Manafonistas

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TV und Psychoanalyse (1)

 

Der Psychiater sieht so fertig aus, als hätte er all das persönlich erlebt, was ihm seine Patienten tagaus tagein erzählen. Dann könnte er sich selbst von der Schweigepflicht befreien und über sich mit der Familie, einer alten Schulfreundin, städtischen Ämtern oder natürlich der Polizei tratschen, wie das all die TV-Kollegen ebenfalls tun. Vielleicht sieht der Schauspieler Ulrich Noethen so fertig aus, weil es anstrengend ist, so viele Klischees zu spielen. Nach 5 Minuten ist bereits klar, dass der Psychiater Affären mit Patientinnen hat. Wozu auch sonst steht bei jedem Psychoanalytiker eine Couch im Behandlungszimmer? Weil sie bequemer ist als das Rollwägelchen des Automechanikers natürlich. Automechaniker liegen im TV immer, wenn man sie aufsucht, auf einem Rollwägelchen unter einem Auto, und erreichen so nie den verführerischen Ruf des Psychoanalytikers mit seiner Couch. Für Männer ist sie, sofern der Therapeut männlich ist, eher bedrohlich, und so sitzt der Kommissar blitzschnell im Sessel des Psychiaters und dieser gezwungenermaßen auf der Couch. Weiterer Rollentausch gelingt dem Polizisten nicht, aber der Wunsch einer Gerechtigkeit zwischen Therapeut und Patient ist groß: „Das ist, was mich an euch Psychofritzen so ankotzt. Ihr erwartet, dass die ganze Welt vor euch die Hosen runterläßt, aber euern nackten Arsch hat noch keiner gesehen.“ „Neben der Spur“ ist als Reihe geplant. „TV und Psychoanalyse“ auch.

Heute Nacht bin ich zufällig über die Mediathek des SWR in den Galaabend zur Verleihung des baden-württembergischen Jazzpreises an Eberhard Weber geraten. Die ersten 40 Minuten kann man getrost wegklicken; da hört man sonst nur zum Teil schwer erträgliche Reden voller Selbstbeweihräucherung, Parteipolitik und Lobbyismus. Das Publikum ist entsprechend zurückhaltend. Doch dann steht Eberhard Weber auf, nicht ohne durch ein deutlich hörbares “o Mann“ ganz kurz und diskret darauf hinzuweisen, dass ein schwäbisch so harmlos klingendes „Schlägle“ auch ein schwerer Schicksalsschlag ist, zumal das Bassspiel unmöglich wurde. Doch innerhalb weniger Sekunden gelingt es Eberhard Weber durch seine heitere, lebendige Ausstrahlung und einige auch selbstironische Bemerkungen die Stimmung im ausverkauften großen Saal im Stuttgarter Theaterhaus völlig zu verändern. Leider ist das folgende Konzert nur bis zur Pause zu hören; den zweiten Teil scheint der SWR uns außerprogrammmäßigen Mediathekbenutzern vorzuenthalten. Schade; aber schon die ersten 45 Minuten lohnen sich. Die SWR-Bigband spielt zusammen mit einigen special guests (Gary Burton, Paul McCandless, Michael Gibbs) Kompositionen von Eberhard Weber, arrangiert u.a. von Rainer Tempel – durchaus gelungen. Mir hat sogar der Auftritt von Jan Garbarek gefallen, der zu einer Bandaufnahme Webers improvisierte und dabei in mir die Phantasie weckte, ihn in einer der kahlen, verpissten Stuttgarter Fußgängerunterführungen anzutreffen, das Saxophon nicht zu schön, sondern schön spielend, und vor sich einen Ghetto-Blaster mit Eberhard Webers Basslines.

2015 25 Jan.

Psychoanalyse und TV (0)

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Der als Psychothriller angekündigte ZDF-Film Spuren des Bösen enttäuschte – siehe Beiträge vom 24.02.2015.

Wenn die unrealistische Darstellung der Psychoanalyse und ihrer Praktikanten von Heino Ferch bis Dieter Pfaff im TV auch bei anderen Sujets so angewandt wird, dann müssten wir ein völlig verschobenes Weltbild haben.

Ich habe mir in der Mediathek den Schluss des Films dreimal angeschaut, bin immer wieder eingeschlafen. Immerhin habe ich mitbekommen, trotz des abendfüllenden und wohl stilbildensollenden Flüsterns und Nuschelns, dass es irgendwie um die Mutter ging.

