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2014 3 Aug

Gary Burton in der Balver Höhle

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 17 Comments

Es war einmal, in den Siebzigern, da trat die Band von Gary Burton im Sauerland auf, in der Balver Höhle, im Rahmen des dortigen Jazzfestivals. Für ihn muss es ein sehr ungewöhnliches Erlebnis gewesen sein, denn er wusste erstmal nicht, dass dieses Event in einer Höhle stattfand. Das ist ja irgendwie etwas Anderes, Seltsames, Archaisches. Man denkt an Höhlenmalerei, an Steinzeitmenschen und Affen (versäumen Sie nicht, jetzt auch in hiesigen Kinos, den neuen Affenfilm „Dawn of the Planet of the Apes“, der das Prädikat „hintersinnig“ verdient, wertvoll ist er sowieso, aber ich schweife ab.) Da landete also der filigrane Vibraphonist (der meiner Meinung nach einige der besten Alben seiner Karriere bei ECM veröffentlichte, die meisten in den frühen Jahren, und das ist auch eine Story, die in jenem alten Jahrzehnt begann) an einem solchen Kristallisationspunkt der Menschheitsgeschichte. Gary Burton spielte am Ende des Tages, das Publikum war enthusiastisch, teilweise betrunken, teilweise bekifft, und teilweise bei klarem Verstand. Die Band gab mehrere Zugaben. Nach der ungefähr fünften Zugabe war man der Meinung, das sei nun genug und zog sich zurück, obwohl das Publikum mittlerweile in ein rhythmisches Klatschen verfallen war. Man ging auf die Bühne, packte die Instrumente zusammen, doch das Publikum hörte nicht mehr auf mit dem Klatschen, schien sich selbst in eine Klatschtrance versetzt zu haben – das Echo des Klatschens wurde durch die Höhle getragen, sprang von den Wänden zurück. Der Höhlenraum war sehr eng, und so musste die Band etliche Male von der Bühne, an den Klatschenden vorbei, zum Bühneneingang, zum Tourwagen, und zurück. Nachdem alles verstaut war, setzte sich Gary Burton noch mit dem Veranstalter zusammen, regelte den Papierverkehr und nahm das Honorar entegegen. Und selbst dann noch, als man sich anschickte loszufahren, war das kollektive Klatschen aus der Höhle zu vernehmen.

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17 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Crystal Silence (ECM, 1972) with Chick Corea
    The New Quartet (ECM, 1973)
    Seven Songs For Quartet And Chamber Orchestra (ECM)
    Hotel Hello (ECM, 1974) with Steve Swallow
    Ring (ECM, 1974) with Eberhard Weber
    Matchbook (ECM, 1974) with Ralph Towner
    Dreams So Real (1975) feat. music by Carla Bley (ECM)
    Passengers (ECM, 1976) with Eberhard Weber
    Times Square (ECM, 1978)
    Duet (ECM, 1979) with Chick Corea
    In Concert, Zurich (ECM, 1980) with Chick Corea
    Easy as Pie (ECM, 1980)
    Picture This (ECM, 1982)
    Lyric Suite for Sextet (ECM, 1982) with Chick Corea
    Real Life Hits (ECM, 1984)
    Slide Show (ECM, 1986) with Ralph Towner
    Whiz Kids (ECM, 1986)

  2. Michael Engelbrecht:

    Learning to Listen – The Jazz Journey of Gary Burton.

    Fine autobiography.

  3. Henning Bolte:

    Das klingt nun richtig schön nach Cpt. Blue Bear

  4. Michael Engelbrecht:

    Ich liebe wahre Blaubär-Geschichten!

  5. Henning Bolte:

    ((-:

  6. Michael Engelbrecht:

    Also hier die Auflösung: ist wirklich so passiert, findet sich in seiner Autobiographie (ich habe es schlicht nacherzählt und durch ein paar Einschübe in meine Erzählperspektive gerückt).

  7. Henning:

    !!!

  8. Uwe Meilchen:

    Bei Balver Hoehle muss ich an Piirpauke denken, die sind da Anfang der 1980iger aufgetreten; und es gibt auch eine LP von diesem Auftritt. (Ueber „Fantastischen Vier“ und Ihr zweimaliges ‚MTV UNPLUGGED‘ dort breiten wir einen Mantel des Schweigens!) .-D

  9. Jan Reetze:

    Es war am 9. Dezember 1975, dass ich beim 114. NDR-Jazzworkshop, wo ich eher durch Zufall gelandet war, das Gary Burton Quintet mit Albert Mangelsdorff sah und hörte. Neben Bobby Moses, Mick Goodrich und Steve Swallow war auch ein langhaariger Gitarrist mit einem Dutzendgesicht dabei, damals gerade mal 20 und noch völlig unbekannt, ein gewisser Pat Metheny. Michael Naura trat mir auf dem Weg zum Mikro versehentlich auf die Füße, und Albert Mangelsdorff spielte zwei Meter von mir entfernt. Er sah mich regelmäßig ziemlich lange an und dachte sich wohl: Wenn ich den kriege, dann habe ich sie alle. – Ich glaube, an dem Abend habe ich den Jazz wirklich entdeckt.

