Manafonistas

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2023 5 Feb

A visceral search for identity

von: ijb Filed under: Blog | TB | Comments off

 

 

Früher habe ich eine Zeitlang jeden Film des koreanischen Starregisseurs Park Chan-Wook (hier bei EPD Film aktuell ein Portrait seines Schaffens und Überblick über sein Œuvre) im Kino angesehen. Spätestens ab seinem Durchbruch Joint Security Area waren die alle sehenswert, trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer gewissen sterilen Regiekunst, die eine gewisse philosophische Note nicht scheute. Irgendwann allerdings überwiegte dann die leere, artifizielle Seite (I’m a Cyborg, but that’s okay), die Langeweile zog ein, und mich zogen die Filme nicht mehr an. Irgendwann muss ich da wohl mal etwas nachholen.

Aktuell in deutschen Kinos gestartet: seine unverhohlene Film-Noir- / Neo-Noir-Hommage-Lovestory Die Frau im Nebel, und mir fällt auf, wie unglaublich viel Zeit vergangen ist, seit Park ein angesagter Regisseur unter Filmliebhaber(inn)en war. Da dieser neue Film als recht intelligente und schillernde Krimi-Unterhaltung vermarktet wird, begaben wir uns am Wochenende in Berlins schönstes und wohl größtes Kino, unweit unserer Wohnung gelegen, und schauten Die Frau im Nebel – seltenerweise in deutscher Synchronfassung; ein bisschen eigenartig finde ich es immer, wenn asiatischen Menschen in fernen Kleinstädten und Dörfern astreines Theaterhochdeutsch sprechen, und skurril auch, wenn immer wieder die Originalstimmen der Schauspieler/innen auftauchen, wenn die Figuren dann nicht mehr koreanisch, sondern chinesisch sprechen. Es ist wie gesagt eine halbe Ewigkeit her, seit ich einen Film von Park Chan-Wook gesehen habe; dieser war ein wenig anders als erwartet – doch nicht ganz so eingängiges Unterhaltungskino, auch wenn man in der ersten Viertelstunde noch meinen könnte, dass die Handlung, auch so ähnlich in einem „Tatort“ stattfinden könnte … aber dann erinnerte ich mich, dass die Filme von Park sich ja schon immer durch diese gewisse artifizielle Unnahbarkeit ausgezeichnet haben und konnte mich da gut mit anfreunden, und so störte auch das Theaterdeutsch kaum mehr.

Hat mir alles in allem sehr gut gefallen, ich muss aber auch zugeben, dass es wohl ein Film für intellektuelle Film-Nerds (bevorzugt Ü40, bevorzugt männlich) ist, was an der jüngeren Frau neben uns (ca. Mitte 20) deutlich zu merken war, die während des Film ständig durch lautes Aufstöhnen ihr Missfallen zum Ausdruck brachte. Inszenierung, Kamera, Schauspiel (soweit eingedeutscht beurteilbar) und Montage allesamt top. Zu empfehlen mit den den genannten Einschränkungen (not everyone’s cup of tea) – kein realistischer Krimi, sondern eher etwas überhöhtes Erzählen in Vertigo-Tradition. Man konnte unschwer den alten Hitchcock jeder zweiten Ecke dem Regisseur über die Schulter blicken sehen …

 

 

 

 

Dann, einen Tag später gleich noch einmal einen Kinobesuch in einem anderen in Korea spielenden Film, der ebenfalls 2022 im Programm in Cannes hochgelobt wurde: Return to Seoul – großartiger Film. Sehr berührend und keine Minute langatmig, immer wieder reizvolle, authentische Wendungen. Toll, wie der über zwei Stunden die Spannung hält, bei diesen Stimmungswechseln. Chapeau an Drehbuch und Regie. Und natürlich an die Hauptdarstellerin. Souverän, ohne die Warnung „Achtung Große Kunst“ wie bei Park Chan-Wook, und doch eigentlich viel kunstvoller, da nicht ausgestellt., sondern mit feiner (Regie-)Hand geführt. Ein Film, bei dem es vielleicht besonders schön ist, wenn man vorab so wenig wie möglich darüber weiß. Auch „Trailer“ finde ich oft problematisch, weil die so oft viele der schönen Wendungen oder gar Entwicklungen der Charaktere und der Handlungswege verraten.

Auf kluge Weise setzt der Film seine Irritationsmomente ein — visuell wie dramaturgisch. Ein Film auch, der, anders als Die Frau im Nebel seine gewisse Distanziertheit nicht zum Auf-Distanz-Halten des Publikums nutzt, sondern dies produktiv immer wieder auflöst, geschickt bricht und in Frage stellt. Überhaupt: Dass Retour à Seoul, eine koreanisch-französische Co-Produktion (und auch deutsches Geld war irgendwo dabei) Fragen aufwirft, diese aber nicht – oder sagen wir besser: nicht konventionell – auflöst, ist ein nicht unwichtiger Aspekt seiner faszinierenden Kunst. Ich war von Anfang bis Ende gefesselt und hätte auch noch eine Stunde weiter schauen können. Fast war ich traurig, dass wir diese Hauptfigur nach zwei Stunden und dieser schillernden Zeit im Saal verlassen mussten.

 

 

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