Geht’s noch?
Nein, es geht nicht, ging noch nie, irgendwie. Bei Lars von Trier geht’s, bei Fassbinder ging’s noch nie so gut. Ich habe also nachgeladen: Teil 2 über Regisseure, die ich nicht mag. Dann besteht die Gefahr, dass man ihre Filme auch nicht mag oder gar nicht erst versteht oder sich gar nicht drum bemüht. Auch wieder schade, aber mach was dran!
Lars von Trier und Fassbinder sind beide Antipathen, aber bei letzterem fällt mir Verschiedenes schwerer auszuhalten, die Portion Selbstmitleid und Weinerlichkeit ohne jegliche ironische Brechung, der Versuch Klischees darzustellen und dabei selbst in gesellschaftskritisch sein sollende Klischees zu verfallen und vor allem die mangelnde selbstreflexive Distanz; das Bespeien der Nachkriegsgesellschaft aus dem Abgrund der eigenen Kraterpersönlichkeit heraus und das Dauergejammer nach Liebe (Warum läuft Herr R. Amok?), mit der er letztlich nichts anfangen konnte, obwohl sie ihm von vielen zugetragen wurde. Er lebte zeitlebens mit der Mama in der Wohnung und Mama kreuzte auch am Drehort mit der Gulaschkanone auf, um das Team durchzufüttern, eine Magensonde im Dauerbetrieb. Der Freigeist war in Wirklichkeit ein unabgelöster Käfigtiger und mit Muttersöhnen muss frau vorsichtig sein – eine wirklich glückliche Beziehung hat er nicht gebacken bekommen, darüber mährte er sich in einem überdauernden Es-geht-nicht (das sich bei vielen Muttersöhnen findet) in seinen Filmen aus, die er im Halbjahrestakt auf das Publikum abschoss. Manchmal geht’s halt eben doch, bei ihm eben nicht, irgendwann sollte man das auch mal einsehen. Wie Elvis Presley (der den ersten Song seiner Mama widmete – Thats alright Mama, everything you do) endete er als Sack, ernährte sich von Pillen und verstarb in den hellen Dreissigern. Seine sogenannten Frauenfilme waren ein Anbiedern an die Frauenbewegung, das war damals comme il faut, ohne das ging’s nicht, (die Revoluzzerzeit hatte genauso strenge Regeln wie diejenigen, gegen die sie revoltierte, man muss sich nur einmal die Szeneklamotten anschauen – da findet man das grösste Uniformlager der Welt mit Jeans, Khaki-Parkas, US-Schlafsäcken und Palästinensertüchern. Als ich mal im Dirndl 1975 in die Uni ging, machte man sich ernsthaft Sorgen um meine seelische Gesundheit. Alte Jeans, T- Shirts und Turnschuhe, im Sommer vielleicht noch’n Herrenunterhemd, aber nur für die Mädels, sonst warste draussen in der Szene). Soviel zum Sprengen aller Grenzen und Freiheit für alle. I wasn’t born to follow …
In Wirklichkeit konnte er mit Frauen nichts anfangen und wenn er sie im Fang hatte, quälte er sie wie der schlimmste 50-er-Jahre-Familienmacho, den er dann in seinen Filmen wieder projektiv verprügeln konnte. Dabei hatte der Bursche durchaus Talent zu erzählen und in Bilder und Tableaus umzusetzen, Narrative gelangen ihm besser als Satiren, Parabeln und Gesellschaftskritik, Berlin Alexanderplatz war ein guter Wurf, ebenso Die Ehe der Maria Braun, wobei die Differenziertheit der Figurenzeichnung immer etwas zu wünschen übrig lässt. Effie Briest kann sich auch sehen lassen, wobei man der „Gullaschy“, wie wir sie immer nennen, öfter ein „Hallo wach!“ zurufen möchte. Oder einen Espresso hinstellen. Die Kälte des Menschen und die Kälte der Welt konnte er gut darstellen, weil sie auch in ihm selbst wohnte, darunter brodelte es. Die Filme waren die Überdruckventile für den eigenen Dampfkessel, da gab es eine Not loszuwerden – eine Form der Affektabfuhr in einer unverarbeiteten Form, die ich bei LvT so nicht finde. Der hat seine Sachen durchgearbeitet, vorverdaut und in verarbeiteter Form von sich gegeben, hat sich selbst weitgehend verstanden und die nötige professionelle Distanz zu Protagonist und Geschehen. LvT stellt dar und schildert, Fassbinder übergibt sich. Bei wenigen Filmen – wozu ich Alexanderplatz zähle, war ihm anscheinend gerade mal nicht schlecht. Bei Angst essen Seele auf übergibt sich dann auch noch der Zuschauer.