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2011 13 Mai

The Last Hurrah!!: Spiritual Non-Believers

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog,Musik aus 2011 | TB | Tags:  4 Comments

HP Gundersen kennt kein Mensch hierzulande. In Norwegen ist er ein renommierter Produzent und Musikenthusiast. Seine besondere Liebe gilt dem weiten Feld der „Americana“, von den „medicine shows“ der Dreissigern bis zu Joni Mitchells Meditationen über „Blue“ in den Siebzigern. Es kommt einem tatsächlich so vor, als wäre dieser Herr Gundersen so tief in alte Lieder und Stories eingesunken, dass er, wie ein guter Archäologe, lauter seltene Objekt an die Oberfläche befördert: eine alte Gitarre von Stephen Stills, ein Nummernschild der Rostlaube von Hank Williams, oder – Sammlerstück (!) – eine verkratzte Ausgabe von Neil Youngs „Time Fades Away“. Überall dröhnt und summt und schimmert etwas; nach einiger Zeit fragt man sich, ob man tatsächlich nüchtern auf diese Reise gegangen ist. Die drei Songs, die wie ein einziger unendlicher Klangteppich daher geweht kommen, basieren auf modalen Gitarrenstimmungen, die sanfte Dröhnugen erzeugen und jede Ecke der Kompositionen mit einem Geflecht aus Raga-Sphären, Country-Flair und Pop-Finesse ausleuchten. Dabei geht alles extrem luftig und entspannt zur Sache. Die Sängerin heisst Heidi Goodbye – auf den Künstlernamen muss man erst einmal kommen. „Spiritual Non-Believers“ ist ein Kaleidoskop der Farben und Schwingungen. Deja-Vues sind wahrscheinlich, sie kommen aber immer doppelt oder bündelweise, so dass man bei jeder noch so flüchtigen Erinnerung gleichzeitig in diversen Jahrzehnten unterwegs ist. Wem das auf Dauer zu anstrengend ist, kann sich diesem „letzten Hurra“ ruhig blindlings anvertrauen. Ist ja auch nicht so wichtig, woher man die Klänge nimmt, sondern wohin man sie transportiert! (Rune Grammofon)

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4 Comments

  1. Jochen Siemer:

    Das Album kann man bei Amazon.de für sagenhafte 2,52€ als MP3-Download erstehen. Mein persönlicher, flüchtiger (im doppelten Wortsinn) Eindruck: völlig uninteressante Musik. Unsereins war allerdings auch niemals Hippie – vielleicht liegt es daran ;)

  2. Michael Engelbrecht:

    Da bin ich doch auf Seiten des Dagbladet, und auch ohne der skandinavsichen Sprache mächtig zu sein, versteht man das hier ganz gut: Drivkraften er den legendariske, bergenske trollmannen HP Gundersen, som her har skapt et lite mesterverk av en musikalsk roman. Lekent, flytende, lekkert og fylt med en egen velklang som verken er country, pop, folk, raga, blues, men rett og slett fullt av overskridende fantasi. Hva var det Gram Parsons drømte om? Cosmic American Music, ikke sant.(Dagbladet)

    Besonders mag ich „trollmannen“!

  3. Michael Engelbrecht:

    Auch in Norwegen gab es offenbar mal Hippies, die Bäume umarmten und nackt
    über Wiesen hopsten. Oriental Sunshine hatten 1970 mit ‚Mother Nature‘ einen entsprechenden Hit, den THE LAST HURRAY!! nun covern auf Spiritual Non-believers (RCD2109). Komplett mit klampfenden und wie Sitars sirrenden Buddhablumengitarren.

    Aber dann wird es erst wirklich kurios, mit ‚The Ballad of Billy and Lilly‘, einem halbstündigen Trip, der als Bluegrass à la O‘Death losrattert, aber fünf Minuten später schon mindestens drei Stilwechsel durchlaufen hat. War Heidi Goodbye anfangs
    Mother Nature‘s Milch & Honig-Tochter, so verwandelt sie sich nun als krähende Appalachengöre in eine Lilly, die in einer magical world viele Verwandlungen durchmacht.

    Für das halluzinatorisch-psychedelische Morphing sorgt HP – Hans Petter – Gundersen mindestens sechshändig, mit acoustic drone, slide und pedal steel guitars. Damit kurvt der ‚Pate der Popszene von Bergen‘, der hier seine Dronepopsymfoni-Ambitionen ganz unter einen Cowboyhut bringt, durch schräge Variationen von Country Folk, von Brian Woodbury über Byrds bis Sun City Girls, von ‚On the road again‘ bis zu deliranten Wirbeln mit gospelndem Chorus, dann auch mit Mundharmonika und sogar Trompete.

    My life is like a symphony and all my song they are in D. Heidi Goodbye stimmt für jede Episode einen treffenden Lilly-Ton an, wobei die balladesken Abenteuer kein Déjà-vu auslassen, freilich verbunden mit der Aufforderung, dass unsre slightly sleazy Lilly,
    die in a desperade way leben möchte, gefälligst nicht silly sein soll. Vergeblich,
    ihre tears tropfen in viele beers. Aber in der letzten rock‘n‘rollenden LillyLillyLilly-Zentrifuge mit versagender Euphoriebremse fliegen statt Tränen die Röcke und – gedankenspielerisch – die Kugeln.

    Heidi Goodbye rettet Lilly hinüber in ‚Melodi Grand Prix 63‘, einer wie von Ry Cooder ange-stimmten Samba, mit Geige und süßer Hawaiigitarre, Indizien für ein exotisches Exil, das Lilly gefunden hat. Der Tanz, den sie dort tanzt, drehwurmt über die Happy-End-Ausblende hinaus noch lange im Kopf weiter – so schreibt Bad Alchemy.

  4. Jochen Siemer:

    Herrlicher Text von Bad Alchemy.
    Musste schmunzeln, wenn nicht prousten, wiedermal :)


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