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2023 3 Sep

Geht’s noch? – zum Zweiten

von: Ursula Mayr Filed under: Blog | TB | 27 Comments

 
 

Geht’s noch?

Nein, es geht nicht, ging noch nie, irgendwie. Bei Lars von Trier geht’s, bei Fassbinder ging’s noch nie so gut. Ich habe also nachgeladen: Teil 2 über Regisseure, die ich nicht mag. Dann besteht die Gefahr, dass man ihre Filme auch nicht mag oder gar nicht erst versteht oder sich gar nicht drum bemüht. Auch wieder schade, aber mach was dran!

Lars von Trier und Fassbinder sind beide Antipathen, aber bei letzterem fällt mir Verschiedenes schwerer auszuhalten, die Portion Selbstmitleid und Weinerlichkeit ohne jegliche ironische Brechung, der Versuch Klischees darzustellen und dabei selbst in gesellschaftskritisch sein sollende Klischees zu verfallen und vor allem die mangelnde selbstreflexive  Distanz; das Bespeien der Nachkriegsgesellschaft aus dem Abgrund der eigenen Kraterpersönlichkeit heraus und das Dauergejammer nach Liebe (Warum läuft Herr R. Amok?), mit der er letztlich nichts anfangen konnte, obwohl sie ihm von vielen zugetragen wurde. Er lebte zeitlebens mit der Mama in der Wohnung und Mama kreuzte auch am Drehort mit der Gulaschkanone auf, um das Team durchzufüttern, eine Magensonde im Dauerbetrieb. Der Freigeist war in Wirklichkeit ein unabgelöster Käfigtiger und mit Muttersöhnen muss frau vorsichtig sein – eine wirklich glückliche Beziehung hat er nicht gebacken bekommen, darüber mährte er sich in einem überdauernden Es-geht-nicht (das sich bei vielen Muttersöhnen findet) in seinen Filmen aus, die er im Halbjahrestakt auf das Publikum abschoss. Manchmal geht’s halt eben doch, bei ihm eben nicht, irgendwann sollte man das auch mal einsehen. Wie Elvis Presley (der den ersten Song seiner Mama widmete – Thats alright Mama, everything you do) endete er als Sack, ernährte sich von Pillen und verstarb in den hellen Dreissigern. Seine sogenannten Frauenfilme waren ein Anbiedern an die Frauenbewegung, das war damals comme il faut, ohne das ging’s nicht, (die Revoluzzerzeit hatte genauso strenge Regeln wie diejenigen, gegen die sie revoltierte, man muss sich nur einmal die Szeneklamotten anschauen – da findet man das grösste Uniformlager der Welt mit Jeans, Khaki-Parkas, US-Schlafsäcken und Palästinensertüchern. Als ich mal im Dirndl 1975 in die Uni ging, machte man sich ernsthaft Sorgen um meine seelische Gesundheit. Alte Jeans, T- Shirts und Turnschuhe, im Sommer vielleicht noch’n Herrenunterhemd, aber nur für die Mädels, sonst warste draussen in der Szene). Soviel zum Sprengen aller Grenzen und Freiheit für alle. I wasn’t born to follow …

In Wirklichkeit konnte er mit Frauen nichts anfangen und wenn er sie im Fang hatte, quälte er sie wie der schlimmste 50-er-Jahre-Familienmacho, den er dann in seinen Filmen wieder projektiv verprügeln konnte. Dabei hatte der Bursche durchaus Talent zu erzählen und in Bilder und Tableaus umzusetzen, Narrative gelangen ihm besser als Satiren, Parabeln und Gesellschaftskritik, Berlin Alexanderplatz war ein guter Wurf, ebenso Die Ehe der Maria Braun, wobei die Differenziertheit der Figurenzeichnung immer etwas zu wünschen übrig lässt. Effie Briest kann sich auch sehen lassen, wobei man der „Gullaschy“, wie wir sie immer nennen, öfter ein „Hallo wach!“ zurufen möchte. Oder einen Espresso hinstellen. Die Kälte des Menschen und die Kälte der Welt konnte er gut darstellen, weil sie auch in ihm selbst wohnte, darunter brodelte es. Die Filme waren die Überdruckventile für den eigenen Dampfkessel, da gab es eine Not loszuwerden – eine Form der Affektabfuhr in einer unverarbeiteten Form, die ich bei LvT so nicht finde. Der hat seine Sachen durchgearbeitet, vorverdaut und in verarbeiteter Form von sich gegeben, hat sich selbst weitgehend verstanden und die nötige professionelle Distanz zu Protagonist und Geschehen. LvT stellt dar und schildert, Fassbinder übergibt sich. Bei wenigen Filmen – wozu ich Alexanderplatz zähle, war ihm anscheinend gerade mal nicht schlecht. Bei Angst essen Seele auf übergibt sich dann auch noch der Zuschauer.

