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2023 28 Jun

Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 10 Comments

 

Ab dem 29. Juni finden die diesjährigen Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt (und auf 3sat) statt. Es lesen zwölf Autorinnen und Autoren. Hier ist der Link zur Lesereihenfolge, und hier der Link zu den Filmportraits. Die Texte werden nach den jeweiligen Lesungen online gestellt.

 

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10 Comments

  1. Lajla:

    Danke Martina. Ich habe mich in den letzten Wochen viel mit Ingeborg Bachmann beschäftigt. Was für ein Dramababy sie doch war. Traurig. Vielleicht schreibt ja mal jemand über sie etwas Originelles.

  2. Jan Reetze:

    Einfach ist sie nicht. Manche ihrer Gedichte wirken auf mich heute etwas angestaubt. Aber es gibt dann doch Texte wie “Das dreißigste Jahr” oder den Essay, aus dem der legendäre Satz “Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar” stammt. Ich finde auch ihre Hörspiele sehr faszinierend, “Der gute Gott von Manhattan” — was für eine Liebesgeschichte. Oder “Ein Geschäft mit Träumen” — man kann sich darin verlieren, auch wenn es heute ein wenig altmodisch sein mag.
    Sie konnte übrigens auch heiter, wenn es sein musste. Ihre Co-Autorenschaft an der “Radio-Familie” des damaligen Wiener Senders Rot-Weiß-Rot zeigt es, eine Art Radio-Soap.

  3. Martina Weber:

    Eben habe ich die Lesung von Martin Piekar gehört. Dass Martin eine Rampensau ist, unglaublich intelligent und authentisch, weiß ich. Diese Lesung war einfach der Hammer, ein Event vom ersten Satz bis zum letzten. Habe ich je eine lebendigere Lesung gehört? Einmal gab es eine Art Urschrei im Text. Einfach nur wow.

  4. Lajla:

    Die Gedichte von der Bachmann sind das Beste, was wir an deutschsprachigen Gedichten haben. “Undine geht” und “Erklär mir Liebe” sind meine Lieblingsgedichte. Mit ihrer Prosa/ Roman “Malina” konnte ich auch nicht warmwerden. Das dicke Buch “Wir haben es nicht gutgemacht” enthält den Briefwechsel zwischen Max Frisch und ihr. Ich fand es sehr aufschlussreich. Sie erscheint mir darin wie ein Eisklotz, der nicht zu fassen ist. Die Beziehung zu Hense scheint tatsächlich die einzige Möglichkeit für eine längere Freundschaft gewesen zu sein. Die Gedichte, die Paul Celan für sie geschrieben hat, sind von großer sprachlichen Schönheit.

  5. Jochen:

    „Ingeborg Bachmann – Vom Unerhörten im Alltäglichen“ (3Sat Mediathek)

  6. Martina Weber:

    Hier ist das Ergebnis des Wettbewerbs:
    https://bachmannpreis.orf.at/stories/3214119/

    Und über diesen Link findet sich die gesamte Veranstaltung, mit allen Lesungen und allen Jurydiskussionen:
    https://bachmannpreis.orf.at/stories/ondemand/

  7. Alex:

    Mir ist ziemlich schleierhaft, wie der Text über den akribisch putzenden Mann gewinnen konnte. Eine sehr gute, detaillierte Beschreibung ohne Frage, aber strunzlangweilig und auch irrelevant. Die ersten beiden Plätze hätten die Positionen tauschen müssen. Der Text über den Jungen, der zusammengeschlagen wird, weil er sich Gesichter nicht merken kann und der sich in seine Opferrolle fügt war m. E. viel tiefer und virtuoser geschrieben als der Gewinnertext. Was auch dämlich war, dass ein Text zwei Preise bekam. Da waren genug sehr gute Texte, die auch Preise verdient gehabt hätten. Z. B. der über die tiny houses, der über die Eröffnung des Berliner Schlosses oder der über den Vater im Krankenhaus, den der Sohn so lange warten lässt.

