Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2013 23 Nov

Morgennotizen

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 18 Comments

1 – Ich habe lange nicht mehr so wenig geschlafen wie heute. Fortgeschrittenes sexfreies Im-Bett-Sich-Drehen war angesagt. Zuletzt eine Nacht durchgemacht habe ich noch im alten Jahrtausend, nachdem Eberhard Weber Bass solo spielte in den Cuevas de los Verdes auf Lanzarote, und Bang On A Can hernach auf akustischen Instrumenten Brian Enos Meisterwerk Music For Airports darboten und dabei die in der Originalfassung fein unter der Oberfläche gehaltenen Emotion voll auslebten. Eine Verwandlung von ätherischer Sehnsucht in hemmungslose Traurigkeit der herzerweichenden Art. Hernach war ich mit den Streichvirtuosen aus den USA stundenlang in einer Bar in Arrecife, und die Diskothek, in der wir gegen vier Uhr nachts strandeten, spielte unendlich schlechte Bumsmusik. Da war das, was The Trammps in den Klanghorizonten spielten, abgemischt vom Tom Moulton, göttlicher Stoff.

2 – Ich weiss gar nicht, wie oft heute in der Sendung von New York die Rede war, und die 80er und 70er ständig die Bühne tauschten. Da die Zeit wieder mal raste (und es keine Chance gab, sie anzuhalten, wie sollte ich auch, ich bin schliesslich Epikuräer und kein Mystiker), blieben viele Dinge unausgesprochen, der Anfang eines „Disko-Gedichts“ von Silke Scheuermann etwa, oder wie Nico im aggressiven Vollrausch eine Frau brutal in den Hals schnitt, im Chelsea Hotel, und dann, aus berechtigter Furcht vor einer Racheaktion der Black Panther, über Nacht nach Kairo ausgeflogen wurde, etc.). Gerne hätte ich auch noch eine Passage aus Patti Smiths Buch „Just Kids“ vorgelesen, aber da scharrten The Trammps schon mit den Füssen. Nebenbei bemerkt, zweimal fiel der Name Brian Eno heute Nacht, und doch liess ich unerwähnt, dass es seine Stimme war, die ad infinitum das Wort „Exposure“ buchstabierte. Ich liebe es, wie Terry Roche sich einmal auf diesem Fripp-Stück die Seele aus dem Hals schreit.

3 – Was macht man nach so einer durchgewachten Nacht? Nicht viel. Ich bin jetzt eine Couchkartoffel, werde die sieglosen Spiele von Borussia Dortmund gegen Bayern und Neapel (wir spielen ohne komplette Viererkette, alle schwer verletzt, so was gab es seit den Kreuzbandrissen von Chappi Chapuisat und Kalle ‚Air‘ Riedle nicht mehr) mit Gelassenheit zur Kenntnis nehmen. Und, mein Highlight, bei A-Musik erstand ich gestern in Köln auch noch eine nie gehörte Reggaesscheibe aus dem Jahre 1970, die lange als vergrabener Schatz galt: Double Barrell, von Dave and Anselm Collins. Mein Rega Planar 6 wird sich auf dieses Futter freuen, und ich trinke zum Abend hin ein Glas Rotwein aus Australien, einen „Blue Eyed Boy“ für besondere Gelegenheiten, spreche einen Toast aus auf alle Manafonistas & Associates, die zu dieser sehr speziellen Nachtstunde beitrugen, mit konkreten Ideen oder guten Energien. A votre sante.

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18 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Noch einmal die finale playlist vom 23.11.2012, Radionacht im Deutschlandfunk, Klanghorizonte, 4.05 Uhr: 1) Nick Drake: Cello Song 2) Zsofia Boras: Ecrovid, aus EN OTRA PARTE 3) Arthur Russell: Lucky Cloud, aus ANOTHER THOUGHT 4) Sun Ra /with John Gilmore & Marshall Allen: Tiny Pyramids, aus: ANGELS AND DEMONS AT PLAY 5) Simon Fisher Turner: Dhaulagiri aus THE EPIC OF THE EVEREST 6) Daniel Lanois: Ice, aus ACADIE 7) Robert Fripp: Exposure, aus EXPOSURE 8) Nico: Abschied, aus DESERTSHORE 9) Simon Fisher Turner: Ama Dablam , aus THE EPIC OF THE EVEREST 10) Keith Jarrett: VIII, aus NO END 11) Laraaji: All Pervading, aus CELESTIAL MUSIC (1978-2011) 12) The Trammps: Trammps Disco Theme / Zing Went The Strings, aus PHILADELPHIA INTERNATONAL CLASSICS: THE TOM MOULTON REMIXES

