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2024 8 Mrz

Piano kicks (Nat King Cole, Route 66)

von: Anja Sturmat Filed under: Blog | TB | 6 Comments

 

Wieder setzt er an, rasch müssen seine Finger die Tasten aufwärts klettern. Aber dieser verflixte kleine Finger an der rechten Hand macht nicht mit. Verhaspelt sich, kommt nicht auf die Tasten hinunter. Get your kicks: Er hat gute Lust, dieses sch-verf-Klavier mit seiner Fußspitze zu traktieren, es ist so verdammt schwergängig. Stellt sich ihm in den Weg. Was ist nur los: Fingerabspreizen und ähnliche Geziertheiten passen doch überhaupt nicht zu ihm … !

Wenn andere das spielen, klingt es so locker und leicht. So beschwingt. Als ob sich da keiner so recht Mühe zu geben bräuchte, wie um ihn noch extra zu ärgern. Er hat sich das Stück ein paar Male angehört, ja gut, das Tempo schafft er noch nicht, das fordert seinen Ehrgeiz. Mit der Zeit würde er das aber schon knacken. Nur der Rhythmus: Bei ihm klingt es so sperrig, dass es ihn regelrecht schüttelt! Probehalber stemmt er seine Fußspitze nun doch gegen das lackierte Holz des Instruments: Ihr redet euch leicht, ihr Alten, einsame Weiten auf einem kultigen Highway durchqueren, Strecken, die heutzutage garantiert vom Verkehr verstopft sind, und die Inspiration fliegt euch nur so zu! –

Sowas fängt er sich aber gar nicht erst an, die sowieso schon von den Landkarten getilgte Route 66 gen Westen fahren – Und dann womöglich auch noch als Klimaschwein beschimpft werden: Leider ist er überhaupt zu spät auf die Welt gekommen, ein Jammer! Weil auch schon seine Eltern zu spät dran waren und die Großeltern erst recht. Dafür hat er’s jetzt mit einem heutzutage zu tun, in dem es einfach schon alles gibt, was man musikalisch noch erfinden könnte – Und ihm bleibt bloß noch sich damit abzumühen, die Stücke einigermaßen gelungen nachzuspielen.

Missmutig lässt er den Kopf nach vorne sinken, kühlt seine Stirn an dem glatten Holz, das er eben noch hat malträtieren wollen. Wozu das Ganze eigentlich, er ist am Ende, auf den Hund gekommen, genial sind nur die anderen.

Er hievt seinen unwilligen oder unfähigen Körper, wie man’s eben nimmt, aufs Sofa daneben und schließt die Augen. Will einschlafen, alles vergessen, aber er hat keine Ruhe: Die Melodie des Stücks schält sich aus all den Geräuschen in seinem Kopf rücksichtslos heraus. Mit einer Bestimmtheit, die ihn aufrüttelt, darappbapbap-bapbapbamm! Darappbapbap-bapbapbamm! – Wie klingt das denn jetzt? Hat er das so schon einmal gehört? –

 

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6 Comments

  1. Jochen:

    Arbeiten am Widerstand.

  2. Ursula Mayr:

    Eigene Erfahrung?

  3. Jochen:

    Der Trick: die Latte niedriger legen.

  4. Ursula Mayr:

    Und genau das ist ein schwieriger Prozess! Aber passt gut zu dem Film, den ich nächstens besprechen möchte und den wir uns im April in Übersee angucken werden, Anja. Das Sich-Messen an einem Genie! Und nicht damit aufhören können, es zu einer Obsession werden lassen.

  5. Anonymous:

    Ich denke, auch Genies kennen solche Zustände wie oben beschrieben.

    Oder gerade Genies.

  6. Ursula Mayr:

    Empfehlenswertes Buch von Wolfgang Schmidbauer: Die Destruktivität von Idealen.

    Oldie but Goodie …


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