Manafonistas

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2013 3 Nov

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (55)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Dora Bruder war der erste Roman, den ich von Patrick Modiano gelesen habe, danach hat mich dieser Autor nicht mehr losgelassen. Jede Neuveröffentlichung musste ich lesen, keine war seither eine Enttäuschung. 2013 nun erscheint Horizont, ein kleiner Roman – dicke, ausladende Bücher sind Modianos Ding nicht – , der natürlich wieder in Paris spielt und wieder irrt jemand durch die Straßen, und einmal mehr ist jemand auf der Suche. Bosmans, der Protagonist, spürt nach vierzig Jahren seiner verlorenen Jugend nach. Eine gewisse Margaret Le Coz spielt dabei eine besondere Rolle. Damals seien noch alle Wege offen, der Horizont weit gewesen…
 
 
 

 
 
 
„Schwindel erfasste ihn bei dem Gedanken an das, was hätte sein können und nicht gewesen war. Diese Erinnerungsfetzen bezogen sich auf die Jahre, in denen das Leben voller Kreuzungspunkte ist und so viele Alleen sich vor einem auftun, dass man die Qual der Wahl hat. Die Wörter, mit denen er sein Notizbuch füllte, gemahnten an den Artikel über `dunkle Materie´, den er an eine Zeitschrift für Astronomie geschickt hatte. Er fühlte nur allzu gut, was alles, hinter den genauen Ereignissen und vertrauten Gesichtern, zu dunkler Materie geworden war: kurze Begegnungen, verpasste Rendezvous, verlorene Briefe, Vornamen und Telefonnummmern, die in einem alten Taschenkalender stehen und die man vergessen hat, und all die Frauen und Männer, deren Wege man gekreuzt hat, ohne es überhaupt zu wissen. Wie in der Astronomnie, war diese dunkle Materie gewaltiger als der sichtbare Teil des Lebens. Sie war unendlich. Und er, er verzeichnete in seinem Notizbuch ein paar schwach flimmernde Lichtpunkte in der Tiefe dieser Finsternis. So schwach flimmerten diese Lichtpunkte, dass er die Augen schloss und sich konzentrierte auf der Suche nach einem bedeutungsschweren Detail, das ihm erlauben würde, das ganze wiederherzustellen, doch es gab kein Ganzes, nur Splitter, Sternenstaub. Gern wäre er eingetaucht in diese dunkle Materie, hätte die abgerissenen Fäden einen nach dem andern wieder verknotet, ja, wäre umgekehrt, um die Schatten festzuhalten und mehr über sie zu erfahren. Unmöglich. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als die Namen wiederzufinden. Oder auch die Vornamen. Sie wirkten wie Magnete. Sie förderten wirre Eindrücke zutage, die nur schwer zu erhellen waren. Gehörten sie dem Traum oder der Wirklichkeit?“
 
 
 

 
 
 
Patrick Modiano hat wieder einen wunderbaren Roman geschrieben. Musikalisch fällt mir zu diesem Buch besonders das Werk von Harold Budd ein und hier besonders die CD The Pearl (Harold Budd & Brian Eno).
 
 

 
 
Außerdem: passsen dazu Stücke von der CD The Return/Film by Andrey Zvyagintsev/Music by Andrey Dergatchev: Underwater und Piano; von der CD Jan Bang; Narrative from Subtropics die Stücke: The Deep Serene und Sinking Ship und schließlich von der CD Zsòfia Boros: En otra parte die Kompositionen Canciòn triste (Fracisci Calleja) und Ecrovid (Martin Reiter).
 
 
 

 

This entry was posted on Sonntag, 3. November 2013 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

4 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Diese klassische Gitarrensolomusik habe ich mal von ECM kommen lasssen. Ob das was für mich ist?

  2. Gregor:

    Die beiden von mir genannten Stücke werden dir auf jeden Fall zusagen …

    Ein trauriger 96er

  3. Michael Engelbrecht:

    Ich bin gespannt.

    Lese gerade JAGDHUNDE, von einem Herrn Horst. Sehr, sehr gut. Kein Tierbuch, ein Thriller.

    Heute kam eine CD, von der ich gar nicht wusste, wie lange ich sie schon vermisste, unbewusst. DON’T STAND ME DOWN.

    Aber ganz neugierig bin ich auf Jarretts NO END, das nie veröffentlicht wurde und 1986 entstand, SPIRITS 2 sozusagen, was ja viele gar gräuslich fanden, ich aber sehr mochte.

  4. Michael Engelbrecht:

    Nicht nur die beiden Stücke, die du nennst, gefallen mir sehr. EN OTRA PARTE ist ein ganz fasznierendes Sologitarrenalbum.Übrigens im selben Studio aufgenommen wie die neuen Alben von Towner und C. Bley.


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