konnte ich nachholen zu lesen, ja auch eines von Peter Handke übersetzt: Eine Jugend. Eine Frage an dich: „Mich interessieren seine Buecher ueber das Vergessen, das Juedische nicht.“, schreibst du, kannst du das näher erklären?

  3. Lajla Nizinski:

    Gregor, ja, ich haette das „SEINE Buecher“ hervorheben sollen, ich lese ueber dieses Thema lieber Sachbuecher als Romane. Hannah Arendt oder Alphons Silbermann z.B.

    Heute schrieb ein Freund, er vermisse bei Modiano den aktuellen politischen Bezug. Denkst du das auch?

  4. Martina:

    Lajla, die ersten beiden Sätze ohne die Passage „und wartete vergebens“ könnte man als Schreibaufgabe in einem creative writing Kurs einsetzen. – Schreiben Sie eine Geschichte, die mit diesen beiden Sätzen beginnt.

  5. Gregor:

    Nein, Lajla, den aktuellen politischen Bezug vermisse ich bei Modiano überhaupt nicht. Gerade seine Bücher, die das Dritte Reich thematisieren, die Rolle Frankreichs, das Verdrängen und das Vergessen müssen ja wohl in Frankreich ziemlich eingeschlagen haben. Nicht umsonst hat man ihn wegen dieser Bücher überhaupt nicht geschätzt. Wenn das kein aktueller politischer Bezug ist… Und in die aktuelle politische Landschaft in Frankreich dürfte Modiano nun überhaupt nicht mehr passen.

  6. Lajla nizinski:

    Ja er ist ziemlich herausgefallen aus dem aktuellen Zeitgeschehen. Für mich stellt sich da die Frage, wie er das abspalten kann: einerseits die Beschreibung und Erinnerung an das Leid eines kleinen jüdischen Kindes und andrerseits die aktuellen Fotos von leidenden Kindern im Gazastreifen.

    Martina: cool, wenn diese Zeile wirklich inspiriert :)


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