Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Die Zauberflöte K 620: „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ und „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ – Piano, Arrangement: Uri Caine. Violin / Fiddle: Joyce Hammann. Clarinet: Chris Speed. Trumpet: Ralph Alessi. Guitar: Nguyên Lê. Bass: Drew Gress. Drums: Jim Black. Programming: DJ Olive. Composer: Wolfgang Amadeus Mozart.

 

Uri Caine Ensemble – Plays Mozart

℗ 2006 Winter & Winter

 

 

Als es noch kein Internet gab, tigerte ich oft am öden Sonntag, nach arbeitsreicher Woche meist völlig ausgelaugt, zu irgendeiner Tankstelle oder Bahnhofsbuchhandlung, um verstohlen in den Hifi-Magazinen die Neuveröffentlichungen und Plattenkritiken rauszupicken. In einer dieser Journale wurde unterteilt in die Bewertungskriterien „Musik“ und „Klangqualität“ der jeweiligen Aufnahme, also in gewisser Weise die altbekannte Zweigestalt aus Inhalt und Form. Gestern beim Hören von Candid des Quintetts Sunny Five dachte ich, es wäre gut, ein weiteres Kriterium hinzuzufügen: inwieweit man angestachelt wird, selbst Musik zu machen, also dem Drang zu folgen, das Rezipierte nachzuahmen. Ahmung war immer ein entscheidender Faktor, schon zu Zeiten von Ten Years After wollte ich Alvin Lee nicht nur hören, sondern es selber sein. Auch die Beatles, das war im Grunde genommen ich. Ein Wunsch wurde nun wahr: das zwei, die mehr sind als nur Gitarristen, nämlich auch Berserker auf ihrem Instrument, Klangmagier und Alchemisten, in der Tradition eines Fred Frith oder Derek Bailey, einmal zusammenspielen würden. Von David Torn und Marc Ducret ist die Rede, zu bestaunen auf Tim Bernes aktueller Neuveröffentlichung. Zu den bereits Genannten gesellen sich dann noch Bassist Devin Hoff und Drummer Ches Smith. Zu hören ist ein furioses Happening, bei dem im Kopf ein Film abläuft. So viele Assoziationen: mal dachte ich, die Möbelpacker kommen. Wohin der Schrank? Dort in die Ecke. Rumms! Eine Tür schlagt zu. Dann eine Fabrikhalle, Machinen, Räderwerk greift ineinander. Bleche fliegen durch die Luft. Da fliegt mir doch da Blech weg. Spliff! Und immer elektronisches Hintergrundgezirbel, zauberhafte Mutationen. Der erdenschwere Bass bringt reichlich Wucht zuweilen, Bill Laswells Massaker kommt in den Sinn. Dann wieder ist es plötzlich still, typisch Berne, diese dynamische Spannbreite. Da lässt der Torn mal kurz die Oud raushängen, dann übernimmt das Saxofon Ducrets E-Gitarre wie im Staffellauf. Das Ganze ist irgendwo zwischen Jazz, experimenteller Musik und Heavy Metal angesiedelt, teilweise rockiger als Rock. Heroisch wurde dies bereits genannt, ja irgendwie steckt Nietzsche drin, der Drang zur Überschreitung. Ich höre gerne Taylor Swift, doch immer wieder auch Fred Frith.

 

2024 26 Mrz

Der Mittelweg

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In den letzten Tagen und Wochen war ich immer wieder damit beschäftigt, an meinen Fahrrädern herumzubasteln. Teils waren es notwendige Reparaturen, teils waren es Verschönerungsarbeiten. Kleine Rückblende: wir erinnern uns an jenen Disput zweier Motorradfahrer in Robert M. Pirsigs Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten. Beim Autor des Buches hatte sich der Lenker gelockert – in the middle of a road trip. Was tun in der Pampa? Er schnitt einen Alustreifen aus einer leeren Coladose, unterfütterte damit die Halterung und der Schaden war behoben. Nicht so für seinen Harley fahrenden Freund: der würde nur Originalteile an seiner Kultmachine dulden und zur Not meilenweit zur nächsten Werkstatt schieben. Hier zeigte sich jene Dichotomie zwischen romantischer (hip) und klassischer (square) Weltanschauung: während die einen den Fokus auf Ästhetik legen, geht es den anderen um Funktionalität. If it works it’s good enough. Zurück zur Fahrrad-Wartung: bei mir geht beides, ich achte allerdings darauf, mich nicht zu sehr in optische Idealismen zu versteigen, denn das ist erstens kostspielig und kann zweitens zu lästigen Optimierungszwängen führen. Deshalb, so platt es klingt, ist auch hier der Mittelweg der beste.

