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on life, music etc beyond mainstream

2014 5 Apr

Lesezeichen # 4

von: Uwe Meilchen Filed under: Blog | TB | 7 Comments

 

 
 
 
Nein, geschont wird in diesen Tagebuechern nichts und niemand; auch sich selbst nimmt Fritz J. Raddatz nicht von der eigenen, beissenden Kritik aus. Vermutlich ist es eine Binsenweisheit wie oberflaechlich das Leben doch ist (sein kann); Ernuechterung, oftmals Verbitterung macht sich bei all jenen breit, die einen Blick hinter die Kulissen wagen durften.

Mit Fritz J. Raddatz Tagebuechern (der zweite Band mit den Jahren 2002 bis 2012 liegt seit einigen Wochen vor) lernen wir: der von ihm geschilderte Kulturbetrieb ist eitel, ist oberflaechlich, ist selbstbezogen. Ausnahmen, einige wenige Freundschaften die ueber die Jahre fuer Raddatz Bestand hatten und haben inbegriffen. –

Gleichzeitig ist die ueberaus anregende Lektuere natuerlich auch Erinnerung an eine Presse- und Verlagslandschaft die es heute so nicht mehr gibt.

Die wichtigen Buecher zu nennen, die waehrend Fritz J. Raddatz Aegide bei Rowohlt erschienen sind, (u.a. von Hubert Fichte, James Baldwin, Gisela Elsner – um nur drei zu nennen), wuerde den Rahmen dieses Blogeintrags sprengen. Bei der „ZEIT“ hat er ueber Jahre ein auf- und anregendes Feuilleton gemacht; auch davon und von seinen Begegnungen erzaehlen diese beiden Buecher ebenso wie seine Biographie „Unruhestifter“.

Und heutzutage? Heute, in den Grossbuchhandlungen wendet man sich mit Grausen ob der dort einzig und ausschliesslich ausliegenden Trivialliteratur. (Zugegeben: nichts gegen ein bisschen Schokolade, etwas Lektuere fuers Herz — aber nur light entertainment auf den Praesentationstischen vorfinden ??) –

Ebenso: man blaettere momentan einmal durch den Kulturteil ueberregionaler Zeitungen und bemerke auch dort die Unterschiede zu „einst“. – Der Kulturteil der „Sueddeutschen“ besteht an manchen Tagen aus vier (!) mageren Seiten; und in der „ZEIT“ sind z.B. Besprechungen von aktuellen Jazz- oder Klassikveroeffentlichungen so gut wie garnicht mehr vorhanden. – Roger Willemsen hatte einmal eine gute, woechentliche Kolumne in der „ZEIT“ in der er personal favourites aus der Musik vorstellte. Auch dies, unter anderem: vorbei. Grosse Interviews, anregende Lektuere, kurz: Artikel, die man zur Seite legt, zum wieder zur Hand nehmen: dass ist selten geworden.

Wo ist die neue, nachgewachsene Generation von Journalisten, die an Groessen wie Joachim Kaiser, Konrad Heidkamp und Rolf Michaelis anschliessen – oder es zumindest versuchen ? Oder praezisiert: es versuchen duerfen ?

Wer nennt die Namen, erinnert an die Zeiten ? Tempi passati, leider.

This entry was posted on Samstag, 5. April 2014 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

7 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Ich denke ähnlich und anders. Roger Willemsens Schreibe zeigt einen intelligenten Menschen, der oft Kluges zu erzählen hat. Ich mag seinen Stil ünerhaupt nicht, ist mir zu putzig und ziseliert.

    Ich brauche keinen Kritker, zu dem ich aufschauen kann, und möchte auch nicht moralisierend werten, wer ein Schwätzer ist, und wer ein Grosser. Ich vermisse Konrad, weil ich ihn kannte, und seinen Stil liebte. So wie ich eben Bill Callahans Stil mag und Mozarts Stil nicht. Es gibt keine wertschöpfende Hierarchie der Genres, das wäre dumm und Nachbeterei.

    Es gibt keinen heiligen Kanon für Kultur erster und zweiter und dritter Klasse. Jeder möge für sich seine Gipfelerlebnisse, Höhen und Tiefen entdecken oder formulieren.

    Ich bin allen Ernstes der Meinung, dass ich durch meine Lektüre von zwei Romanen von Ernst Augustin mehr über mich und das Leben erfahren habe als durch die Lektüre von zwei Büchern von Franz Kafka.

    Das ist genau der Punkt. Folgen wir einem Kanon, oder unserem eigenen Gespür? Ich bleibe lieber mir selber treu, als einer Liste der hundert besten Bücher der Weltliteratur.

    Willemsen ist vielleicht ein superguter Typ, sein Stil löst bei mir geradezu körperliches Unwohlsein aus.

  2. Michael Engelbrecht:

    Ich will damit etwas Bestimmtes sagen: die Zeiten sind nie vergangen. Nie vorüber. Oder immer vorüber. Es war früher nie besser. Nur anders.

  3. Uwe Meilchen:

    Auch ich brauche keinen Kriker, zu dem ich aufschauen kann. Das Aufschauen, das typisch Deutsche ! Und eine Liste der hundert besten Bücher der Weltliteratur dann auch nur dazu um ANREGUNGEN zu finden. Danke fuer die Nennung von Ernst Augustin; mir bis dato unbekannt — ein Anhaltspunkt zum Nachforschen !

    Die Auslagen in Buchhandlungen helfen da ja nur noch eingeschraenkt. Und meines Erachtens sind sind die Printmedien (ich weiss, eine diffuse, weil: ungenaue Verallgemeinerung) ebenfalls im Aufspueren von Aufhorchenswertem schwach geworden.

    Mag sein: die Zeiten sind nicht vergangen. (Wenn ich durch die Fussgaengerzonen im Umkreis gehe, gibt es dafuer aber deutliche Anhaltspunkte!). Oder aber meine Begeisterung im Grossen und Ganzen leidet momentan. Dazu dann vielleicht bei einem Kaffee demnaehx mehr off the record. .-D

  4. Michael Engelbrecht:

    :)

  5. Henning:

    Kommt darauf an, wie man Kafka hat lesen können!

  6. Henning:

    Ja, alles weg. Wo ist es hin?

  7. Michael Engelbrecht:

    Ich las Kafka langsam. Ich flog durch Mark Twain.


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