 

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27 Comments

  1. Martina Weber:

    Mir geht es wie dir, Uschi: Die Filme des Lars von Trier entwickeln einen Sog, aber Fassbinder geht gar nicht. Als ich in Freiburg studiert habe, habe ich in der Nähe des Kommunalen Kinos gewohnt, das im alten Wiehrer Bahnhof war. Ich war damals oft im Kino, und u.a. gab es eine Fassbinder-Retrospektive. Da habe ich einige Filme gesehen, weil ich dachte, es wäre subversiv, das zu tun. Es war aber schrecklich. Ich erinnere mich ziemlich genau an „Angst essen Seele auf“.

  2. Jörg R.:

    Ein arger Verriss, Uschi.

    Aber ich habe auch nicht verstanden, warum man den damals so hochgejubelt hat. Der hatte nicht mal Charisma.

  3. Lajla:

    In der Kunstgeschichte gibt es viele Beispiele von Müttern, die ihre talentierten Söhne unterstützten. Sie waren Buchhalterinnen, Organisatorinnen, Haushälterinnen etc. Sie hielten den Künstlern den Rücken frei. Jonathan Meese hat seine Mutter immer dabei. Ich fragte ihn mal auf einer Ausstellung, ob ihm die Anwesenheit seiner Mutter angesichts seiner obszön gezeigten Werke nicht unangenehm sei. Er legte den Arm um mich und sagte: seine Mutter hätte Nietzsche verstanden.

  4. Jochen:

    Uschis Texte lese ich sehr gerne.

    Mir ist auch jeder willkommen, der das Kritische an Mutter-Sohn-Symbiosen expliziert. Selbst Sloterdijk meinte mal, bei vielen würde sich die Mutter als Geliebte in das Leben des Sohnes einschleichen:

    „Mir scheint jetzt, dass die Mütter unter allen Umständen der Begleitdämon Nummer eins sind, sie gehen unglaublich weit mit ihren Verfolgungen und schrecken nicht davor zurück, die Manieren einer Geliebten anzunehmen, um sich in die Sehnsüchte der Söhne einzuschleichen.“

    (PS, Der Zauberbaum)

  5. Alex:

    Ich habe damals Angst essen Seele auf bei der Bundeswehr(!) gesehen, das haben sie uns da als Lückenfüller – da ist wohl irgendetwas im Dienstplan ausgefallen – als Video gezeigt. Das muss wohl ein politisch-moralisch wertvoller Film sein. Interessant da ja auch die Ehe des jungen Schwarzen mit der um viele Jahre älteren, weißen Frau. Auch so eine Art Mutter-Sohn-Beziehung.

  6. Lajla:

    Proust, Barthes, Handke, Sloterdijk … hatten sehr enge Beziehungen zu ihren unterstützenden Müttern und lebten zum Teil lange mit ihnen.

    “Angst essen Seele auf“ ist ein Vorzeigefilm für die moralisch wertende Gesellschaft und vollkommen zeitlos. Ich verehre Fassbinder als großen Filmmeister.

  7. Ursula Mayr:

    Unterstützende Mütter sind was Feines und dagegen ist nichts zu sagen. Ob es so autonomiefördernd ist, das ganze Leben von der Mutter den Rücken freigehalten zu kriegen, steht auf einem anderem Blatt. Für mich wäre das nix! Gemeint ist mit „Muttersohn“ aber ein in einer Beziehung festgeschmiedeter Mann, gehalten von einer oft alleinstehenden unerfüllten Frau, die ihre gesamte unerfüllte Libido und ihre unausgelebten Grössenphantasien um den Sohn herumwickelt, der nun die Aufgabe hat, ein schwarzes Loch zu füllen. Ich meine jetzt das im Weltraum.

