Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2013 14 Apr

Craig Taborn Trio – Chants

von: Jochen Siemer Filed under: Blog,Musik aus 2013 | TB | 3 Comments

Wo sind wir, wenn wir gute Musik hören – Musik, die uns zwar nicht bekifft jedoch betrifft, vertritt? Mittendrin in der Materie. Ein erstes aufmerksames Hören: Silverdays or Love, der Titel schon Genuß. Da geht es los mit losen Schlagzeugbecken, dazu dann schwebende Pianoklänge eingestreut, der Bass zirpt erstmal in den oberen Regionen rum. Der Eindruck: Denn sie wissen, was sie tun. Will man das Gehörte nachahmen, weiss man, was man will. Die Kraft entsteht aus dem Gestaltungswillen, in der Balance zwischen Abstraktion und Formlust: der schmale Grad des Weder-Noch. Der Bass des Thomas Morgan singt und spricht exakt, mit Pizzicato-Witz in punktueller Präsenz. Kein Jazzbass wie man Jazzbass spielt, weils andere schon so taten, nein: vielmehr vorbildfrei. Triomusik wie diese ortet sich diesseits der Klassik und des Jazz. Wo seicht Ravel, Debussy, Bartok anklingen, schwingt handfest stets solider Jazzrock mit. Die Eigenart des Instruments Klavier erlaubt es, zeitweise schwere Soundcluster vor sich herzuschieben, die sich dann auflösen wie Wolkenformationen. Das macht Klaviertrios so hörenswert: Variierenkönnen zwischen leichtem, fragmentarischem Spiel und voluminöser Wucht. Cracking Hearts beginnt so frei, wie man es auch von Kikuchi kennt – doch dann die Rückkehr in das Spieluhrartige; das kühle und sphärische Spiel. Was unterscheidet ein hochklassiges Jazztrio von den eher Mittelmässigen? Wir sind, wenn wir es hören, mittendrin in der Musik.

Where are we while receiving good music – music that concerns us, leaves us less stoned but more present? Well, right in the middle of matter, i guess. A first attentive listening: Silver Days or Love – the title already delicious. Beginning with cymbals lost in lessness, then sprinkled floating pianolines are added and the bass is chirping around in the upper regions. My impression: they do not rebel without cause or plan. If you´d like to imitate what you are hearing, then you know: this is the very thing you want. Power comes from creative will, in the balance between abstraction and form lust: the fine line of the neither-nor. The bass of Thomas Morgan sings and speaks precisely, with pizzicato-wit and pinpoint presence. No jazz bass playing how they used to play the jazz bass, no: rather free from patterns. Trio music like this locates itself on this side of classical music and jazz. Where Ravel, Debussy, Bartok are shallowly assonant, always a solid jazz-rock swings with it. The instrument piano allows to push heavy soundclusters forward that then dissolve like cloud formations. This makes pianotrios worth listening to: they can vary between light, fragmented playing and the bulky weight. Cracking Hearts begins freely as otherwise known from Kikuchi – but then they return to the musicbox-like; the cool and spherical play. What differs a high-class jazztrio from the more mediocre ones? We are, when we hear it, right in the middle of music.

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3 Comments

  1. Henning:

    Jochen,

    Craig, Thomas und Gerald haben hier (Amsterdam) gestern gespielt. Für die einen war es berauschend, andere waren sprachlos und wieder andere schienen verzaubert. Lange her, dass ich in der Anfangsphase eines Konzertes eine solche Zuhörstille und Zuhörspannung mitgemacht habe. Die Emergenz: fesselnd! Es endete übrigens mit einem Endlos-Loop, bei dem das Spiel von allen Dreien zeigte, dass sie wissen, wo der Hammer hängt. Und als Encore: „Saints“ dancing (not marching) …

    Inter-View-Talk mit Craig über CHANTS. Demnächst nähere Kunde davon!

  2. radiohoerer:

    Auch nach mehrmaligem Hören bin ich noch immer begeistert und danke Jochen’s Worte dafür. Das Craig Taborn zur allerersten Gilde der Jazzpianisten zählt, dürfte sich schon herumgesprochen haben. Von Thomas Morgan am Bass bin ich sehr überrascht. Wie sehr er den Sound dieses Trio’s bestimmen kann, so kraftvoll und melodiös. Kein Wunder das er mittlerweile in 20 verschiedenen Bands mitspielt. In diesem Trio sind alle gleichberechtigt.
    Craig Taborn: „Ich wusste, wenn ich einen Kontext schaffe und mich dann völlig Geralds und Thomas‘ Sensibilitäten füge, es ganz von selbst stimulierend und herausfordernd werden würde. Genau diese Herausforderung wollte ich ermöglichen. Ich gehe viel lieber auf die Gruppe ein, als das gewohnte Format ‚Piano-Abenteuer mit Begleittruppe‘ zu bedienen.“

    Aktuell gibt es einen Mitschnitt vom Craig Taborn Trio , 31.3.2012.
    Der ist hervorragend. Bei Interesse bitte Mailen …

  3. Michael Engelbrecht:

    Mein Interview mit Craig Taborn zu seiner Solo-Piano-Cd …


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