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2024 9 Sep

Richters Richtung

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags:  | 3 Comments

 

Der Filmemacher Pepe Danquart begleitete den Maler Daniel Richter über einen längeren Zeitraum und herausgekommen ist ein spannendes Porträt, zumindest für einen Kunst-Sozialisierten, wie ich es bin. Ja ich, der wahrscheinlich nicht den Mut, vielleicht auch nicht die Reife oder auch das Können hatte, mich ernsthaft der Frage auszusetzen, was ich von der Kunst will und was die Kunst von mir. „Kunstgeschichte machen“ meinten Studienkollegen auf dem Weg ins Atelier, ein Selbstverständnis, das unsereins nie hatte („Vielleicht war es einfach nicht dein Ding!“) – dafür aber umso mehr die Bewunderung und das Interesse, spannend wie ein Thriller dies, wie andere diese Herausforderung meisterten. Zu ihnen gehört gewiss auch Daniel Richter, und in der kurzweiligen knapp zweistündigen Dokumentation wird vieles davon aufgezeigt: was es heisst für einen zeitgenössischen Maler, sich der weissen Leinwand auszusetzen, wo ein einziger unbedacht ausgeführter Strich die Arbeit von Tagen zunichte macht. Dann gilt es zu übermalen, ausradieren, neu anfangen. Neben dem mythenhaften Sisyphos sitzen dem Maler oft zwei Papageien auf der Schulter wie der Schalk, scheint’s, schauen ihm beim Malen zu. Auch Daniels Freund Jonathan Meese kommt im Film zur Geltung und es würde mich wirklich mal interessieren (Wink mit dem Zaunpfahl), wie eine gestandene Psychoanalytikerin den inzestuösen Mutterkult des erfolgreichen Tausendsassas interpretierte. Die Kunst der Vaterlosen, Schizo-Wege? Zumindest scheint das Reich der Freiheit hier eine neue Nuance zu bekommen, denn nicht alles von Meese ist Käse. Zurück zu Richter: ich kann seine Formsuche gut nachvollziehen und finde seine Bilder, in denen Assoziationen zu Miro, Strawinsky, Punk und Political Art entstehen, höchst ästhetisch. Apropos Strawinsky: allein der Soundtrack dieses Films – was der Daniel so hört beim Malen – ist aller Ehren wert und ich möchte nicht wissen, was diese da Boxen kosten, die zwischen seinen Bildern stehen. Soviel wie das für knapp eine Million Pfund versteigerte fantastische, überdimensionale Bild „Tarifa“ gewiss nicht, das im oberen Bildrand Flüchtlinge im Boot in der spanischen Meerenge bei Gibraltar zeigt. Politik trifft hier auf Kunst – und die so oft auf Kapital. Richter weiss das, er ist links. Ja, was denn sonst!

 

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3 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Tja, wo nimmt man jetzt bloss so schnell eine gestandene Analytikerin her, die auch eine Affinität zur modernen Malerei hat? Über Meese haben wir uns ja hinter dem Knick schon mal ausgetauscht, glitten dann schnell wieder ab zu den Männern mit schweren Mutterbindungsproblemen.

    Zuvörderst: Ich gehe sehr emotional an Malerei ran. Meese ist mir zuviel mit seinen Wimmelbildern, zu überflutend, nah, bedrängend. Die Portraits drohen einem ins Gesicht zu springen, man muss sich durch Gekröse wühlen, um ein paar klare Linien zu finden, sucht ein Bild hinter allzu viel Unruhe. Ein Ablenker, ein Nebelwerfer, der irgendwohin will, aber nicht weiss, ob er da auch wirklich hin will, wohin er unterwegs zu sein vorgibt – Irrgänge, Verkleidungen, wer bin ich überhaupt, was ist meine Identität, ich zeige mich nur in Masken. Und in Schlachtfesten.

    Freie Assoziation meinerseits …
    Was meinst Du?

  2. Jochen:

    Ja, gut getroffen, Ursula.

    Meese ist die Sau, die alles rauslässt – wie der Klient auf dem Heilungsweg bei Alice Miller, der sich in kreativen Schimpfwortkaskaden erging. Ist auch jedem verkopften Hirnfick bei weitem vorzuziehen. Vom Nachahmen anderer ganz zu schweigen. Daniel Richter arbeitet dialektischer, stellt sich in Frage, verwirft Dinge, nimmt Abstand, zähmt, zäunt ein und strukturiert das Chaos. So entsteht Schönheit.

  3. Ursula Mayr:

    Er ist vielfältiger und gestaltet mehr, die Figuren haben Kontur und sind aktiver, eine gelungene Synthese zwischen konkret und doch abstrahiert. Bei Meese ists oft ein Brei.

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