    Dazu das völlige Fehlen eines Dritten – muss jetzt nicht zwingend der Vater sein – der allein durch sein Dasein Grenzen vermittelt, für die Füllung des schwarzen Loches sorgt, das Kind in seinem Alleinvertretungsanspruch an die Mutter begrenzt und dadurch kindliche Prinzenphantasien gesundschrumpft. Und es lehrt mit Teilen, Eifersucht, Rivalität etc umzugehen. So leider nicht geschehen bei Hitler, Stalin, Lenin, ich fürchte auch bei Putin und in weniger aggressiver Form bei vielen Künstlern, Rilke, Hölderlin, natürlich Elvis …

    Nietzsche hockte lebenslang bei Mama und Schwester und liess sich betütteln, phantasierte vom Übermenschen und fiel irgendwann vor lauter Sehnsucht nach kraftvoller Männlichkeit einem Reiterstandbild um den Hals und heulte. Und phantasierte von der Peitsche für die Frauen – aber wer das hat, was für Frauen gedacht ist, braucht eigentlich keine Peitsche mehr, oder?

    Und wenn eine Mutter den verstanden hat, ist das jetzt nicht unbedingt eine positive Aussage über diese Frau, die vermutlich etwas anderes gesagt hätte, wenn sie denn selbst hätte reden dürfen. Bestimmt etwas weniger elitäre Bildungskackerei.

    Ich empfehle einmal das Gedicht von Rilke „Weh, meine Mutter reisst mich ein“ zu lesen. Da kommt die Not dieser Männer rüber …

  8. Jochen:

    Halleluja, Uschi – du hast es auf den Punkt gebracht.

    Mit der Glucken-Mutter unter der Mutterdunst-Glocke – so tät ich’s nennen ;)

    Meeses Kunst ist für mich indifferente Mutterdunst-Kacke.

  9. Ursula Mayr:

    Wie kommst Du auf Mutterdunstkacke? Würde mich interessieren.

    Angst essen Seele auf mag ja gut gemeint sein, aber eine derart geistesschlichte Form von Gesellschaftskritik in Form einer Schmonzette ist eher was für die Schülerzeitung.

    Ich war damals wohl zu sehr von der Lach-und-Schiess-Gesellschaft infiziert – da hätte der Herr, um den es geht, was lernen können.

  10. Jochen:

    Schau dir mal Meeses Kunst an, Ursula.

    Das ist Durchfall. Amorphe Pampe. Dazu passt sein penetranter Redefluss. Dass er Hitler mag, weil notorisch zwanghaft imitierend, passt. Wahlverwandschaft.

    Mit Meese könnte ich nicht kommunizieren, sorry. Da würde ich ja bloss mit dem Wurmfortsatz seiner Mutter sprechen. Failed individuation.

    Es muss nicht der leibliche Vater sein, vielleicht reicht schon die internalisierte Fähigkeit zu Selbst-Begrenzung und -Kritik: es ist nicht alles super, was Muttis Prinz so raushaut.

    Ich mag Dialektik, Abstandnahme, kritisches Bewusstsein; Byung-Chul Hans Lob des Vermögens, Dinge zum Abschluss zu bringen. Verballhornung ist mir zuwider.

    Bei Meese hört nichts auf: no limitations and no changes.

  11. Lajla:

    Kleine Korrektur Uschi: Nietzsche war bereits mit 24 Jahren Professor in Basel. Als es ihm zu anstrengend wurde, reiste er in Gebiete, in denen er einigermaßen leben konnte. Sils Maria zum Beispiel. Erst als er mit Mitte 40 dem Wahn anheim fiel, kümmerten sich Mutter und Schwester um ihn.

  12. Ursula Mayr:

    Er ist nicht unbegabt, aber vieles erinnert auch an Kinderkritzeleien.

    Im Moment stehe ich noch unter der Aura des Rilke-Gedichts und da sind mir die Bilder too much, es sind ja fast alles Gesichter in der Totalen – das bedrängt, kommt zu nahe, verletzt Grenzen, überrennt die Abwehr, stürzt in einen hinein und füllt einen mit grausigen Bildern – weh, meine Mutter reisst mich ein. Muss ich morgen nochmal gucken.

