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2023 24 Feb

Craven Faults: Standers

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | 1 Comment

Vertraute Landschaften werden aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Die Frage, wie die Insel zu ihrem Aussehen kam und wie ihre alte und moderne Geschichte die heutige Bevölkerung beeinflusst, wird immer interessanter. Landschaften, die von den Elementen und dann von unzähligen Eroberern und Siedlern geformt wurden. Viehbestand und Maschinen. Geld, Religion und Politik.

Wir beginnen an der Grenze. Der höchste Punkt. An einem klaren Tag kann man bis zur Ostküste sehen. Die Schwerindustrie, die sich rund um die Flussmündung angesiedelt hat, sticht in dieser alten Landschaft hervor. Wir haben gesehen, wie sie sich verändert hat. Für das ungeschulte Auge sind es subtile Veränderungen, aber sie haben seismische Folgen. Wenn man das alles vor sich hat, ist es unmöglich, nicht bewegt zu sein. Wir stehen hier seit 800 Jahren, es dauert also ein wenig, bis wir in Schwung kommen. Es ist eine schwere Arbeit. Die unbeantwortete Frage hallt noch einmal durch die Luft. Ursprünglich 1908 komponiert, in den 1930er Jahren überarbeitet, aber erst 1946 aufgeführt.

Wir gehen ein kurzes Stück nach Westen. Vom Viadukt aus kann man sehen, wie sich die Landschaft verändert. Weichere Linien, wo der Sandstein den Eisströmen weniger Widerstand entgegensetzte. Ein Experiment. Von hier aus treiben wir flussabwärts. 1966.

 

 

Craven Faults – „Odda Delf“ (Official Video)

 

 

Nirgendwo ist es wie zu Hause. Wir steigen durch die Wolken auf und sind über dem Wetter unterwegs. Ein Moment der Ruhe. Dort, wo die Wolken aufbrechen, sind die Narben der frühen Industrie sichtbar. Wo einst tausend starke Hände und ausgeklügelte Ingenieursmethoden Tonnen von Blei aus dem Boden holten, liegt er jetzt still. Offen für die Elemente. Die Natur tut ihr Bestes, um unsere Spuren zu verwischen. Man muss wissen, wo man suchen muss. Vierer und Dreier. Die Szenerie ändert sich mit dem Wetter. Château d’Hérouville, 1976.

Etwa eine Stunde nördlich stoßen wir auf ein reiches Flöz. Heftig umstritten. Ein Skandal. Ungeahnte Reichtümer auf der einen Seite. Konkurs und Gefängnis auf der anderen Seite. Eine Fallstudie darüber, wie das Land aufgeteilt wurde und wie dieses Erbe über Generationen weitergegeben wurde. Die Geschichte wiederholt sich. Bell Labs, 1974 – 1976 und die Erinnerung an eine LP, die 1980 gekauft, aber seit Jahren nicht mehr angeschaut wurde.

Wenn wir unsere Route zurückverfolgen, ist manchmal ein geliehenes Klavier Inspiration genug. Es ist die gleichen Wege in einem anderen Leben gegangen. Eloquent und anmutig. Viele haben hier ihre Spuren hinterlassen, und eine obskure römische Göttin beschützt diese Gewässer.

Wir schlängeln uns auf dem Rückweg nach Osten. Der nordische Einfluss ist hier offensichtlich. Er zeigt sich im Dialekt und in den Ortsnamen. Er zeigt sich in den Viehtransporten zur saisonalen Weidehaltung. United Western Recorders 1970 und Britannia Row 1982 über die Stadt auf der anderen Seite der Pennines. Eine Annäherung an die menschliche Stimme – ein passender Abschluss.

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1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

    Nils Schlechtriemen über den Vorgänger ENCLOSURES:

    Selbst von Genre-Afficionados weitgehend unbemerkt, arbeiten Craven Faults seit mehr als drei Jahren am eigenen, abstrakten, organisch verzierten Neuentwurf vorwärtsdenkender Modularsynthese. Zunächst auf einer Reihe EPs, die ästhetisch und konzeptionell verbunden als unterschiedlich betitelte »Works« erschienen und der Kraut-Ära ebenso Tribut zollten wie der Minimal Music oder Techno-Texturen in bullet time. 2020 folgten dann gleich zwei Alben: Das kolossale und völlig unterschätzte »Erratics & Unconformities« sowie »Enclosures«. Eine konstante Verfeinerung des Sounds hielt das Projekt bis hierhin schon aufrecht, jetzt scheint das Rezept aber zuende geschrieben und kann zur Gänze ausgekostet werden. Und was man da alles schmeckt! Klaus Schulze und Popol Vuh, aber auch britischer Downtempo und Düsseldorfer Spannungsbögen haben ihre Spuren hinterlassen. Klingt alles optimiert für einen langen Abend mit Kopfhörern und Wein, sehr sparsam in den Arrangements und dennoch dicht texturiert. Sicher, ein Track wie das über 17-minütige »Weets Gate« mit seinem träumerisch spacigen Buildup hätte deshalb wohl auch locker vor 40 Jahren erscheinen können. Doch so wie Heinrich Dressel, Die Wilde Jagd oder X.Y.R. die Sphäre progressiver Elektronik immer wieder in ein neues Licht tauchen, werfen auch Craven Faults ihre dicht geklöppelten Klangteppiche in irisierenden Farben aus. Sollte man im Auge behalten, denn die machen jede Wohnung erst so richtig gemütlich.


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