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Archives: Rüdiger Esch

2014 15 Dez

Electri_city

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esch

 
 
 

Das ist ein interessantes Buch nicht nur für Leute, die sich für die elektronische Musik interessieren, die zwischen 1970 und 1986 in Düsseldorf entstanden ist. Interessant ist es auch für alle, die wissen möchten, wie eine „Szene“ funktioniert.

Düsseldorf ist ein relativ kleines Biotop. Kern der Düsseldorfer Kunst- und Musikszene war die Kunstakademie, insbesondere die Klasse von Joseph Beuys. Drumherum eine Menge Galerien, in denen sich die Szene traf und in denen auch Bands spielten. Und dass die aufgrund der Verknüpfung mit der Kunstakademie anders klangen als in – sagen wir – München oder Hamburg, liegt nahe.

Rüdiger Esch, selbst Mitglied der Krupps, schreibt nicht die Geschichte der Düsseldorfer Szene, sondern er lässt die Beteiligten selbst zu Wort kommen – aus ihrer heutigen Sicht. Er kommentiert nicht selbst, sondern montiert Passagen der von ihm geführten (oder aus anderen Quellen kompilierten) Interviews so mit- und gegeneinander, dass sie sich gegenseitig kommentieren (und oft auch relativieren). Diesen Kunstgriff kennt man bereits aus Jürgen Teipels „Verschwende deine Jugend“, und er funktioniert auch hier, wenngleich man sich gelegentlich ein bisschen mehr Hintergrundinformation wünschen würde.

Sehr schnell ist klar, dass Kraftwerk die Kirche im Dorf war. Alle anderen Projekte kreisen um Kraftwerk herum, reiben sich an Kraftwerk, lehnen Kraftwerk ab oder versuchen Vergleichbares oder Gegenteiliges. Ebenso schnell wird klar, dass das Subzentrum der Düsseldorfer Szene Klaus Dinger war, der hier sehr ausführlich zu Wort kommt. Und dass es eines Conny Planks bedurfte, um die Szeneprodukte in eine Form zu bringen, die man in verkaufbares Vinyl pressen konnte.

Insbesondere interessant ist zum einen, welchen Einfluss auf die Bands und die Musik selbst die elektronischen Instrumente und der technische Fortschritt hatten – es kamen in den 80ern nahezu monatlich neue Synthesizermodelle auf den Markt, die irgendetwas anders machten oder besser konnten als das Vorgängermodell und deswegen geradezu reflexhaft angeschafft wurden. Und zum anderen zeigt sich, wieviel Hass und Häme gerade Kraftwerk auf sich gezogen haben, nachdem sie international zur Kenntnis genommen wurden – interessant ist das insofern, als sich darin zeigt, wie das Biotop einer „Szene“ funktioniert. Selbst noch zu einem Zeitpunkt, als Kraftwerk schon längst in einer ganz anderen (internationalen) Liga spielten, wurde sie von den Kollegen immer noch als „our very own“ gesehen. Jeder kennt das: Solange alle im selben Boot sitzen, ist man befreundet, aber wehe, jemand rudert davon und ist auch noch erfolgreich damit …

Weniger ergiebig ist Eschs Versuch, auch die Düsseldorfer Werbeagenturszene in die Geschichte der „Electri_city“ einzubeziehen. Das liegt zwar in gewisser Weise nahe, belegt aber letztlich nur, dass es zwischen der Musik- und der Agenturszene kaum Beeinflussungen gab.

Im Anhang finden sich Kurzbiografien aller Interviewpartner und eine kurze Übersicht über die wesentlichen Synthesizer, Sequencer und elektronischen Geräte jener Jahre.

 

Rüdiger Esch:
Electri_city – Elektronische Musik aus Düsseldorf
Suhrkamp, Berlin 2014
ISBN 978-3-518-46464-9


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