  13. Jochen:

    Vielleicht noch dies zum (versöhnlichen) Abschluss: Kunst ist für mich ein faszinierendes Feld und auch Meese hat sicher seinen Platz darin. Ich habe sowieso einen Heiden-Respekt vor jedem kreativen Output: vor dem, was jemand auf’s Tablett bringt.

    (werde beizeiten dieses Rilke-Gedicht lesen)

  14. Jochen:

    Habs jetzt gelesen.

    Vielleicht ist Meeses Kunst ja unbewusste Abwehr gegen die totalitäre Mutterpräsenz, als Gegen-Totalität. „Reiss mir den Himmel ein“ heisst Übergriffigkeit und Vereinnahmung – bei gleichzeitig kalter Unnahbarkeit (fernab bei ihrem Christus).

    „Meine Mutter kam nach Rom und ist noch hier. Ich sehe sie nur selten, aber – Du weißt es – jede Begegnung mit ihr ist eine Art Rückfall (…) Wenn ich diese verlorene, unwirkliche, mit nichts zusammenhängende Frau, die nicht alt werden kann, sehen muss, dann fühle ich, wie ich schon als Kind von ihr fortgestrebt habe, und fürchte tief in mir, dass ich, nach Jahren und Jahren Laufens und Gehens, immer noch nicht fern genug von ihr bin, dass ich innerlich irgendwo noch Bewegungen habe, die die andere Hälfte ihrer verkümmerten Gebärden sind, Stücke von Erinnerungen, die sie zerschlagen in sich herumträgt; dann graut mir vor ihrer zerstreuten Frömmigkeit, vor ihrem eigensinnigen Glauben, vor allem diesem Verzerrten und Entstellten, daran sie sich gehängt hat, selber leer wie ein Kleid, gespenstisch und schrecklich. Und dass ich doch ihr Kind bin …“

    (Rilke)

  15. Ursula Mayr:

    Ein schöner Text, besser kann mans kaum ausdrücken. Er hat die Beziehung reflektiert, das bewahrte ihn vielleicht davor krank zu werden – wie der bedauernswerte Hölderlin, der einer ähnlich übergriffigen Dame entspross, und von da an in seinen Gedichten immer zum Himmel stürmte und sich dort mit der Geliebten vereinigte, weils auf Erden nun mal nicht ging – und nicht nur, weil die Dame verheiratet war. Man kann gar nicht weit genug weg sein.

  16. Ursula Mayr:

    Lajla: Ja, ich weiss von der Professur in Basel, da war er mal 10 Jahre weg. Danach begann ein gewisses Irrlichtern, wie ich seine Reisen empfunden habe. Ich schätze Nietzsche sehr in seiner Funktion als Dichter, er hat eine Kraft der Sprache die man selten findet und die mir vor allem in der neueren Literatur oft fehlt.

    Die Philosophie ist mir zu aufgeblasen, zuviel Bombastik, Phallokratik, Getöse das inhaltlich nicht gefüllt werden kann; das ertrüge ich nicht mal wenns von einer Frau käme, allerdings neigen die da weniger zu dergleichen, selbst Frau Schwarzer nicht wenn sie mal wieder durch die Medien tobt.

  17. Lajla:

    Irrlichtern? Aber nein Uschi. Nietzsche verbrachte 8 Jahre hintereinander wandernd und schreibend die Sommer in Sils, weil er herausfand, dass ihm dieses Klima besonders guttat. Im Winter hielt er sich dann in der Turiner Gegend auf. Nietzsche schrieb meiner Meinung nach das beste Deutsch, das es in unserer Sprache gibt. Die Silser Gegend ist sehr inspirierend, der tiefe See und die Tausender drumherum. Jahrelang kehrte ich jedes Jahr im Herbst im Nietzsche Haus ein, wohnte über seinem Zimmer, wanderte auf seinen Wegen. Dort hat er die besten Sachen geschrieben, wie z. B. Zarathustra. Nietzsche komponierte ja auch. Mit Lou Salomé hat er ein Werk über Freundschaft komponiert. Die Noten hängen dort an der Wand.