  2. Michael Engelbrecht:

    Zum BLUE EYED BOY:

    First up is the 2010 Blue Eyed Boy Shiraz. This wine contains grapes from the Joppich and Birchmore Vineyards in Langhorne Creek and the Kirwin and Mollydooker vineyards in McLaren Vale. This wine is 100% Shiraz and has 70% barrel fermentation in new oak and 30% in one year old American oak.

    First things first, one must do the Mollydooker Shake prior to enjoying all Mollydooker reds two years of age and younger. Blue Eyed Boy is a big, full bodied Shiraz.

    The wine pours a deep seductive purple color in the glass and has long legs upon swirling the wine in the glass. The nose is brimming of dark fruits such as blueberry, blackberry and boysenberry. There are also subtle vanilla, lavender, and spice aromatics as well.

    The palate is complex with layer after layer of the ripe dark fruits, with hints of baking chocolate, vanilla, and spices. There is some fresh cracked pepper on the back palate as well.

    The wine has a firm, but smooth tannic structure and finishes very long with a bit of heat from the pepper and spice.

  3. radiohoerer:

    Was macht man nach so einer durch wachten Nacht?
    Gute Frage. Ich konnte nach deiner Sendung gut schlafen. Natürlich, nachdem ich sie geschnitten und hochgeladen hatte.
    Nun, und seit 8Uhr verrichte ich meinen Job, also keine Zeit für Ausruhen oder Durch hängen.
    Danke für den Hinweis auf den die Schallplatten.
    Morgen gibt es bei mir nur LP’s ( spezieller Tag .. ) ‚Exposure‘ ist auch dabei …der Rest entwickelt sich.
    A-Musik in Köln ist über so viele Jahrzehnte, eine der besten Adressen für gute und spezielle Musik. Ich sollte dort allerdings keinen Fuß in die Tür setzen …

  4. Michael Engelbrecht:

    … Weil du den Laden leerräumen würdest?

  5. radiohoerer:

    Yes, Yes und man sollte seine Grenzen akzeptieren ….

  6. Wilfried:

    Meine Sammlung der Klanghorizonte beinhaltet nur die letzten zwei Jahre, allerdings auf Festplatte. Nach dem Relaunch des DLF-Auftritts finde ich aber das Archiv mit den Playlists nicht mehr wieder, da war ich etwas sehr schluderig. Kannst Du mir helfen, Michael?
    @ radiohoerer: Welche Sendung moderierst Du?
    Danke!

  7. Martina:

    Diesmal hätte ich auch ein paar Baldrians gebrauchen können, aber so etwas habe ich gar nicht hier, auch kein Paracetamol, und als ich in der zweiten Klasse war und wieder gefühlte Stunden lang nicht einschlafen konnte, weil mich der Gedanke, um sieben Uhr aufstehen zu müssen, dabei störte, stand ich irgendwann, mir schien es mitten in der Nacht zu sein, auf, und bat meinen Vater um ein Baldrian. Die durchsichtige, eckige Schachtel mit den braunen runden Kugeln hatte etwas Geheimnisvolles, und wenn mir mein Vater manchmal dann ein Baldrian gab, oder, höchstens drei Stück, denn mehr durften Kinder laut Packungsbeilage nicht einnehmen, fiel ich doch irgendwann in einen Schlaf, doch vorher hatte ich die Sorge, ich könnte von etwas abhängig werden und nicht mehr frei und selbstbestimmt sein.

