Wenn die Begeisterung Funken schlägt, dann ist das mehr als ein saturiertes Kopfnicken oder ein ordnendes Einreihen in private Bestenlisten. Denn es trägt dich fort, nimmt dich mit wie zu besten Zeiten. Wer erinnert sich nicht gerne an das jugendliche Abfeiern von Musik: diesen einen Song noch, diese eine Platte hören, als sei es eine Droge. Was The Brahms-Project um den amerikanischen Gitarristen Kurt Rosenwinkel betrifft, kann ich schwerlich an mich halten. Vor ein paar Tagen entdeckt, noch nicht gänzlich rezipiert (wer leert schon eine Flasche guten Wein in einem Zug!), weiss ich jetzt schon: dies Album wird ein Langzeit-Wegbegleiter werden. Es könnte sich nämlich einreihen in meine Liste der Argumente, warum ich überhaupt Jazz höre und nicht vielmehr etwas anderes oder gar nichts. Kurt Rosenwinkel, den mir einst ein Buddy anempfahl (und wir feierten gemeinsam neben Methenys Still Life Talking auch Rosenwinkels Deep Song) ist selbst ein Buddy-Typ und wie Kumpel-Pat ein sympathischer Zeitgenosse. Hier und auf dem vorgängigen Chopin-Projekt hat der Gitarrist mit dem filigranen Schlagzeuger Jorge Rossy, dem Pianisten Jean-Paul Brodbeck (der die Arrangements schrieb) und dem kraftvoll-versierten Bassisten Lukas Traxel kongeniale Mitstreiter gefunden. Lange nicht habe ich einen so homogenen Quartett-Sound vernommen: wie aus einem Guss. Rosenwinkel hat sich in jüngster Zeit auch in brasilianische Gefilden herumgetrieben und ein bisschen klingt das auch, als wenn der gute Brahms aus seiner Kiste spränge und verzückt zu Jazz-Akkorden Samba tanzte. Jugendlich, frisch, powerful, zündend. Ein Stoff, der weiterträgt, aus dem die Inspirationen sind. So wundert es nicht, dass ich ein Stück kaum zuende höre, die Gitarre in den Amp einstöpsele und versuche, genau auf dieser Welle mitzusurfen, was natürlich nicht gelingt. Betroffen sehen wir, dass uns die Technik fehlt und vieles andere mehr. Bei solchen Musikern habe ich oft den Eindruck, dass sie auf dem Niveau von Lufthansa-Piloten und Herzchirurgen agieren. Wie kann man solche Notenketten präzise auswendig spielen? Miles Davis nannte es „Athletik des Bebop“ und distanzierte sich davon auf cool-gekonnte Weise. Und doch: ein wenig von der Zauberzirkus-Magie spielt immer noch mit in diesen Tagen.