    Hölderlin hat sich früh von seiner frommen Mutter entfernt. Er erfüllte ihr nicht den Wunsch, Pfarrer zu werden. Als Hauslehrer verliebte er sich unglücklich, aber sein Geist stand über diesen weltlichen Emotionen. „Komm ins Offene“ – damit ist das Schöne erkennend gemeint. Safranski hat ein liebevolles Buch ihm zu Ehren darüber geschrieben. Dass Hölderlin so viele Briefe an seine beleidigte Mutter schrieb, war reines Pflichtgefühl, aber auch bitten um existenzielle Hilfe. Die Briefe, die er ihr später aus dem Turm schrieb, kann man im Marbacher Literatur Archiv nachlesen. Mich machten sie sehr traurig. Hölderlins Mutter beantwortete sie nie und sie besuchte ihn auch nie im Turm in Tübingen.

  18. Ursula Mayr:

    Hier muss man zwischen der äusseren und der inneren Mutter unterscheiden – auch bei früher Trennung von der Mutter kann sie als innere Imago – und die bildet sich ja vom Tage Null der menschlichen Entwicklung an – doch weiter wirksam sein. Das steht ja sehr schön im Rilke-Text – immer präsent, sowohl in ihrem Ernährungs- als auch in ihrem Zerstörungspotential oder in den Defiziten, die sie hinterlassen hat. Und Nietzsche war ein Getriebener, das zwischenzeitliche Geniessen und Ruhe-Finden ändert das nicht und seine Texte spiegeln seine Rastlosigkeit. Und ob Hölderlin im Hause Gontard wirklich nur Gedichte an Diotima geschrieben hat, bezweifle ich sehr.

    Mit solchen Verklärungen betrügt man sich gern selbst, wobei er sicher ein anständiger Kerl war und darauf verzichtet hat, seine Chefin zu verführen – Goethe hätts wahrscheinlich gemacht. Aber ich denke schon – wenn ich so profan sein darf – dass er nächtens im Hause Gontard schon auch öfter mal tüchtig Hand an sich gelegt hat. Ich hoffe zumindest dass er soviel Mann war und nicht nur Olympgespenst. Dem Körper muss auch Rechnung getragen werden, wenn man nicht krank werden will. Vor seiner Erkrankung hat ihn seine Mutter brieflich schon auch sehr gelockt, wieder zurückzukommen, das mag grosse Ängste ausgelöst haben. Und letztlich ist er ja ebenso wie Nietzsche am Ende verrückt geworden, wobei dann von den Biographen dann immer an der Syphilis-Legende gestrickt wird.

  19. Lajla:

    Wir wissen, dass Nietzsche denselben Arzt wie Richard Wagner hatte. Dieser verriet ihm die Krankheit (Syphilis) von Nietzsche. Daraufhin brach Nietzsche jeglichen Kontakt zu Wagner ab.

    Von einer inneren und äußeren Mutter habe ich noch nie was gehört. Bin ja auch fachfremd :)

  20. Ursula Mayr:

    Na, Du wirst doch ein inneres Bild Deiner Mutter haben?

    Wenn man ein Baby ist, erlebt man die Mutter als Quelle allen Wohlbefindens, die alles Leiden wegnehmen kann. Allerdings auch zufügen. Da ist sie eine grosse allmächtige Zauberin, zum Guten wie zum Bösen. Bild bleibt gespeichert, kommt unter Bedingungen wie Träume, Psychosen oder in der Kunst primitiver Völker – Muttergottheiten – wieder. Kind kommt in die Trotzphase – Mutter wird realistischer wahrgenommen, ist gesundgeschrumpft, man kann mit ihr kämpfen, ihr etwas entgegensetzen, leider hat sie meist den längeren Hebel. Mutter als etwas zu Bekämpfendes und Überwindendes.

    Bild abgespeichert. Dann kommt die sexuelle Entwicklung. Kann man jetzt durch alle Entwicklungsphasen durch deklinieren, wenns gut läuft, kommen wir zu einem realistischen Bild der Frau, wie sie wirklich ist, je nachdem wie gut unsere Realitätswahrnehmung ist. Die frühen Bilder bleiben trotzdem erhalten, sozusagen im Zwischenspeicher – viele Mutterbilder in uns, die in bestimmten Situationen auch reaktiviert werden können. In der Analyse macht man sich das zunutze, durch die relativ regressive Position auf der Couch kommen die grossen Zauberinnen schnell anmarschiert.

