Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2012 13 Sep

Ravas Liebe zu Michael Jackson und eine sympathische, aber langweilige Platte (Reprise)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

…eine der ungewöhnlichsten Platten in der langen und stolzen Geschichte des Trompeters und eine außerordentliche Platte im Katalog von ECM: Auf dem Livealbum „On The Dance Floor“, aufgenommen im vergangenen Herbst in Rom, spielen Enrico Rava und sein Ensemble (Rockband mit allen Bläsern in doppelter Besetzung) hauptsächlich Kompositionen von Michael Jackson, einschließlich “Thriller” und “Smooth Criminal”. Und sie tun es mit einer solchen Vehemenz und Spielfreude, dass keine Genregrenze mehr stehenbleibt […] Seltsam und unwiderstehlich ist dieses Album. (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung)

Einspruch! Zuweilen fressen Jazzmusiker einen Narren an Genres und Künstlern, die sich vollkommen konträr zur eigenen Ästhetik bewegen. Der Jazz ist nun mal ein saugfreudiges Medium: so hat der italienische Trompeter Enrico Rava seine Liebe zur Musik und Tanzkunst von Michael Jackson entdeckt; nach dessen Tod befasste er sich intensiv mit seinem Werk, fand das für viele dekadente Spätwerk gar noch interessanter als Klassiker wie „Off The Wall“ und den von Quincy Jones produzierten Mega-Seller „Thriller“. Es folgte eine besessene Zeit des Hörens von Michael Jackson-Alben: Rava sah in Jackson einen – Zitat – „50 jahre alten Peter Pan, der auf der Bühne zur absoluten Autorität mutierte.“ Nun liegt die CD „On The Dance Floor“ vor, Konzertmitschnitte aus Rom aus dem Jahre 2011. Das Ergebnis: so extravertiert hat man Rava, einen Ästheten der Jazz-Kammermusik, nur in lang vergangener Free Jazz-Zeiten gehört; mit der 11-köpfigen Formation „Parco della Musica Jazz Lab“ gelingt ihm eine durchaus mal Spielwitz versprühende, aber leider mit viel zu vielen Rock-Klischee garnierte Ehrung seines Lieblings-Pop-Artisten. Absolute Vorsicht empfehle ich beim Goutieren der Keyboard- und E-Gitarren-Klänge! Wer Enrico Ravas Faszination für Michael Jackson nicht teilt, kann sich immerhin erfreuen an dem wohl nie erkaltenden Enthusiasmus eines 1937 geborenen Veteranen des europäischen Jazz: manche Liebe beruht auf einem grossen Missverständnis und kann doch zu ganz interessanten Erfahrungen führen, zumal Rava einige alte italienische Bandaklänge in Jacksons Musikwelt hinein schmuggelt: grosses Volksspektakel ist also angesagt – in einer angenehm altmodischen Veranstaltung, die bestimmt öfter und unfreiwilliger zum Schmunzeln animiert als es dem Ernst von Enrico Ravas Begeisterung angemessen sein dürfte! Mit Wohlwollen drei Sterne.

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