Manafonistas

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2012 5 Mai

Foucaults Irrtum

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags: , 1 Comment

 

 
 
 

Wenn einem gerade das Knie schmerzt, weil man aus Wut gegen die Waschmaschine trat, die unwuchtig im Schleudergang versagte, und keine HB griffbereit zur Hand liegt … dann greift man eben zur passenden Lektüre, die ermahnt und erinnert an die Vorzüge der Affektfreiheit und auch ansonsten gründlich aufräumt mit so manch falscher Vorstellung vom Glück. Nicht Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung sind die Garanten dessen, wie uns der französische Philosoph Michel Foucault einst darlegte, sondern sondern die Aufgabe eines Glaubens an „das Selbst“ und andere kontraproduktive Einbildungen. So erklärt es Robert Pfaller in seinem Buch „Die Illusionen der anderen“:

 

„Denn für Kyrenaiker, Kyniker, Stoiker, Epikureer und Pyrrhoniker geht es niemals um Beherrschung eines Selbst, sondern vielmehr um Beherrschung der Einbildung. Wenn darum der Begriff der Beherrschung, wie Foucault es tut, als Selbstbeherrschung aufgefasst und auf ein Verhältnis zweier Teile derselben Seele, etwa Platons Bild vom Gespann mit den zwei ungleichen Pferden, bezogen wird, dann verfehlt dies nicht nur die glücksphilosophische Fragestellung; es führt sogar dazu, das man geradewegs aufs falsche Pferd setzt. Was die Glücksphilosophien meinen, ist nämlich keineswegs, daß dafür gesorgt werden müßte, daß das edlere Tier die Herrschaft über das struppigere ausübt. Im Gegenteil: Was bekämpft werden muss, ist genau die Einbildung, daß es ein solches edleres Pferd gäbe, welches Unterstützung in seinen Herrschaftsansprüchen verdiente.“

 

Wir ahnen, warum das HB-Männchen so schnell und ständig in die Luft ging. Es fand den Stachel nicht im Fleische: den Irrglauben an ein Ideal-Ich und das versteckte Leiden an dessen Herrschaft; die Vorstellung, ein edles Pferd müsse gegen ein struppiges siegen. Sieht man hier nicht auch eine Parallele zu all den Derivaten des Fanatismus mit seinen versteckten und offenen Moralismen, diese Verteufelung struppiger Pferde? More Momo than Moral! Wohl dem, der seinen Pullover noch verkehrt herum anzieht, zuweilen im Schlafanzug zum Kiosk rennt oder einfach eine raucht. Und morgen geh´ ich zum Friseur, vielleicht. Seis drum, Freunde der Hochglanz-Fassaden: das Leben ist anderswo.

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1 Comment

  1. Poschlost:

    „Den Glauben an das Selbst aufgeben …“ – aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung weisen auch in diese Richtung, zumindest habe ich das Buch Der Ego-Tunnel des Philosophen Thomas Metzinger so verstanden. Das „Selbst“ besteht demnach aus nichts weiter als wiederkehrenden Mustern neuronaler Aktivität – letzlich also nichts als profane Gewohnheiten.

    Auch Träume werden demnach übrigens oft überbewertet – die zufälligen Aktivitätsmuster beim Wechsel der Schlafphase werden vom Gehirn notdürftig zu irgendeiner Geschichte zusammengeflickt, weil es einen „geschichtslosen“ (diskontinuierlichen) Zustand einfach nicht mag.


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