Manafonistas

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2023 9 Mrz

Die Geschichte von Eden Ahbez (2)

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | 2 Comments

 

Nat King Cole – „Nature Boy“

 


1 – Wenn Jon Hassell über Amerikas Exotika-Musik sprach, all die Werke mit skurrilen Covergestaltungen, in denen Afrika und Asien und die Geheimnisse ferner Kulturen mit leicht erhöhtem Martini-Blutspiegel eine sehr westliche Perspektive erhielten, dann tat er es mit ironischem Schmunzeln. Und Hintersinn. Das Fremde wurde einem nicht gefährlich, wenn es mit einem netten Swing daherkan, und so koloriert und karikaturenhaft daherkam wie die alten Südseefilme mit putzig zurechtgemachten Eingeborenen. Aber natürlich hatten diese Platten von Les Baxter und Martin Denny auch einen beträchtlichen Charme, und wir wollen mal hoffen, dass diese american cats keinen white supremacy-Gedankenschrott pflegten. 
Mit dem Namen Les Baxter assoziiere ich als erstes immer Lex Barker, den berühmten Old Shatterhand-Darsteller, der mir als 15-jährigem Kid mal an einem Swimmingpool mit Mario Adorf gegenüber sass, während der Super-Minister Schiller mit seiner Geliebten ein paar Runden im Mallorcinischen Pool schwamm. In einem abgelegenen Super-Hotel. THE WHITE LOTUS 1970. Schade, dass ich das Paparazzi-Foto, das ich damals schoss, nicht mehr habe, das wäre hier DER historische Schnappschussknaller aus der alten BRD. Diese ganze Exotika-Musik hatte viel gemein mit der TV- und Kinowelt, in der Flipper, Rin Tin Tin, Lassie, Karl May, James Bond, Emma Peel und hundert andere Namen (Gesichter, unvergesslich) Fenster in eine andere Welt öffneten. Ganz egal, wie naiv und kindlich und regressiv das teilweise daherkam: es waren Fenster in eine andere Welt. Entferne das Glitzern, und hinter Traumgesichtern erzählen dir die Projektioen, Schatten und  Schemen von einst ihre wahre Geschichte. Do it one more time, Diana Rigg! (m.e.)

 

I look crazy, but I am not. And the funny thing is that other people don‘t look crazy, but they are.“

(Eden Ahbez)

 

2 – Eden Ahbez war eine Art Mittler zwischen dem alten Amerika und der Ära der Hippies. Ein Go-between. Wer sich anno 2023 auf „Eden‘s Island“ einlässt, mit Scotch und Candlelight, oder mit einer Bong und Räucherstäbchen (aber auf keine Fall mit tierischem Ernst) kann tatsächlich einem alten Staunen nahekommen, dieser Schwelle von Kindheit und Erwachsenen-Status. Schmunzeln, lachen, träumen. GETTING THERE. Ein Blinzeln, und wir sind wieder dort, aber wie VERWANDELT.  Oder, mit „Professor“ Leary gesagt: TURN ON, TUNE In, DROP OUT. Blue moods reloaded. Etwas Besseres als den Tod finden wir überall. On the shores of Monterey / it’s such an beautiful day. Wyndham, auf zur letzten Runde deines Trips auf „Eden‘s Island“… (m.e.)

 

 

 

 

3 – (Das Finale von Wyndham Wallaces Besprechung der Neuausgabe auf Everland) – „Für manche bleibt Ahbez sicherlich ein Sonderling, und Melodien wie das unwiderstehlich fröhliche „Mongoose“ und das schwärmerische „Banana Boy“ mit ihren Rassenklischees sind nicht hilfreich. Auch der Bonustrack „Yes, Master“ ist sexistisch angehaucht, während ein anderes Stück, „India“ von 1951, besser zu George Bruns‘ Dschungelbuch-Musik von 1967 passen könnte. „Eden’s Island“ ist jedoch eine kluge, utopische Metapher und nicht lächerlicher als andere gleichgesinnte, subversive Ansichten, die später von Hippies übernommen wurden.

Im verträumt-idealistischen „Eden’s Cove“ ist „Liebe alles, wofür sie leben“, während er in „La Mar“ eine stürmische See in „einem kleinen Boot, das ich Leben nannte“, überquert, was auch durch die knarrenden Balken von „The Old Boat“ und Ahbez‘ unverwechselbare Flöte evoziert wird. „Surf Rider“ erinnert an eine süße Schwesternschaftsgruppe, die von Brian Wilson – an dessen Smile-Sessions Ahbez teilnahm – bekehrt wurde, und im ruhigen „Full Moon“, in dem „all men are brothers“, schließt Ahbez mit „I am everyone, anyone, no-one“, womit er Lennons „I am he as you are he as you are me“ in „I Am The Walrus“ um sieben Jahre vorwegnimmt.

Der Unterschied liegt im musikalischen Kontext. Aus einer konservativen Ära stammend – unterstrichen durch weitere Boni wie „The Shepherd“ von 1949, dargeboten vom Schauspieler Herb Jeffries, und „The Planet Song“, das darauf besteht, dass „die Natur eine Symphonie ist“ – verwendete Ahbez‘ leise Rebellion Flöten, Marimbas und Vibraphone. Die Hippies fügten lediglich Gitarren, Schlagzeug und offensichtlichere psychedelische Mittel hinzu.

Die Musik von Ahbez hat sich nicht verändert, aber 63 Jahre später hat sich unser Einblick in seine Motive verändert und offenbart einen Mann, der seiner Zeit weit voraus war. Einschalten, einschalten, ausschalten.“ 

 

we are all dreamers. / Foto von Susanne Berndt, meiner Sylter Lockdownreiseleiterin

 

 

P.S.  Ich habe mir die Doppel-Cd bestellt. Und auf bandcamp beim Schreiben dieses Textes ein zweites Mal rauf und runter gehört. Ein grosses Vergnügen. Und ein tiefgehendes obendrein. Erhältlich ist diese Ausgabe von Everland in limitierter Auflage auf Vinyl und auch als 2xLP mit Gatefold-Vinyl und Booklet in einer Holzbox.  Das Foto von Susanne B. stammt vom Dach der Osloer Oper. Vielen Dank auch an Wyndham Wallaces Zeitreise. 

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