 

2024 21 Mrz

fender calls

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„sanftes gleiten“

 
 

[… da mir diese kleine homegrown-impro nach tagen immer noch gefällt, stelle ich sie wieder rein. gitarrespielen ist ja immer auch eine seltsame mischung aus (mangelnder) fingerfertigkeit und dem versuch, favorisierte klangvorstellungen nachzuahmen. ich kann nur das spielen, was ich kenne – aus dem grand portfolio angewachsener erinnerungen. apropos gewachsen: mit neu gewachster fahrradkette (vorher gründlich entfettet) lässt es sich sanfter und stiller durch die landschaft gleiten als je zuvor. wieder mal stellt sich die altbekannte frage: warum so spät, warum erst jetzt? …]

 

2024 19 Mrz

do you know knower?

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Either way …

 

„The Goverment Knows“

 

Knower is a duo with drummer Louis Cole and vocalist Genevieve Artadi. The following clip also features bass player Tim Lefebvre, well known from works with David Bowie and Uri Caine (Bedrock). Notice the incredible drum programming and the beautiful singing here. I must confess, I’m a bit obsessed by Knower. They call it „full blast“, I call it great pop.

 

„Lady Gaga“

 

 

Kultur und Temperament des Landes sind vertraut, in diesem Sprachklang hält man sich zu gerne auf. Brasilia, die futuristische, auf dem Reissbrett nach der Form eines Flugzeuges entworfene Stadt hat ein ganz besonderes Flair. Dort lebt auch Pedro Martins, wechselweise mit seiner Wahlheimat Los Angeles, in der seine Lebenspartnerin lebt, die Jazzsängerin Genevieve Artadi. So switchen sie zwischen zwei Metropolen, stets umgeben von jungen Künstlerfreunden, einem Pool junger Talente. Der nun dreissigjährige Gitarrist, Multiinstrumentalist, Komponist und Sänger galt früh als Wunderkind, begann bereits mit drei Jahren, sich für die Beatles zu interessieren, deren Songs für ihn die Basis seiner musikalischen Entwicklung waren. Abseits jeglicher Leistungsathletik hat seine Musik einen landestypischen, aber auch idiosynkratisch ganz eigenen Zauber, der vielfältige Anklänge erlaubt an die Musica Popular Brasileira. Milton Nascimento, Caetano Veloso, Djavan und Maria Bethania waren ja auch jene, die einst meine Sehnsucht weckten, dieses Land zu entdecken. Seit Joao Bosco vor mehr als fünfzehn Jahren sein unglaubliches Livealbum Obrigado Gente vorlegte mit einer Wahnsinnsband, zu denen Schlagzeuger Kiko Freitas, Gitarrist Nelson Faria und Percussionist Armando Marcal gehörten, hat mich brasilianische Musik nicht mehr so begeistert wie nun Pedro Martins frisch entdeckte Kompositionen und Performance. Wenn man etwas liebt, erkennt man sich auch darin wieder: es ist auch eigene Heimat. So wie einst die Diamanten (as pedras preciosas) auf dem Verkaufstisch eines Edelsteinhändlers am Marktplatz in Ouro Preto verheissend funkelten, so tun es nun die verspielt perfekten Songs des jungen Pedro Martins. Sie eröffnen Räume auch für die eigene Phantasie. Es war wie in einem selbstgeschaffenen Kopf- und Herzkino investigativer Recherche: ein Mix aus Flow und Grip ist das Interesse, wenn es denn Fuss fasst – und ab geht die Post. Da gibt es das Konzert mit der Frankfurt Radio Bigband, in dem sich die frühreife, ausgewogene Vielfalt seiner (auch gesanglich begleiteten) Kompositionen zeigt und Erinnerungen wachruft an Antonio Carlos Jobim in den kongenialen Orchestrierungen von Klaus Ogerman. Ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Pianisten Pablo Held gibt interessante biografische Details preis, wie sie wohl nur Musiker untereinander austauschen können. Der Wunderknabe blickt leicht verpennt (weil wohl eine Nachteule) in seinen Laptop und plaudert los in typischer brasilianischer Lockerheit: beispielsweise seine ersten Treffen mit Kurt Rosenwinkel schildernd, seinem vertrauensvoller Förderer und Mentor. Gemeinsam absolvierten sie eine Welttournee in dessen Caipi-Projekt. Noch nie habe ich einen brasilianischen Gitarristen erlebt, der so viele unterschiedliche Facetten von Musik in so virtuoser Form vorträgt, dabei die vielfältige hybride Tradition mit dem Horizont der Digital Natives verbindend, die früh globale Vernetzung als selbstverständlich sehen und in vielen Musikstilen beheimatet sind. Allein der eigentümliche und höchst delikate Sound seiner E-Gitarre eröffnet einen eigenen Kosmos. Dazu singt er noch, auf Rosenwinkels Anregung hin stellte er sich der Herausforderung, eigene Lyrics zu schreiben: the birth of a singing songwriter. Die Gitarre klingt zuweilen nach Cavaquinho, kleine Fingerstreiche lassen sekundenweise Sitarklänge erklingen und die Kompositionen führen in Alices Wunderland. Man kann hier zuhauf Nuggets finden im Internet, wenn einen erst die Neugier treibt. Und hoffen, dass eine ihn in kommerzielle Bahnen lockende Plattenindustrie bis auf Weiteres verschont und er das Basteln kleiner Kastanien-Männchen dem groß herausposaunten Mainstream vorzieht. Diese Musik erzählt Geschichten: die seines Landes, seiner Welt und auch seiner Generation. Sie klingt wie Neuland, klingt wie Hoffnung und eine sanfte Brise schwingt immer mit.