  8. Martina Weber:

    Dass der Text von Martin Piekar zwei Preise erhalten hat, hängt damit zusammen, dass der eine Preis von der Jury und der andere Preis durch Publikumsvotum vergeben wurde. Ist nicht so einfach, das zu verhindern. Man könnte es allenfalls so handhaben, dass der Publikumspreis für den Fall, dass der Text mit den meisten Publilumsstimmen bereits einen Preis der Jury erhalten hat, an den Text mit den zweitmeisten Publikumsstimmen vergeben wird. Das wäre aber auch nicht so ganz stimmig. Es gibt auch andere Wettbewerbe, bei denen neben dem Preis, den die Jury vergibt, ein Publikumspreis ausgelobt wird, und natürlich kommt es vor, dass eine Person beide Preise erhält.

    Ich habe nicht alle Lesungen gehört, mich interessieren nicht alle. Live verfolgt habe ich Andreas Stichmann, Anna Gien und Martin Piekar.

    Den Text von Mario Wurmitzer „Das Tiny House ist abgebrannt“, später angesehen, finde ich sehr raffiniert und vielschichtig, und es hätte noch ein paar Aspekte gegeben, die man in der Diskussion hätte erwähnen können, z.B. einen Bezug zu Becketts „Warten auf Godot“ (weil Besuche verschiedener Personen angekündigt waren, die nicht eintrafen).

    Den Gewinnertext „Er putzt“ von Valeria Gordeev habe ich eben gehört. Ich brauchte etwas Zeit, um mich darauf einzulassen. Ich war nicht gleich gefangen davon, aber nach ein paar Minuten, und dann immer mehr. Wichtig finde ich in literarischen Texten immer das, was unter dem Textkörper liegt, was nicht gesagt, was verschwiegen wird. Und da gibt es einiges.

    Es ist immer schwierig, bei einem Literaturwettbewerb verschiedene Autorenstimmen, verschiedene literarische Konzepte und Themen gegeneinander abzuwägen.

  9. Alex:

    Zu „Das Tiny House ist abgebrannt“: Das ist auch eine Art Krimi. Die Frage, wer die Häuser angezündet hat, hat zwar Philipp Tingler in der Diskussion angesprochen und einen m.E. richtigen Verdacht geäußert. Es war der Ich-Erzähler selber. Aber der Kritiker hat es, wenn ich mich recht erinnere, nicht begründet. Es spricht alles dafür, dass der Erzähler es war, wer anders als er würde den Schreibtisch vorher rausstellen und dann das Häuschen anzünden? Für den Schriftsteller ist der Schreibtisch das wichtigste Möbelstück, sozusagen ein noch kleineres Tiny House. Später schläft er ja dann auch auf dem Schreibtisch. Die Geschichte hat mir viel Spaß gemacht.

  10. Martina Weber:

    Das ging mir genauso. Sehr vielschichtig. Ich fand auch den Gedanken, dass die Erzählfigur das Haus selbst angezündet hat, schlüssig. Ich meine, der Kritiker hat es neben dem auffälligen Umstand, dass der Schreibtisch trotz des Feuers nicht beschädigt war, damit begründet, dass der Icherzähler ein unzuverlässiger Erzähler ist. Die Erzählfigur hat ihre eigene Unzuverlässigkeit selbst angedeutet, ganz nebenbei. Unzuverlässige Erzählfiguren bringen immer noch eine weitere spannende Nuance ein. Hier auf dem Blog haben wir vor längerer Zeit über den Film „The Turn of the screw“ nach der Erzählung von Henry James gesprochen. Ich hatte den Film nicht gesehen, weil mich die Erzählung so begeistert hatte und ich nicht wollte, dass meine inneren Bilder überlagert werden durch den Film (bzw. eine Variation des Filmes, es gibt mehrere Interpretationen): die Art, wie hier ein Raum aufgebaut wurde, und uns beim Lesen step by step der Boden unter den Füßen entzogen wird. Das hat auch Krimielemente.

    Mario Wurmitzer, der Autor des Tiny House Textes, ist sehr belesen, und das merkt man seinem Text auch an. Ich hätte ihm einen Preis sehr gegönnt. Er wird aber auch ohne diesen Preis seinen Weg als Autor gehen. Sein Text gewinnt beim mehrfachen Zuhören/Lesen, ich werde den Text auch noch lesen.


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