Manafonistas

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Archives: Incredible String Band

 
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Heute morgen, beim Frühstücksbuffet, kam ein ca. siebzig Jahre alter Engländer an meinen Tisch geschlurft, und fragte mich, wo er hier Tee bekomme. Jeden Tag eine gute Tat. Mit zwei Paracetamol hatte ich zuvor die Schmerzen abgeschossen, die mich in aller Frühe plagten. Ich war gestern mittag mit Robin Williamson durchgeschwitzt in der Bergsiedlung Femes angekommen, wir hatten uns in die pralle Mittagssonne gesetzt, und zumindest mich attackierten kühl auffrischende Böen. Das Gespräch lenkte mich von diesen Widrigkeiten ab.

„Die einzige Art, damals auf ziemlich leichte Weise interessante Musik zu machen, bevor der Moog-Synthesizer gross in Erscheinung trat“, sagte Robin Williamson, während ich an meinem Cafe con leche nippte, „war, sich interessante Instrumente zu besorgen“. Ich hatte Robin kurz vor meinem Abflug angerufen, weil ich wusste, dass der alte Schotte hier eine Eigentumswohnung bei Femara besass und im Januar regelmässig vor schottischen Klimaverhältnissen floh.

Die Kontakte gingen in die Zeit zurück, als ich regelmässig als Journalist eingeladen war zu dem alljährlichen Festival Musica Visual, das der Maler Ildefonso Aguilar de la Rua einst ins Leben rief. Brian Eno spielte mit Peter Schwalm in einem Vulkankrater, Eberhard Weber und David Darling führten Solokonzerte auf in den Cuevas de los Verdes, und der junge, damals noch unbekannte Arve Henriksen spielte im Trio von Christian Wallumrod.

Wir plauderten über das Jahr, als Robin finanziell abgebrannt aus Marokko zurückkehrte (1966) , und dann bald mit der Incredible String Band Furore machen sollte. (Ich hatte das Album 5000 Spirits or the Layers of the Onion aus dem Jahr 1967 permanent im Auto laufen, schliesslich sind zwei Songs daraus für meine kommenen Klanghorizonte geplant.) „Ich wäre gerne für immer in Marokko geblieben“, sagte er, und liess den Blick über den leer gefegten lanzarotinischen Himmel schweifen. Ich begriff rasch, dass in diesen gesegneten Monaten in Nordafrika etwas Erstaunliches passiert sein musste.

 
 
 

 
 
 

Wer damals als Hippie vor die Türen seiner Unterkunft trat, dem öffnete sich auf den Strassen von Fes und Marrakesch eine andere Welt: „Es war, als würde man zurück ins Mittelalter gehen, besonders in den arabischen Ortschaften, den Medinas. Sie hatten damals keine Autos, nur Esel und Kamele – und ganz winzige Gassen. Nur das Radio – das Radio war überall. Wunderbare Musik spät in der Nacht, die königliche Band sang ihre Songs um ein, zwei Uhr nachts.“

Da dies kein offizielles Interview war, hatte ich kein Aufnahmegerät dabei, und das Gespräch kam von Hölzchen auf Stöckchen. Wo es den besten Cappuccino auf der Insel gibt, wo es die grössten Seezungen gibt, und wie ich mich einmal fast mit einem spanischen Wirt geprügelt hatte. Robin wollte aber auch wissen, ob ich schon richtig tolle Musik gehört hätte in diesem noch jungen Jahr. Und ich erzählte ihm, dass es mir besonders ein Album angetan habe, in dem ein französisches Duo Traumerzählungen in Musik umsetzt: „A l’ombre des Ondes“, von Kristoff K. Roll. Wie gesagt, von Hölzchen auf Stöckchen.

In der Nacht darauf träumte ich, wie ich durch ganz kleine Gassen in Arrecife ging und auf eine Krimibuchhandlung traf, die viele deutsche und englische Bücher enthielt. Ich kaufte mir Jamal Verdigris‘ „Die Kunst des Schlosserhandwerks für Fortgeschrittene“ sowie den Thriller „Claire deWitt and the City of the Dead“, obwohl ich das Buch von Sara Gran schon begeistert in der deutschen Übersetzung gelesen hatte. So langsam sickerten meine Gliederschmerzen ins erste flüchtige Erwachen, und ich liess sämtliche Traumdetails noch einmal durch den Kopf gehen, um beim Frühstück genug Stoff zur fröhlichen Traumdeutung zu haben. Dann kam, wie gesagt, der alte Mann an meinen Tisch geschlurft, und der erinnerte mich plötzlich an den Buchverkäufer aus dem Traum, nur, dass der Händler eine Baskenmütze trug, und eine Pistole im Hosengurt stecken hatte.

Als ich nach einem ausgiebigen Bad im Meer ins Hotelzimmer zurückkam, fand ich eine Email von SoulJazz Records vor; das Label bot – und beim Lesen grinste ich über beide Backen – ultrarare Vinylsingles aus dem Äthiopien der frühen Siebziger Jahre an. 30 Pfund pro Stück. Robins altes Afrika! Diese Freude liess ich mir nicht entgehen, bestellte für Robin Williamson und mich jeweils eine 7-inch-Kostbarkeit. Kurze Zeit später stellte ich die Ankündigung dieser heissen Ware bei den Manafonistas rein. Als ich nach dem Verzehr von „Langustinos con Brandy“ noch einmal die offizielle Webseite der Londoner Firma öffnete, hiess es ganz lapidar: SORRY! ALL SINGLES SOLD OUT IN ONE HOUR! Da kriege ich ja einen richtigen Schatz für die „Klanghorizonte“ im April. Good night, ladies and gentlemen, and good dreams!

 
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