War die Mutter schuld am Unglück des „Buben“?

Mir fiel dazu ein Lied des Wiener (Psychoanalyse!) Duos „Die Strottern“ ein:
 
 
Was hätt alles werden können aus mir
was hätt alles werden können aus mir
 
Der Siegfried mit dem Drachen
ein Kasperl zum Lachen
ein Überschallflieger
ein Olympiasieger
ein Held, ein Torero
ein Schlangenbeschwörer
Fakir, Offizier, oder gar ein Vampir?
 
Aber die Mama, sie war ned dafür
aber die Mama, sie war ned dafür

2015 23 Jan.

Reisegruppe nach Sylt

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Offensichtlich rückt unser Treffen auf Sylt immer näher; und wenn es noch kein Reisefieber ist, dann sowas wie gespannte Vorfreude. Und es gibt viele Ideen, die Tage zu füllen. Live-Musik wäre schön, die Streifenjunkos oder die 55 weiß gekleideten Musiker mit weißen Plastiksaxophonen, als Kontrast dazu 7 Fans in gelben und orangen Friesen-Nerzen (gibts wohl nur noch second hand), im Sturm, am Meer. Die Streifenjunkos sind nur zu zweit und vielleicht trotzdem unerschwinglich. Ein Sparvorschlag zugunsen der Gage: ich könnte (mit Gregor?) Labskaus kochen, das spart einmal Essengehen … Ansonsten ist bei uns ja genug Kreativität für allerlei kulturelle homemade Höhepunkte vorhanden (vorlesen, vorspielen, vorsingen, vortanzen, Listen vorstellen). Die Tage werden schnell rumgehen.

 

 
 
 
1) Tobias Christl – Wildern
2) Henry Grimes / Marc Ribot / Chad Taylor – Live at the Village Vanguard
3) Meret Becker – Deins & Done
4) Andreas Schaerer / Lucas Niggli – Arcanum
5) Kappeler / Zumthor – Babylon-Suite
6) Robert Wyatt – Different Every Time
7) Olcay Bayir – Neva / Harmony
8) Einstürzende Neubauten – Lament
9) The Rough Guide to Arabic Café
10) Die Fantastischen Vier – 25 Years
11) Levantino – Chapter One
12) Bobby Blank – Electrified
13) Les Deux Love Orchestra – Lamyland
14) Anthony Joseph – Time
15) Los Agentos – Tom Waits Project
16) Vijay Iyer – Mutations
17) Neneh Cherry – Blank Project
18) Maya Beiser – Uncovered
19) GoGo Penguin – V 2.0
20) Henryk Gorecki – Symphony No.3
 

Ungewöhnliche Befindlichkeiten ließen einen Klinikaufenthalt ratsam erscheinen, was den Aufschub einiger Pläne – zum Beispiel des Einstiegs bei den Manafonistas – mit sich brachte.

Es war klar, dass eine zeitgemäße Diagnostik mehrere Aufenthalte in engen Röhren mit sich bringen würde. Die Ärztin rückte die versprochene Tavor nicht raus, die Technikschwester war mit ihren aufmunternden Worten „Wir zwei schaffen das schon“ wenig hilfreich (würde es doch noch enger werden), und die angebotene James-Last-goes-Esoterik-CD verstärkte den Fluchtreflex nur noch weiter.

Das war der Moment, als die „Allein in einer CT-Röhre“-Frage entstand: „Welche Musik würdest du mitnehmen, wenn …?“

Hier die Liste mit anti-klaustrophobischer Musik zum Einswerden mit der Maschine:
 
Lizzy Mercier Descloux – Mission Impossible
Cosa Brava – Soul of the Machine
John Adams – Short RIde in a Fast Machine
Karl Bartos – Atomium
Lucas Niggli – … And You Begin
Kronos Quartett – Sharp: Digital
Ryuichi Sakamoto – Haiku FM (4)
Alva Noto, anbb & Blixa Bargeld – electricity is fiction
Chris Abrahams – Stabilised Ruin
radio.string.quartett – Celestial Terrestrial Commuters
Amadinda Ütöegyüttes / John Cage – Second Construction
Cakewalk – Wired
Big Deal – Dream Machines
Monika Roscher Bigband – Human Machines
Boards of Canada – Gemini
Esbjörn Svensson Trio – From Gagarin‘s Point of View
Brian Eno – sounds alien
Richard Hickox – The Spaceship Takes Off Again
Sun Ra – UFO
Chris Watson – El Tren Fantasma


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