  8. Martina:

    Glücklicherweise war ich bis weit nach Mitternacht damit beschäftigt, einen Verlagsvertrag für einen Romandebütanten zu prüfen und dem jungen Autor Hinweise zusammenzuschreiben, was an dem Vertrag okay ist und an welchen Stellen er verhandeln kann und was er auf keinen Fall unterschreiben soll. Dann war an Schlaf nicht zu denken. Ab vier Uhr fünf kauerte ich dann in Jogginghose und T-Shirt auf dem Teppich im Wohnzimmer und folgte der mich immer noch überwältigenden Dramaturgie dieser Sendung, deren Moderation und Musikauswahl mich ständig an die Poetologie Baudelaires denken ließ. Draußen die leblose Straße.

  9. Michael Engelbrecht:

    Die „correspondences“ von Baudelaire, die Spiegelung der Innen- und Aussenwelten, meinst du wohl. Aber solche Vergleiche würde ich nie ziehen, mir geht es nur um eine Storyteller-Stimmung wie am Lagerfeuer. Lagerfeuer mit Radio, und Erzähler, die in ihren Geschichten verschwinden.

    Zur playlist: angeblich gibt es einen Weg dorthin, aber ich muss ihn mir am Dienstag mal zeigen lassen, ansonsten taucht jede playlist hier auf. Die nächste allerdings – Überraschnung – erst ein Tag nach der Ausstrahlung!

    Kollege Henry moderiert den Blog Radiohoerer.de, keine Sendung meines Wissens. Würde mch da allerdings gerne täuschen.

  10. Martina:

    Ein anderer Tabubruch: Das Schweigen im Radio. Hier wurde es zelebriert, bis über die akzeptierten Grenzen der Drei Sekunden Gegenwart hinaus. Man muss die Anlage schon auf sehr laut stellen, um mehr als nichts zu hören. Mutig und grandios.

  11. David:

    Bumsmusik ist gute musik.Das letzte stück war das schlechteste das ich je in den klanghorizonten gehört habe.Musik zum nicht tanzen sondern zum sich entlieben. Baldrian brauchte es für mich nicht um danach sexfrei einschlafen zu können.Die träume dann waren allerdings auch nicht so schön.

  12. Martina:

    A propos Lagerfeuer. Zu einem solchen bin ich nämlich heute eingeladen, in einem – hoffentlich wunderbar verwilderten – Garten am Rande der Stadt. Dann packe ich mal ein paar Getränke zusammen und schwinge mich aufs Fahrrad.

  13. Michael Engelbrecht:

    Hoffentlich verwildert:)

    Und hier noch etwas über Auspacklust:

    http://m.youtube.com/watch?v=vTQVk1xaUoE&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3DvTQVk1xaUoE

  14. radiohoerer:

    http://www.deutschlandfunk.de/playlist-deutschlandfunk-radionacht.1800.de.html?drpl:page=2
    und dann nach den betreffenden Tagen durchsuchen …

  15. Wilfried:

    @radiohoerer
    Nee, das klappt nicht auf der DLF-Seite. Habe nach dem 27.4.2013 gesucht, die Liste ist ziemlich durcheinander und lässt die KH aus. Auch die Schlagwortsuche bringt nichts. Das Problem ist dem DLF zugegangen + Michael will sich ja auch noch updaten lassen.
    Aber warum soweit suchen: auf der Seite „Radiohörer“ bin ich fündig geworden. Diesmal 13.2.2012, Schlagwortsuche „The Garden Of Forking Paths“ (ein Plattentitel) und: Zack, gefunden! Auch die Formatierung, wie vom DLF gewohnt. Geht doch!

  16. Michael Engelbrecht:

    Wilfried, angeblich hat sich die Lage gebessert in den letzten Monaten, im April war das noch nicht so. Klappt Henrys Tip für die vorletzte Sendung etwa, die von gestern wird womöglich erst in den kommenden Tagen eingestellt …

  17. Herr Voß:

    @ Wilfried

    Hallo,

    Sie hatten vor ein paar Tagen geschrieben, dass Sie Arve Hendriksen in der Unterfahrt aufnehmen würden. Leider hat sich am 12. mein Recorder vor dem Speichern aufgehängt. Darf ich Sie da anschnorren? Ich würde mich über eine Nachricht an herr_voss(at)web.de sehr freuen.

    Besten Dank im Voraus
    Herr Voß

  18. radiohoerer:

    Links sind unterwegs …


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