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Archives: Walter Bachauer

2016 16 Nov.

Walter Bachauer

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Walter Bachauer war eine Wucht. Was er in den Äther schickte erstaunte mich – Sachen, die der Bayerische Rundfunk Äonen später sendete (wenn überhaupt) …

Bachauer produzierte das Avantgardemagazin und das Musicarium im RIAS. Die beiden Sendungen wechselten sich ab und waren jeweils Montags von 23 Uhr bis 1 Uhr zu hören. Lebhaft in Erinnerung ist mir eine Ausgabe des Musicariums mit Gustav Mahler, Pink Floyd und einer Indischen Raga. Es war Bachauers Bestreben, Grenzen zu ignorieren oder gar als nicht vorhanden zu deklarieren. Dafür war ihm die Plattform ‘Radio’ offensichtlich zu eng. Er verwirklichte dieses Konzept in seinen Metamusik-Festivals 1974, 1976 und 1978 in Berlin.

Vieles habe ich in Sendungen Walter Bachauers zum ersten Mal in meinem Leben gehört: Steve Reich, Philip Glass, Terry Riley, Brian Eno, Laurie Anderson, Clara Mondshine, Ghana Dance Ensemble, John Cage, Joan LaBarbara, Gesang Tibetanischer Mönche und mehr.

 
 
 

 
 

Der Entschluss
 

Zur Erholung fuhren meine Eltern mit Großvater und uns nach Adlenz auf die Bürgeralm. Paul, der inzwischen Germanistik und Geschichte studierte, traf in der Berghütte einen Schulkameraden, Walter Bachauer. Walter war ein besonders begabter und offener Mensch. Er war groß und kräftig und hatte infolge eines missglückten chemischen Experiments eine weiße Augenbraue, die mich an Kapitän Ahab in Melvilles »Moby Dick« erinnerte. Er hatte mit Paul in der sechsten Klasse eine Reise an den Ossiacher See gemacht und ihm beim Messerwerfen mit der Klinge den Handrücken verletzt, der seitdem eine breite Narbe aufwies. Trotzdem blieben sie befreundet. Während Großvater abwechselnd mit Helmut und meinem Vater Schach spielte, redete ich mit Walter über alles Mögliche. Er kannte sich besonders bei der Avantgardemusik aus, brachte mir Mahler, Schönberg, Berg und vor allem Webern nahe und schenkte mir Bücher, die einen Einfluss auf mein Denken nehmen sollten: den »Kinsey-Report«, Sigmund Freuds »Traumdeutung« und den »Ulysses« von James Joyce, den ich von da an jahrelang mit mir herumschleppte, bis ich ihn endlich zu lesen anfing. Die endlosen Gespräche mit Walter öffneten mir ein Tor zu einer Wirklichkeit, auf die ich schon lange neugierig gewesen war.
 

aus: Gerhard Roth, Das Alphabet der Zeit

Ich muss wohl ziemlich verwirrt drein geschaut haben, denn der Verkäufer versuchte zu erklären: heute speichere man mit USB-Sticks, die eine enorme Speicherkapazität hätten, deshalb sei es wohl auch bald mit den CD-Playern im Auto vorbei, schon heute wären die neueren Modelle ja bereits mit USB-Schnittstellen ausgerüstet. Smartphone anschließen und fertig … Jetzt wurde es mir doch zu viel. Ich erläuterte dem jungen Mann nun meinerseits die Sachlage. Er möge sich mal vorstellen, dass man in einem Leben zunächst das Spulentonband als Speichermedium erlebt habe, dann die Kassette, dann die Minidisc, dann die DAT-Audio-Tapes und nun soll die Zeit der CD als Speichermedium auch vorbei sein???

(aus Gregor öffnet seinen Plattenschrank, Folge 116)

 
 
 

 
 
 
Aus dem Jahr 1877 datiert der Beschluss der Stadt Kronach zur Errichtung einer vierstufigen Realschule – Vorgängerin des Kaspar-Zeuß-Gymnasiums. Im November desselben Jahres stellte Thomas Alva Edison seinen Phonographen vor. Ich weiß nicht, wie das Musikleben zu Kronach im Jahr 1877 beschaffen war. So viel ist klar: Musik musste man selbst machen oder sich handgemacht und mundgeblasen vorführen lassen – in statu nascendi. Es sind seitdem kaum 140 Jahre vergangen, da werden Gregor – und nicht nur ihm – die Speicherformate im Schnelldurchgang gegeben und genommen.