  21. Jochen:

    Als der grossartige Autor und Moderator Roger Willemsen gefragt wurde, ob er Mutterliebe erfahren habe, antwortete er: „Ja schon, aber der Preis dafür war zu hoch.“

    Damit meinte er: die Liebe war an Bedingungen geknüpft.

    Ich vermute, dass Mutterliebe eine andere Qualität haben kann (nicht muss), wenn die Mutter ein selbstbestimmtes, souveränes Leben führte, ihre Erfahrung von Freiheit also auch dem Kind vermittelt. Unter patriarchalen Bedingungen schwerlich möglich.

  22. Ursula Mayr:

    Das war ein Problem der gutbürgerlichen Gesellschaft, in der die Frauen nicht erwerbstätig sein durften, sondern auf die Tätigkeit als Hausfrau und Mutter reduziert wurden, oft noch mit Personal. Die Männer gingen ihrer Arbeit nach und bewegten sich in Männergesellschaften, da war die Unerfülltheit gross. Und dann kam ein Sohn …

  23. Jochen:

    … und der wusste nicht, wie ihm geschah.

  24. Alex:

    Nietzsche als Muttersöhnchen? Sicher ein reizvoller Gedanke, aber wie Lajla schon schrieb, kaum von der Realität gedeckt. Er kehrte am Ende zu ihr zurück, das ist richtig, aber da war er ja nicht mehr Herr seiner selbst. Sicher war das für sie eine Genugtuung, dass er den Absprung von ihr am Ende nicht geschafft hat, aber das hat ja weniger mit ihm zu tun. Dass er hinter einer der intelligentesten und emanzipiertesten Frauen der damaligen Zeit her war (Lou), beweist für mich, dass er auf der Suche nach einer Beziehung auf Augenhöhe wie man heute so schön sagt, war und spricht nicht für das Muttersöhnchen. Jemand anderes, der hier eher reingehört ist Kerouac, der sich nie aus den Fängen seiner Mutter lösen konnte.

  25. Ursula Mayr:

    Da missverstehen wir uns jetzt – aber das ist mein Fehler, da hätte ich eine Begriffsklärung anfügen sollen. Der Begriff Muttersöhnchen ist ja bekannt – verwöhnte Weicheier im Hotel Mama. Mit Muttersöhnen sind Männer gemeint, die bestimmte Entwicklungsschritte nicht vollziehen konnten, weil sie von der Mutter rekrutiert und in der Symbiose gehalten wurden, vor allem in ihren kindlichen Grössenphantasien und Prinzenwünschen nicht gesundgeschrumpft. Das bleibt auch wenn die Mutter tot ist. Das können nach aussen hin durchaus erfolgreiche Männer und sogar harte Hunde sein und sogar Staatsmänner und auch Frauenbeziehungen haben, die allerdings meist nicht glücklich enden oder nicht lange dauern, aber wenn man sich dann die Innenwelten und die Beziehungsdynamiken betrachtet, was ja bei Schriftstellern und Philosophen gut geht, dann kommts raus. Gibt natürlich auch Überschneidungen zwischen Söhnchen und Sohn, klar. Im Moment bin ich an Putin dran, da gibts leider noch keine Bio.

  26. Alex:

    Na gut, danke für die Aufklärung, ich hatte da nicht differenziert. Dann eben Muttersohn statt -söhnchen. Das passt trotzdem nicht auf Nietzsche. Er hat sich evtl. gelegentlich betütteln lassen von seiner Mutter, aber er hat nach der Kindheit und vor der Umnachtumg weder viel Zeit mit ihr verbracht noch glaube ich, dass sie ihn verstanden hat. Da irrt Meese. Sie war eine Pfarrersfrau und ist das geistig-seelisch auch geblieben nach dem Tod ihres Mannes. Die schreckliche Schwester allerdings war von anderem Kaliber. Darüber können wir ja gerne mal beim nächsten Mana-Treffen sprechen, so es denn kommt.

  27. Ursula Mayr:

    Das machen wir. Kommt drauf an wo es stattfindet – bin nicht mehr sehr mobil.
    Das ist allerdings grad eine Eigenschaft von diesen Müttern – dass sie NICHT verstehen. Diese Symbiosen sind destruktiv.


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