Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2023 9 Sep

To be a gipsy for one day

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Die Freiheit, frei zu sein

Hannah Arendt

 
 

Ich stehe am Ufer vom Plattensee, genauer in Balatonalmadi, da wo die Lehrstuhlnachfolgerin von Hannah Arendt, Agnès Heller, ins Wasser ging und vom Schwimmen nicht mehr zurückkehrte. 2019, Sie war 90 Jahre alt. Diese Philosophin war eine laute Stimme gegen Viktor Orban, den sie furchtlos der Lügen bezichtigte. Ich hörte dieser energischen Frau sehr gern zu. Solche kämpferischen Stimmen bräuchte es dringend.

Hier am Balaton bin ich aber nicht wegen der Philosophie, sondern wegen des Balkan:Most Projektes. Es findet in Veszprem statt. Das Städtchen (50000 Einwohner) ist u.a. zur europäischen Kulturhauptstadt ausgezeichnet worden. In Veszprem treffen sich natürlich hauptsächlich die Völker der Balkanländer, aber auch Kulturinteressierte aus dem Westen sind hier. Veczprem ist der Hammer! Die Stadt liegt nur 2,5 Stunden Bahnfahrt südwestlich von Budapest entfernt. Sie erstreckt sich auf 5 Hügeln in grüner Landschaft. Im Festivalprogramm steht, man soll zur Burg hinaufgehen, wenn man auch die dritte Bühne der Balkan:Most mitnehmen will. Aber da gibt es keine Burg, dafür einen Augenschmaus an Barock und Jugendstil. So, forget the castle

 
 
 


 
 
 

Natürlich ist es ein sinnliches Erlebnis, hier in Ungarn Balkanmusik zu hören. Hier treten die besten Musiker aus Ungarn, Rumänien, Serbien, Mazedonien, Albanien, also hier rollt/rockt der gesamte Balkanmusikexpress. Auf den Konzerten ist ausgelassene Stimmung. Alle Konzerte sind frei. Das tolle Wetter auch.

 
 
 


 
 
 

Ich habe hier alte, vergessene Lieder aus Albanien gehört von DINA E MEL. Stolze Mazedonier Loblieder auf ihre Stadt Skopje gehört von der Band BAKLAVA. Ein feines Duo aus den bulgarischen Bergen. Die FYING NOMADS verwenden in ihren Kompositionen Geräusche aus der Natur. Eine einzige Hommage an Mother Earth.Die serbische Band NAKED versetzt das Publikum in emotionale Wechselbäder. Von tieftraurig bis fröhlich ist alles dabei. Neben den südosteuropäischen Musikern treten auch Bands aus dem Westen auf. Gestern Abend brachte die französische Band LA CARAVANE PASSE das Städtchen zum Wackeln. Alle tanzten.

Heute Abend spielt zum Abschied MANU CHAO. Auf ihn freue ich mich sehr. Hoffentlich überrascht er mich nicht so wie DANIELE SEPE, den ich noch als neapolitanischen Protestsänger in Erinnerung habe. Er spielte ausschließlich am Saxophon. Aber au net schlecht.

Das Balkan:Most Projekt wird von Womex unterstützt, was ja für die Musiker vom Balkan eine tolle Gelegenheit ist, sich neu zu vernetzen. Die Konzerte sind wie gesagt frei, auch die Bahn ist für Ältere umsonst. Von den Leuten, mit denen ich gesprochen habe, erfuhr ich, dass sie Ungarn lieber verlassen würden. „Orban ist ein Diktator, aber Ungarn ist keine Diktatur“, sagte Agnès Heller über ihr Land.

Next Stop: … da wo die wilden Donau-Schwaben wohnen …

 

This entry was posted on Samstag, 9. September 2023 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. You can leave a response here. Pinging is currently not allowed.

4 Comments

  1. Jochen:

    Viel Spass beim Manu Chao Konzert.

    Von Agnès Heller habe ich noch nie gehört. Wen und was du alles kennst, ist immer wieder erstaunlich. Und das sind ja gestochen scharfe Fotos …

  2. Lajla:

    Reisen bildet 😂

  3. Alex:

    sehr interessant. die idee, einfach rauszuschwimmen, wenn ich soweit bin, habe ich seit über 40 jahren. am besten im meer bei flut kurz bevor die ebbe einsetzt. einfach so lange rausschwimmen bis ich nicht mehr kann und es nicht mehr zurück schaffe. ich glaube das ist sehr schwierig. jack london hat es versucht in der san francisco bay, glaube ich. er schreibt davon in „john barleycorn“. dass agnes heller das mit 90 gemacht hat, finde ich unglaublich beeindruckend. eine andere frage. wie finanziert sich dieses festival? sicher nicht durch orban, oder? mit eu-geldern?

  4. Lajla:

    Co-Finanzator ist die EU, die Hauptgelder fließen aus der Hangvetö, der ungarischen Musikindustrie und von Womex.

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