Manafonistas

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2021 1 Okt

Eine Einladung, Georgette Heyer zu lesen!

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

 

Es war in der Studentenzeit, als auch ich in die Falle tappte, mir manch subdepressiven (zugleich widerlich elitären) Erzähler zu Gemüte zu führen, die auch heute noch so viel seltsamen Anklang finden, dass erwachsene  Männer / Frauen (wie einst die Kids bei Michael Jackson) eine tiefe Sehnsucht verspüren könnten, ihre Geburtshäuser und erste Heimat zu besichtigen. Botho Strauß, ogottogott! Es war relativ klar reguliert, dass man, wenn man dann Romane einer anderen Welt in bestimmten Runden kundtat, Augenrollen und Kitschkritik (wie aus der Pistole geschossen) auf einen einhagelten. Mir erging es so, als ich mal die eine und andere Woche verschwunden war in den Welten von „Tess“ („oller Schmöker!“) Krimis von Chester Himes („Schund!“), vor allem aber bei der wunderbaren Georgette Heyer. Zum Glück liess mich all diese Kritik kalt, es sei denn, sie stammte von Frauen, mit denen ich das Kopfkissen teilen wollte (die waren allerdings meist wesentlich lockerer, lasen eher „Und Jimmy ging zum Regenbogen!“ von Simmel, und vögelten mich ganz und gar unliterarisch durch die Nacht).

 

 

Wenn man sich die absolut entsetzlichen Cover ansieht, die die Bücher der grandiosen Georgette Heyer seit ihren Erstveröffentlichungen verunstalten, könnte man tatsächlich meinen, sie sei die schnulzigste, grässlichste, niedlichste, sentimentalste und trashigste Autorin, die es je gewagt hat, einen Stift zu Papier zu bringen. Die Überraschung, die einen erwartet, wenn man ihr noch nicht begegnet sind, ist, dass man, sobald man diese echt doofen Cover ignoriert, entdecken wird, dass sie eine der witzigsten, einfühlsamsten und lohnendsten Prosaautorinnen ist, die man sich vorstellen kann. Ihre Geschichten erfüllen alle Anforderungen des romantischen Romans, aber die Sprache, die sie verwendet, die Dialoge, das ironische Bewusstsein, die Satire und die Einsicht – all das ragt weit über das Genre hinaus. Einmal, und hier kommen Kunst und Leben nah zueinander, schulterte ich tatsächlich eine Frau genauso, wie es auf dem Cover von „Eskapaden“ abgebildet ist, und legte sie, die schöne Volltrunkene, in ihrem Würzburger Hotelzimmer ab. Ich widerstand der Gunst des Augenblicks, gab ihr nur einen sanften Wangenkuss, und zog mich in mein eigenes kleines Zimmer mit Blick auf die Alte Mainbrücke zurück. Die hinreissende Lady war verheiratet, und hatte mir am Vorabend ihren ehelichen Kummer in der Hotelbar ausgebreitet. Nach einem hässlichen Auftritt ihres cholerischen Gatten am Folgetag, bat sie mich, sie in das alte alleinstehende Haus ihrer früh verstorbenen Eltern am Vierwaldstättersee, nahe Küssnacht, zu begleiten. Ich würde diese Reise, und die sechs Wochen dort, nie vergessen. Es war eine berauschende und zugleich besinnliche Zeit, angereichert von einem Ausmass an Glückseligkeit, dessen Tage von Anfang an gezählt waren. Seltsam paradiesisches Herbstlaub überall.

 

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