    Burtons Bio kann ich nur empfehlen, sie ist absolut lesenswert. Mir hat es besonders gefallen, dass es anscheinend gerade die geschätzte k.d. lang war, die ihn zu seinem coming-out ermutigt hat. (Dass er auf ihrem Ingenue-Album mitspielt, war mir vorher gar nicht aufgefallen.)

    Ich finde auch, dass Burtons ECM-Einspielungen nicht nur zu seinen besten, sondern auch den besten des Labels gehören.

  10. Michael Engelbrecht:

    Ich sah Gary Burton zum ersten Mal 1973 oder 74, ich glaube, in der Aula eines Gymnasiums in Unna, später dann 1975 oder 1976 mit eben diesem Pat Metheny, der auch da ach noch recht unbekannt war, in einem schönen alten Theater in Aschaffenburg. Bob Moses sass am Schlagzeug. Memories … z.B. Eberhard Weber, den sah ich erstmals im Domicil in Dortmund, als neuer Sideman des Dave Pike Set, an der Seite von Volker Kriegel. Nicht lange danach kam sein Debut, das Wunderwerk Colours of Chloe heraus, dem gleich noch zwei Klassiker folgten …

  11. Michael Engelbrecht:

    A propos Gary Burton, Quizfrage: In welchem Kinofilm der Achtziger Jahre taucht das Cover von Crystal Silence auf? Er erregte damals grosses Aufsehen, er kommt aus der Zeit, in welcher der Ausdruck “Kultfilm” entstand. Einige Kritiker bemäkelten seine Videoclip-Ästhetik. Das ECM-Cover passte jedenfalls gut in die Optik. Ich mag ihn heute noch.

  12. Sherlock:

    „Diva“ (ab min 13:28)

  13. Henning Bolte:

    Oh, so können wir sammeln. Lustige Geschichten. Mein Gott, DIVA. Man müsste mal so eine Formel für einen Haftenbleiben-Index aufstellen. Es war zu den Zeiten ja recht übersichtlich alles. Und nach dem wirklich Interessanten musste man SUCHEN, es aufspüren. Das Suchen, Aufspüren des Besonderen ist nu so gut wie vorbei. Heutzutage wird das Besondere vor allem beschworen. Siehe z.B. Besprechungen von ECM-Alben.

  14. Michael Engelbrecht:

    @ Sherlock: in dem Film konnte ich sogar Operngesang gut ertragen. Der Kontext macht es. Ein Film zum Immer-Wieder-Gucken. Von wegen kurzlebig. Klassiker (beschwörungsfrei:))

    @ Henning: Kulturpessimismus kannte man schon damals. Gerade heute muss man SUCHEN. Es gibt keine Garantien mehr, nicht mal von Firmennamen. Es sei denn, es „kelmant“ wieder!

    @ Jan: so habe ich beim Durchstöbern des Gary Burton-Buches auch wieder Red Norvo entdeckt, und eine alte Platte mit Freude rausgekramt.

  15. Michael Engelbrecht:

    Wichtiger Forschungsnachtrag: der 114. NDR Jazzworkshop könnte als Schallplatte im NDR-Jazzarchiv liegen. Soll ich mal investigativ tätig werden, Jan? Das läuft dann unter: frühe Jazzerinnerungen … aber da du die Nummer weisst, hast du es wahrscheinlich sowieso, oder nur eine alte Eintrittskarte?

  16. Jan Reetze:

    Das waere wunderbar. Ich hatte die erste Haelfte des Konzerts mal vom Radio auf Tonband aufgenommen (deswegen weiss ich die Nummer noch). Es war ein sehr billiges Shamrock-Band; als ich dann vor ungefaehr 10 Jahren die Aufnahme digitalisieren wollte, ging es leider den Basinski-Weg …

  17. Uwe Meilchen:

    http://www.plosin.com/milesahead/Tapes.aspx?s=19751209

    Gary Burton Quintet (NDR Workshop 114)
    Studio 10, Grosser Sendesaal des NDR Funkhauses, Hamburg
    December 9, 1975 (15 items; TT = 73:13)
    Studio 10, Grosser Sendesaal des NDR Funkhauses, Hamburg

    Albert Mangelsdorff (tb); Gary Burton (vb); Pat Metheny (g); Mick Goodrick (g); Steve Swallow (el-b); Bob Moses (d); Michael Naura (ann)

    1 Introduction (Michael Naura) 0:25
    2 A Family Joy (M. Gibbs) 8:00
    3 Introduction (Burton) 0:26
    4 Vashkar (C. Bley) 6:49
    5 Airegin (S. Rollins) 6:42
    6 Introduction (Burton) 0:22
    7 Coral (K. Jarrett) 7:24
    8 Introduction (Burton) 0:05
    9 Grow Your Own (K. Jarrett) 5:36
    10 A Certain Beauty (A. Mangelsdorff) 10:08
    11 I’m Your Pal (S. Swallow) 7:54
    12 Introduction (Michael Naura) 0:04
    13 Ballet (M. Gibbs) 9:46
    14 Introduction (Burton) 0:18
    15 Blue Steps and Deep Swing (A. Mangelsdorff) 9:14

    NDR Jazz Workshop No. 114; produced by Michael Naura. Mangelsdorff plays only on the last four tunes (probably the second set as performed).


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