Bestimmte Musik nicht sonderlich zu mögen, ja, flugs reißaus zu nehmen, wenn sie sich bemerkbar macht, hat mitunter einfach mit Sympathie/Antipathie zu tun, und kaum mit ästhetischen Urteilen. Bei allem Respekt für indianische Kultur, kann ich mit Indianergesängen nichts anfangen, genauso wenig wie mit Salsa (kein Salsa im Blut), 90 % Tangomusik, den Fleet Foxes, der neuen Paul Simon-CD, 80 % der Pat Metheny-Platten (zwei Ausnahmen: As Wichita Falls, So Falls Wichita Falls, Watercolors), 100 % aller Chick Corea-Platten der letzten 20 Jahre (und das liegt nicht daran, dass Corea, schlimm genug, wenn man sich von diesen Rattenfängern umgarnen lässt, Scientologe ist). Regelrecht schlecht wird mir (egal, wie freiheitsliebend die Botschaften sind) bei Lady Gaga, der neuen CD von Nguyen Le („Songs Of Freedom“ sollte besser den Titel tragen: „How to Kill Famous Pop Songs with a World Music attitude and pseuso-sacred voices“) und fast allen jüngeren Platten von Herbert Grönemeyer („Mensch“ fand ich besonders schlimm, die jüngste ist ein schlechter Witz!). Die Liste könnte endlos weiter gehen, und ich stelle nun doch fest, dass mir bei etlichen dieser Klänge sofort ein ganzer Stapel guter Argumente für meinen Verdruss einfällt (nicht ausformulierte ästhetische Urteile), während bei andern mir einfach jeder mögliche Code fällt, sie in einen für mich vitalen, bedeutsamen Stoff zu verwandeln (es wäre schon genug, wenn die Musik mir in die Beine ging, sie muss nicht gleich zu Kopf steigen). Während mich also Salsa weiterhin aus unbeschreiblichen Gründen kalt lässt, weiss ich genau, warum ich die Fleet Foxes nicht mag. Ohne daß ich genau weiß, warum, lassen mich Indianergesänge, Mozart und chinesische Opern für alle Zeiten kalt, und dann wieder weiß ich, auf der anderen Seite, ziemlich genau, daß ich gerne gut bezahlte Verrisse schreiben würde zu Oasis, allen Rolling Stones-Platten der letzten 25 Jahre – und zu U2 (auch wenn Eno und Lanois sie produzieren). Es ist also nur ehrlich, zu schreiben, daß mich etwa ein kleiner verhuschter a-capella-Song der drei Frauen von „Mountain Man“ (heute Nacht im Programm!) weitaus mehr berührt als Mozarts „Zauberflöte“ in Gänze. Wer hier nun sagt, ich sei wohl nicht ganz dicht, mit dem Klammerbeutel gepudert oder ein Dummkopf, ist womöglich selber einer. Wenig ist nämlich so töricht, den generellen Lehrmeinungen zu folgen (dem gelehrten guten Geschmack) – statt den eigenen Ohren! Das ist der Clou, wenn man eigenen Pfaden folgt: man landet auf herrlichen Abwegen und erlebt die aufregendsten Abenteuer, während andere brav vom Blatt abspielen, und sich graues Wissen aneignen.
5 Comments
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Jochen Siemer:
Ich mochte mal sehr den Song „Sailing“ von Christopher Cross – er ging direkt ins Blut. (aber nicht weitersagen … ) Den Song „Sailing“ von Rod Stewart hasse ich wie die Pest. Überhaupt ist mir die Musik von RS zuwider. Ich mochte auch mal die Musik von Andreas Vollenweider (auf keinen Fall weitersagen) …
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Michael Engelbrecht:
Rod Stewart hat den einen und andern wunderbaren Song geschrieben, zum beispiel „You´re in my heart“: man denkt, es sei ein Liebeslied, und eine Sternstunde für Rod (so eine wirklich tolle Melodie!), und es ist ein Liebeslied – für Celtic Glasgow!
