Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Meine erste Station in Kopenhagen: das alte Schlachthofviertel, Meatpacking District, hinter dem Hauptbahnhof. Das ILK-Kollektiv hat dort in der Slagdehusgade 5e seine Spielstätte. Es ist ein weites Gelände mit Flachbauten. Ein Teil der Gebäude ist noch in Betrieb, andere sind in Restaurants, Studios umgewandelt oder erfüllen andere Funktionen der Freizeit- und Kreativindustrie. Altindstrielles ist hier nicht extra kulturell renoviert oder herausgeputzt. Die alte Funktion ist in mehr oder weniger verbrauchter oder gar verfallener Form überall sichtbar. An der Strassenseite etwa deutlich erkennbar eine alte Autowerkstatt, die jetzt als biodynamisches Restaurant dient. Reästhetisierung.

 
 
 
IMG_0661
 
 
 
Daneben eine kleine Tür im Gatter, durch die man treten muss, um zu ILK zu kommen. Das Gelände ist lagermäβig in Längs- und Querverbindungen eingeteilt. In einem der Querblöcke also ILK. Kein (Jazz)Keller wie in früheren Zeiten, vielmehr kleine
 
 
 
IMG_0650
 
 
 

Compartments, wo früher verschiedenste Fleischverarbeitungsprozesse und damit Zusammenhängendes seinen Platz hatte. Es ist schon ein bisschen schummrig. Die Beleuchtung ist spärlich, ohne dass es einen spelunkenhaftigen Eindruck vermittelt.

 
 
 
IMG_0703 ILK podium
 
 
 
An dem Abend noch zwei Auftritte: Eggs Laid By Tigers und Kresten Osgoods Superstarz. Ich weiss nur, dass der Schlagzeuger Peter Bruun und der Pianist Simon Toldam in der Gruppe (mit)spielen, mit denen ich tags drauf jeweils eine Gesprächsverabredung habe (für diejenigen, denen die Namen nicht gleich etwas sagen: Peter Bruun spielt im Trio von Django Bates und Simon Toldam im Trio von Han Bennink). Viel mehr weiss ich über Eggs Laid By Tigers eigentlich nicht, habe aber bei der Programmdurchsicht den Eindruck bekommen, dass sie etwas Besonderes machen. Hab allerdings vorher nicht mehr ergründen können, in welche Richtung das gehen könnte.

Was ich dann zu sehen und zu hören bekome, ist schon mehr als überraschend. Einzigartig und von nicht alltäglichen Qualitäten. Im ersten Moment denke ich, dass Levon Helm zurück auf Erden ist. Und noch ein paar alte Bekannte. Wunderbare Songs herrlich dreistimmig gesungen. Peter Brunn sitzt zwar an seinem Schlagzeug, spielt aber häufig akustische Gitarrre und singt. Der Bassgitarrist – irgendwie kommt er mir bekannt vor – singt herzergreifend die Leadstimme und bildet eine enge Einheit mit dem elekrischen Gitarristen Martin Ullits Dahl. Simon Toldam schliesslich sitzt meistens an einer alten Philipps-Orgel aus den sechziger Jahren und spielt. Unfassbar und ergreifend. Machte einfach Riesenspaβ und Freude zu zu hören!
 
 
 
IMG_0746 EGGSlaidbyTIGERS
 
 
 
Einfach gut die Songs, rund, gut gesungen und gespielt – welche Reminiszenzen sie auch immer hervorrufen mögen (ich schenke mir hier das inzwischen übliche öde ein- und ausgemeindende Namedropping und Vergleichen). Songs und Singing von unbefangener Frische. Hellwach wird von dieser Musik. Die Songs enthalten ein basic musical feeling auf sophisticated Niveau. Erst später realisiere ich mir, dass der hervorragende Leadsinger niemand anders ist als der in Berlin ansässige Jazzbassist Jonas Westergaard. Noch nie habe ich glaube ich eine solch überraschende, packende und überzeugende Metamorphose erlebt. Glückliche Momente des Erinnerns, ohne darin stecken zu bleiben. Peter Bruun überrascht am nächsten Tag mit einer wunderbaren Vinylausgabe des Tiger-Albums Under The Mile Off Moon mit seinen elf Songs. Ein tolles Ei! Das Bild vom eierlegenden Tiger ist von Dylan Thomas (1914-1953) entlehnt, diesem erleuchteten Deliriker. Und die Songs der Gruppe sind durch sein Werjk inspiriert. Da war doch noch einer, der es so weit trieb, dem Milchwald-Dichter den Vornamen zun entwenden. Ebenso wie er die pathologische Sprechweise des kranken Woodie Guthrie adaptierte – auf geniale Weise. Thomas, der grosse Welshman, ist einfach nicht klein zu kriegen und schon gar nicht ins Vergessen schickbar.
 
 
 
439744564_640 EGGS LAID BY TIGERS
 
 
 
Hier nur Photos der Gruppe. Es gibt eine Reihe von Videos. Die kann sich jeder selber heraussuchen. Empfehlenswerter vom Erleben her ist jedoch, sich erst die Vinyl-Lp anzuhören. Oder einen Live-Auftritt. Mehr noch in der Serie En Route Sommerveie. Das Album ist direkt bei ILK zu bestellen (es muss weltweit noch erscheinen). Ein weiteres Album zu den anstehenden Gedenkdaten ist in Vorbereitung.
 
 
 

 

This entry was posted on Donnerstag, 25. Juli 2013 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

    Als wäre Levon Helm zurück auf Erden: das klingt vielversprechend!


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz