Manafonistas

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2011 3 Aug

My Discreet Music Days (revisited)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Es war die zweite Hälfte der Siebziger Jahre. Im Würzburger Studentenleben standen Ausflüge in die Gegend der Festung Marienberg hoch im Kurs. Der weite Blick, der Obstwein, die Frauen. Nicht in dieser Reihenfolge.   Im Sommer fuhr man in ein berühmtes Spargellokal, „Zur Sonne“. Wir badeten im Main, an entlegenen Stellen. Es gab noch amerikanische Soldaten, und die T-Bone-Steaks waren noch nicht von den Speisekarten der Nation verschwunden.Es war die Zeit, als reihenweise künftige Klassiker der Musikgeschichte erschienen, zum Beispiel bei ECM, wo der Produzent Manfred Eicher Wegweisendes schuf für die improvisierte Musik. Zum Beispiel in den Studios, in denen sich Brian Eno damals rumtrieb. DISCREET MUSIC zählte zu meinen ersten Schallplatten von Brian Eno. Dieses unendlich ruhige Stück, diese allereinfachsten Tonfiguren, diese Wiederkehr des Ewiggleichen, das immer anders klang! Ein Klassiker der Ambient Music, fast zufällig enstanden: es sollte nur  als Klangteppich taugen für Duo-Improvisationen von Fripp und  Eno.  Noch dazu lief es (ich glaube, auch das war ein Versehen, zumindest blosse Spielerei!)  in halber Geschwindigkeit. In einer Verkettung heller Momente und glücklicher Umstände erkannte Eno, dass diese Musik sich selbst genügte. Einmal kam damals eine Fotografin auf mich zu und bat mich, Gedichte zu ihren Bildern zu schreiben, für eine Ausstellung. Im „Cafe Peter“ in Würzburg fand das dann damals statt, im Kellergeschoss. Helle Wände, die weiträumigen Landschaftsmotive der Fotografin –  und  „Discreet Music“ im Hintergrund. Permanent. Ganz leise, wie sonst. Dieses Gegenstück zu Lou Reeds „Metal Machine Music“.  Die Besitzerin kam nach Tagen zu mir und sagte, die Musik erzeuge einen kleinen Schwindel in ihrem Kopf, sie hätte einen seltsamen Sog. Wir reduzierten die Einsatzzeiten.Alles Forcierte war den Tönen abhanden gekommen, die aus einer Parallelwelt des schimmernden Lichts zu stammen schienen:  da kam etwas um die erstbeste  Ecke gebogen  und verschwand irgendwann hinter der nächsten. Kam allerdings noch mal wieder. Und noch einmal. Und verschwand dann. Und kam wieder. Und dann dieses Cover: erst sieht man einfach nur schwarz, dann erkennt man eine Großstadtarchitektur, von einem Schwarzfilter nah ans Unsichtbare gedrängt. Und so,  wie man sich  langsam auf die Klänge  einschwingt , so gewöhnen sich die Augen auch erst allmählich an das Cover, an die Dinge, die sichtbar werden. Ein kleines Viereck macht sich frei von diesem Filter, und man erkennt  warm strömendes Tageslicht. Das war der Designer-Trick aller zehn experimentellen Alben, die Brian Eno damals als executive producer bei Obscure Records veröffentlichte. Die Avantgarde stellte sich der Popkultur vor. Wir wussten es damals nicht, aber bei „Discreet Music“ konnte das Unbewusste üben, wie es ist, wenn Menschen kommen und gehen, kleine Lieben, große Lieben, Freunde, gute Bekannte, vertraute Gesichter, die armen Verirrten in der Psychiatrie, kurz aufflackenernde Moden, Frauen, die damals Hanne hiessen oder Verena oder Julia. DISCREET MUSIC war der unmerkliche Melancholie-Hammer meiner  Studentenzeit. Alles ist flüchtig. Eine Musik, die,  wäre sie nicht so schwebend leicht dahergekommen, auch  purer Abgrund sein  könnte. musique noir. Schwarz wie das Cover. Aber das haben wir ja geklärt. „There´s a crack in everything, that´s where the light gets in”.

 

Discreet Music-Remaster 2004

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