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Archives: Verschwörungsglaube

2022 24 Apr

Der stille Entzug

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„In Betracht der Freiheit ist das Geschäft der Historiker noch immer dasselbe wie das der Inquisition: die Ausrottung. Es ist gerade nicht das Mißverständnis, das tödliche Konsequenzen hat, sondern das faktische Besserwissen.“

(Dietmar Kamper, Der Augenblick des Ketzers)

 

Diskurse umschwirren mich wie Motten das Licht. Es gibt den Topos von der Ökonomie der Aufmerksamkeit. Dem zufolge buhlen in digital-medialen Zeiten Inhalte um die Gunst des Rezipienten und Sender rufen in der Wüste: „Empfänger verzweifelt gesucht!“ Dies gilt auch und besonders für Verschwörungstheorien. Ausgerechnet in einer Satiresendung meines Vertrauens fand sich ein Gedanke expliziert, den meine Wenigkeit zuvor schon vage ausbaldowert hatte und deshalb in meinem mentalen Kosmos auf Resonanz stiess: dass nämlich diesem ganzen Problem der Querdenkerei eines der Aufmerksamkeits-Ökonomie zugrunde liegt. Die gesamte Szene nimmt im Verhältnis zu ihrer Relevanz viel zu grossen Raum ein. Was interessiert es mich, von wem einst John F. Kennedy „tatsächlich“ ermordet wurde? Was interessiert es mich, wie die Türme des World Trade Centers „in Wirklichkeit“ zu Fall kamen? Pigalle, Pigalle, das ist die grosse Mausefalle von Paris: sich nämlich überhaupt mit derlei Dingen zu beschäftigen. Viele Sachverhalte im Kontext inquisitorisch-historischer Faktenlaberei sind nämlich marginal, sie lenken unnötig ab. Zudem zeigt sich bei jenen, die vorgeben, sie würden hinter den Vorhang schauen, selbst ein Verhalten, das eigentlich nach aussen hin bekämpft werden sollte: notorische Besserwisserei. Ganz im Sinne des Tao gefiel es mir ja immer, wenn der Geist spielerisch und frei umherschweift, auch in der Kunst. Traue niemandem, der sie nicht mag: er kann nämlich zwischen den Zeilen weder wandern noch lesen. Und die wunderbare Luisa Neubauer bringt es in einem dreistündigen Interview auf den Punkt: „Choose your fights!“ Man muss nicht angesichts jeglichen Schwachsinns gleich zur rechtfertigenden Gegenargumentation aufrüsten. Oft hilft schon der stille Entzug.

 


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