„Morning has broken …“ – als ich damals diese Zeilen hörte, konnte ich mich leicht über die Süssholzraspeleidiskussion hinwegsetzen, etwas Whisky in meinen Nachmittagskaffee schmuggeln, und Träumen nachhängen von Petra W., die nur drei Strassen weiter wohnte. Nicht viele Jahre später schwankte der privat beigemessene Wert dieser frühen Cat Stevens-Alben in friedlichem Einklang mit der jeweiligen Ausschüttung von Glückshormonen. Glücklich- und Doofsein lagen mitunter verblüffend nah beeinander. Später dann verschwand Yussuf (oder wie er sich nannte, mit der Salman Rushdie-Nummer im Gepäck der Lächerlichkeit eines erleuchteten Ex-Hippies) Richtung Mekka, irgendwo hinter dem Mond. Ab und zu taucht er noch auf, wenn die Romantik der Frühen Siebziger aufbricht, in drittklassigen Theateraufführungen in Landschulheimen, Retrospektiven alter Kultfilme (man hört ihn unentwegt singen in diesem bekloppten Film, in dem sich ein Westküstensoftie in eine uralte Frau verliebt), und im Tagesradio, wenn der Computer das Zufallssegment „Nostalgie“ bedient. Oder, heute morgen aus dem Nachbarzimmer im Dachgeschoss dieses Hotels. Am besten, man schliesst dann rasch das mehrfach verglaste Fenster und vertraut, ganz und gar, der plötzlichen Stille über Lissabon. Wie man Lieder einfach verschwinden lassen kann, darüber gäbe es eine Menge zu erzählen.
2014 3 Okt
Retroattacke im Dachgeschoss
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 6 Comments
6 Comments
-
Henning:
Sao Vicente gut zu sehen!
-
Michael Engelbrecht:
Alles wahre Geschichten:)
-
Henning:
Sao Vicente ist der Weisse Kirchtum ganz hinten
Im Bild, am Rande von Alfama. -
Michael Engelbrecht:
Ein Kloster. hat es eine Rolle in der „Nelkenrevolution“ gespielt, oder nur seit Jahrhunderten friedlich gedämmert? Oder Franconisten Bierfässer geliefert?
-
Henning:
Nachricht aus Brügge: Orientierungspunkt im Gewirr von Alfama.
-
Wolfram:
Na ja, Cat Stevens‘ Lieder hatten schon ihre Bedeutung für die Stehblues-Runden bei den Samstagsparties der Tanzschule Lux-Ulrich in Stuttgart, wenngleich auch „Sweet Child in Time“ oder „Stairway to Heaven“ größere Anforderungen an den tänzerischen Ausdruck bei fast völliger Bewegungslosigkeit stellten. „My Lady d’Arbanville“ von Stevens hatte immerhin eine kleine Steigerung, so dass man wenigstens schon mal den vom Stehblues steifen Nacken leicht kopfschüttelnd etwas lockern konnte.