Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2012 6 Dez

Rein Drin Sein

von: Henning Bolte Filed under: Blog | TB | Tags:  2 Comments

Eintreten ins manafonistische Gebiet, irgendwo anfangen, ein Zeichen setzen. Wie das so ist, Michael und ich, wir trafen uns in Kristiansand. Und in Kristiansand, am fast südlichsten Punkt von Norwegen geschieht Wundersames, greifbar und ungreifbar. Jetzt keine Geschichten. Vielleicht später. Bestimmt! Michael bat mich ins Gebiet. Gebiet, Gebet, gebeten, gebet!  Bisher unsichtbar geblieben, bin ich der. Hier bin ich dann.

BEGINNEN möchte ich bei Paul Motian, /moo-tsii-jann/. Vor einem Jahr, 2011, am 22.11., zwei zwei eins eins, ging er dahin. Paul ist der Musiker, der mich am meisten fasziniert, zu dessen Musik ich immer wieder zurückkehre, dessen Art zu spielen, Musik zu machen mich wohl am stärksten beim Hören von Musik beeinflusst.

Er schaffte es, seine Musik immer leichter und fliessender zu machen, indem er alle Instrumente doppelt besetzte. Bei meiner letzten Begegnung mit ihm rief er freudig, dass er jetzt drei Bassisten habe. Faszinierend waren seine Exaktheit, sein tiefes Gehör, sein Erinnerungsvermögen, seine Hingabe ans Spielen und seine Gabe, die Lücke zu erkennen und produktiv zu gebrauchen. Nicht irgendeine Lücke, sondern díe Lücke.

Er war derjenige, der mit Sparsamkeit das Geheimnis des Klangs wahrte, je mehr er in ihn hineinging.

Er war derjenige, der keine Noten vor der Nase haben wollte und Gary Peacock einst dazu aufforderte, er solle sie ihm doch bitte vorlesen. In den letzten Jahren, in denen er – vor allem mit jüngeren Musikern – die wunderbarste und sensibelste Musik (ein)spielte, hielt er sich strikt an seinen No-Rehearsals-Grundsatz. Das tiefe Gehör war ihm gegeben und er hat es entwickelt. Bis zuletzt.

Für eines der Radioprogramme mit Paul Motians Musik konfrontierte ich Stücke von ihm mit anatolischen Stücken, die er in seiner Kindheit gehört haben muss. Die Exaktheit seines Hörens und die Tiefe seiner Erinnerung stellte sich als ebenso erstaunlich heraus wie die Transformationen, die die Musik erfahren hat.

Anzuhören über diese Links:  MOTIANISTAN 1A      MOTIANISTAN 1B

Ähnlich Verblüffendes findet sich in seinem Umgang mit Schätzen urbaner Folkmusic des letzten Jahrhunderts (auch Standards oder Evergreens genannt), denen er mit seinen Transformation in fast ausserdirdische (oder zumindest doch K2artige) Gefilde eine neue Beständigkeit verlieh.

Über sein Komponieren wird noch zu reden (zu schreiben) sein.

Sein Lachen ist unvergesslich. Mit seinem Lachen konnte er Begegnungen, Gesprächen eine Wendung zum Weiter geben. Er lachte nicht hinweg, sondern zu etwas nocht nicht Fassbarem, aber Machbaren hin.

Auf Masabumi Kikuchis Sunrise aus der Jahresliste ist Paul Motians Spiel zu hören!

Unter dem folgenden Link ist eine bewegende PHOTOSERIE von Peter Gannushkin vom Konzert mit Kris Davis und Tony Malaby im September 2011 zu sehen.

 

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2 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Henning, Sunrise ist Magie. Habe ich einfach vergessen für die Liste. Sein Spiel ist da voller Andeutungen und Verzicht, als hätte er schon das Verschwinden geübt.

    Meine erste Platte von ihm war Conception Vessel, die ich in genauso lebendiger Erinnerung habe wie Dance. Ich liebte auch sein Spiel im Keith Jarrett Quartett und hatte das Gluck, eines der zwei letzten Konzerte der Gruppe zu sehen, beim Jazzfestival Ost West in Nürnberg. Es war eines meiner drei intensivsten Konzerterlebnisse, obwohl Jarrett zwischendrin wieder eine dumme Publikumsbelehrung von sich gegeben hat. Ich liebe auch sein Spiel auf den beiden ECM-Platten mit dem Paul Bley Quartett. In einem Interview erzählte er mir, dass seine Lieblingsplatte von Bill Evans nicht die stets angeführte Live-Platte war (aus dem Vanguard?), sondern das Studioalbum, das, glaube ich, Portrait in Jazz heisst. So long, M

  2. Poschlost:

    Die Beteiligung von Paul Motian ist immer ein Qualitätssiegel. Von seinen Formationen gefällt mir das Trio mit Joe Lovano und Bill Frisell am besten: Hier treffen drei Maler aufeinander. Was in der bildenden Kunst vermutlich undenkbar ist, funktioniert hier wunderbar.


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