 

2024 27 Feb

Heut‘ gibt’s Cole

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2024 26 Feb

wo wir sind

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Gestern lernte ich ein neues Wort: „Präsenzerfahrung“. Es fand sich in einer Reflexion über das Älterwerden, zu lesen in der Taz, geschrieben von Dirk Knipphals unter dem Titel „Sixty, something“. Dieser Begriff beschreibt, neben einer gelungenen Definition für die Essenz des Yoga (we’re getting closer!) auch ein Phänomen im Hinblick kultureller Rezeption. Es gibt eine gewisse Flüchtigkeit, von der schon Goethe wusste: „Ach, Augenblick ….!“ Mich interessiert beispielsweise weniger, ob ein Album, ein Buch oder ein Film als gelungen oder misslungen bezeichnet wird, sondern vielmehr jener Moment, in dem mich etwas affiziert, berührt und irgendwie weiterträgt. Manchmal fürchte ich, das Interesse am Albumhören bereits verloren zu haben und dann ereignet es sich wiedermal ganz plötzlich: so geschehen jüngst beim Hören eines Werkes von Joshua Redman, das alle dort enthaltenen Songs nach amerikanischen Städtenamen benennt. Ich sickerte ein ins Milieu: the precious blues with every single note worth listening. Ein Ärgernis jedoch, wenn wir glauben, solche Zufallsmomente, die uns immer unverhofft zufallen, beliebig wiederholen zu können: die Repeat-Taste funktioniert hier oftmals nicht. Beim zweiten Mal dann heißt’s vielleicht: Kein Anschluss unter dieser Nummer! So hoffen wir darauf, dass es uns abermals geschenkt wird, irgendwann, irgendwo. Der Philosoph Alain Badiou nannte es das „unverfügbare Wahrheitsereignis“. Wäre diese Unverfügbarkeit nicht eine weitere treffende Definition für die Essenz des Yoga?

 

2024 22 Feb

clipes da semana

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2024 21 Feb

down the slope

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Wer schonmal Ski gefahren ist, der weiss: das ist wie guter Sex, manchmal besser. Die Piste runter, Hüftschwung hopp, muss man mal erlebt haben. Im Skiort diese eigentümliche Winterstille, der Schnee verschluckt die Geräusche, menschliche Stimmen klingen trocken, wie kleine Sensationen. Vom Ski zu Kurt, wie geht das? Sehr gut, denn kürzlich wurde mir eine besondere Abfahrt zuteil: zunächst das heitere Gespräch der beiden Gitarristen Rosenwinkel und Beato auf YouTube. Ich hatte wohl das Stück „Use of Light“ aus dem Album Deep Song angeklickt, weil mir an diesem regnerischen Februartag bewusst war, wie nutzbringend doch generell das Licht ist. Ich glaube an die Sonne, mehr als an jeden Gott, denn Dunkelheit drückt auf’s Gemüt. Nach dem Gesprächs-Uplift der beiden Genannten folgte die Abfahrt, Algorithmus-induziert: nach einer Session mit jungen Talenten der New Generation (Kurt Rosenwinkel ist seit langem schon auch Musikpädagoge) dann der Auftritt mit der immer wieder erstaunlichen Frankfurt Radio Bigband. Ja, Skifahren wäre eine angemessene Metapher, Kite-Surfen in den Kosmos aber auch. Immer schwingt in Kurt Rosenwinkels Spiel Lebensfreude mit und das Abfeiern der grenzenlosen Möglichkeiten kreativen Ausdrucks. Es ist im Wesentlichen ekstatisch, permanente Grenzüberschreitung. Ihm sitzt auch der menschenfreundliche Schalk im Nacken, wie sich einmal in einem Interview backstage mit einer etwas naiven französischen Jounalistin zeigte: Ob das auch teilweise improvisiert sei, was er spiele? Yes, occasionally there is some improvisation. Die Musikhistorie schwingt mit in seinen Soli: Bach, Brahms, die Stones, Samba, Jazz, Pop, Blues und Soul. Das sind Höhenflüge, die flinke Finger auf das Griffbrett zaubern. Wer zaudernd introspektive Seelenschau in Moll sucht, geht hier fehl. Nicht zu jeder Zeit passt jede Musik – umso schöner, wenn einen etwas plötzlich anturnt, tagesaktuell oder rein stimmungsmässig. Nimm es mit, take the a-train, catch the nightflight, down the slope!

 


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