Als ich Kind war, noch im Vorschulalter, war für mich die Musikwelt kaum anders geartet als 1877. Zu Hause wurde nicht musiziert. Wie es dazu kam, dass mich Musik gepackt und nicht mehr losgelassen hat, lag vermutlich daran, dass es doch ein wenig anders war. Wir hatten ein Radiogerät. Meine Lieblingssendung war der Landfunk. Ach was! Es war die einzige Sendung, die ich mir anhörte. Die Beiträge zu Ackerbau und Viehzucht habe ich ertragen, der eingestreuten kurzen Volksmusik wegen.

Mundgeblasenes gab es einmal im Jahr zum Schützenfest, wenn die Helmbrechts Marching Band zum Festplatz zog und den Tag im Bierzelt verbrachte. Man hätte mich vormittags vor der Kapelle abstellen und nachmittags abholen können. Abends im Bett habe ich dann selbst Musik gemacht, vokale Variationen über Blasmusik, autodidaktische Stimm- und Gehörbildung bis ich in den Schlaf fiel.

Mit dem Spiel eines Instruments begann ich recht spät, im Alter von 9 Jahren Violine, mit 13 Jahren Klavier. Mein drittes „Musikinstrument“ war ein Plattenspieler. Da war ich 14 Jahre alt.

Das Radio jedoch war das Fenster mit weiter Aussicht zu Klanghorizonten – viel später auch zu den Klanghorizonten. Drei West-Sender konnte man in der Region über UKW empfangen: anfangs nur den Bayerischen Rundfunk, seit den 60er Jahren RIAS. Der DLF stellte erst nach 1980 UKW-Stationen entlang der Zonengrenze auf.

Vier Moderatoren haben mir viel gegeben. Ich mag sie wegen ihrer Kenntnisse und ihrer sprachlichen Eleganz.

 

Karl Bruckmaier BR

Karl Lippegaus DLF

Michael Engelbrecht DLF

Walter Bachauer RIAS

 

Die Firma Radio Schramm gibt es noch. Sie war schon immer die Nummer 1 am Ort. Jetzt hat sie so gut wie keinen Konkurrenten mehr in der Stadt – dafür andere, mächtigere. In den 50er und 60er Jahren versorgte sie Jukeboxen vieler Kneipen in weitem Umkreis mit populärer Musik, mit Jan & Kjeld, Hang Down Your Head Tom Dooley, Jørgen Ingmann, I Want to Hold Your Hand

 
 
 

 

 
 
 

Das ist die Fassade des alten Ladengeschäftes. Durch die Türe links neben dem Schaufenster trat man ein in den Verkaufsraum. Als Schüler war ich selten dort. Meinen ersten Plattenspieler (Philips Cortina) bekam ich zur Konfirmation geschenkt. Es gab bei Schramm eine gewisse Auswahl an Schallplatten, aber die wenigen, die mich interessierten, waren mir zu teuer. Ich mochte nur Klassische Musik, jedoch kosteten LPs der Marken Deutsche Grammophon Gesellschaft, Electrola etc. um die 24,– DM. Ich trat dem Ring der Musikfreunde, Köln bei. Vier Käufe pro Jahr waren Pflicht. Das reichte mir vorerst, und die ‘Schallplatte des Monats’ war wirklich preiswert!

 

Dennoch hätte ich 1961 beinahe die erste Jazzplatte meines Lebens bei Radio Schramm gekauft. Meine Cousine hörte im Bayerischen Rundfunk regelmäßig die ‚Schlager der Woche‘. Eine Zeit lang hielt sich ein wunderschönes Stück im Chart, das mir sofort ans Herz gewachsen ist. Ich fragte nach bei Schramm:

 

  – Ham Sie Take Five?

  – Naa, des ham mer net.

 

Schade.

Über die Jahre habe ich insgesamt 5 Platten bei Radio Schramm gekauft: die zwei abgebildeten Doppel-Alben, die sich noch immer in meiner Sammlung befinden, und eine LP mit Orchesterwerken von Maurice Ravel, dirigiert von André Cluytens.

 
 
 

wof          zuma

 


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