Wie würde es sich anhören, wenn Katharina das singt:
I didn’t know what day it was when you walked into the room
I said hello unnoticed you said goodbye too soon
breezing through the clientel spinning yarns that were so lyrical
I really must confess right here the attraction was purely physicalI took all those habits of yours that in the beginning were hard to accept
your fashion sense beardsly prints I put down to experience
the big bosommed lady with the Dutch accent who tried to change my point of view
her ad lib lines were well rehearsed but my heart cried out for youYou’re in my heart you’re in my soul you’ll be my breath should I grow old
you are my lover you’re my best friend you’re in my soulMy love for you is immeasurable my respect for you immense
you’re ageless timeless lace and fineness your beauty and elegance
you’re a rhapsody a comeday you’re a symphony and a play
you’re every love song ever written but honey what do you see in meYou’re in my heart you’re in my soul you’ll be my breath should I grow old
you are my lover you’re my best friend you’re in my soulYou’re an essay in glamour please pardon the grammar but you’re every schoolboy’s dream
you’re celtic united but baby I’ve decided you’re the best team I’ve ever seen
and there have been many affair and many times I’ve though you leave
but I bite my lip and turn around ‚cause you’re the warmest thing I’ve ever foundYou’re in my heart you’re in my soul you’ll be my breath should I grow old
you are my lover you’re my best friend you’re in my soul
you’re in my heart you’re in my soul you’ll be my breath should I grow old
you are my lover you’re my best friend you’re in my soulYou’re in my heart you’re in my soul you’ll be my breath should I grow old
you are my lover you’re my best friend you’re in my soul -
Gregor Mundt:
„…man landet auf herrlichen Abwegen und erlebt die aufregendsten Abenteuer, während andere brav vom Blatt abspielen, und sich graues Wissen aneignen.“ …ja, und da gibt es dann eben Leute, die landen bei Peter Handke und Olivier Messiaen,
bei Julio Cortázar und Daniel Lanois oder eben bei James Joyce und John Cage. Und? Müssen wir uns darüber aufregen? Natürlich nicht. Eben. Gut gesprochen, Michael! -
Poschlost:
„100 % aller Chick Corea-Platten der letzten 20 Jahre“:
Dann geht ja die geniale „Trio Music“ von 1982 mit Roy Haynes und Miroslav Vitous noch durch! Glück gehabt – die stünde wohl auf meiner Liste der 3 besten Jazz-Klaviertrio-Aufnahmen, wenn es diese Liste gäbe.
Aber das mit Scientology ist natürlich peinlich, milde ausgedrückt. Da stellt sich die Frage: Kann ein genialer Musiker gleichzeitig ein Vollidiot sein? Dabei fällt mir ein, dass ich gern mal wieder Woody Allens „Sweet and Lowdown“ sehen würde.
Karsten -
Michael:
Meine fünf 5-Sterne-Chick Corea-Platten:
1) Return To Forever (jede Return To Forever danach war ein Abstieg, bis hin zu dem gigantischen Quatsch incl. 7. Galaxie)
2) Circle: Paris Concert (mit Anthony Braxton, Dave Holland, Barry Altshul ) – ein sinnlicher Traum der Avantgarde
3) Piano Improvisations Vol. 1
4) Piano Improvisations Vol. 2 (so taufrisch wie am ersten Tag, diese beiden Soloplatten, auf einer Ebene mit den damals ebenfalls
erschienen Alben Facing You und Open, To Love, von Keith Jarrett und Paul Bley; Meilensteine durchweg)
5) Chick Corea / Miroslav Vitous / Roy Haynes: Trio Music (stimmt, Karsten, alles)Zeitraum 1972-1982
P.S: die erste Duoplatte mit Gary Burton war auch beeindruckend, und ich musste schmunzeln, als die Schallplattenhülle (blauer Himmel, kleine blasse Sonne, in einem meiner Filmfavoriten aus den 80ern auftauchte, in DIVA!