Manafonistas

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2021 25 Aug

Instrument of September – The Double Bass

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | 12 Comments

Eine ganze CD unbegleiteten Bass-Soli zu widmen, scheint ein großes Wagnis zu sein, aber einigen wenigen Virtuosen mit Vorstellungskraft und immensem Können ist dies gelungen. Ich nehme an, fast alle Leser*innen&außen finden wenigstens ein Piano Solo Album in ihrer Audiothek. Aber wer kann ein Double Bass Solo Album aus dem Plattenschrank ziehen? Gregor schaut hier nicht mehr vorbei, ihm würde ich das zutrauen. Die Tür zu den comments ist offen. Dort kann man Geständnisse – oder Bekenntnisse, wenn einem das lieber ist – ablegen.

Ich fange gleich mal selbst an: ich besitze ein Double Bass Solo Album – ein einziges. Nicht weil ich Kontrabass spiele ist es in meiner Sammlung, sondern weil mir der Bass Player dieser CD ans Herz gewachsen ist. Er hat für mich – und das ist objektiv nicht maßgeblich – den wunderschönsten Ton aller Jazzbassisten. Schließlich spielt er auf einem edlen Instrument, das um 1715 gefertigt wurde. Außerdem hat er ein Stück komponiert, das den Titel Kronach Waltz trägt. Dragonetti’s Dream heißt das Album. Das einzige nicht von ihm erfundene Stück ist die eindringliche Interpretation von Jade Visions, einem herrlichen Stück des tragisch früh verstorbenen Bassisten Scott LaFaro.

Nunmehr sind drei Bassisten eingeführt, darunter Scott LaFaro, der nie ein Double Bass Solo Album eingespielt hat, dessen überragende Bedeutung im Jazz zu würdigen ich lieber Dave Holland überlasse.

 

The bass has become something like the fourth melody voice in the quartet. Wasn’t Scott LaFaro the major reason for that?

Wer war es nun, der die ersten Kompositionen für Basso Solo geschrieben hat und als Solist mit seinem Instrument für Furore sorgte?

Es war Domenico Carlo Maria Dragonetti (1763 – 1846), genannt ‚Il Drago‘

 
 

 
 

Domenico Dragonetti war der Scott LaFaro des 18. und 19. Jahrhunderts, gut Freund mit großen Zeitgenossen, darunter Ludwig van Beethoven, den er persönlich getroffen hat. Ich nehme an, dass ohne Dragonettis Besessenheit die wilde Kontrabass-Partie im Trio des Scherzos von Beethovens Fünfter Sinfonie nicht in die Welt gekommen wäre.

 

 

Irgendwann muss jemand das erste Kontrabass Solo Album des Jazz gewagt haben. Ich weiß es leider nicht genau, lege mich aber fest auf Dave Hollands Emerald Tears. Sechs Jahre vorher hat er zusammen mit Barre Phillips diese eigenartigen tiefgründigen Klanglandschaften erkundet mit Music from Two Basses.

 
 

 
 

Nun ist mit Marc Johnson der Fünfte in den Kreis der Bass Soloists of September eingetreten. Und er bekennt, dass Dave Hollands legendäres Album nicht ganz schuldlos ist. Ich kenne seine Kunst vor allem von den beiden Bass Desires Alben und den späten Auftritten des Bill Evans Trios. Mit OverpassThe Album of September – ist Marc Johnson am Ziel seiner Sehnsüchte angekommen. Meine Favoriten des Albums findet man in den Klanghorizonten des August 2021.

 
 
 

 
 

Wer den Click raus hat, findet in diesem Beitrag zwei hochinteressante Hörbeipiele.

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12 Comments

  1. Hans-Dieter Klinger:

     

     
     

  2. Michael Engelbrecht:

    Da öffnet sich ein weiter Raum!

  3. Michael Engelbrecht:

    Und auf jeden Fall ist kein Cover in gut zehn Jahren des Blogs öfter in Einzelbeiträgen gepostet worden wie das von Marc Wade zu Overpass.

    Eigentlich sehr schade, dass das Album vorerst nicht als CD erscheint. Auf jeden Fall wird es in Bälde Brian Enos Cover von On Land in meiner elektrischen Höhle ablösen, und im gebotenem XXL-Format an die Stelle der eneoesken Landkarte treten.

    In meiner Kindheit gab es im heimischen Wohnzimmer ein ähnlich seltsam glühendes Bild (damals in Ölfarben) mit fernem, tiefblauem Horizont – und einem orangenen Schimmer. In der Ferne war da eine Gebirgslandschaft, very blue. Und das Bild sah ich immer im Zusammenhang mit meiner ersten Westernserie als Kind: „Am Fuss der Blauen Berge“. Mkt Robert Fuller.

    There are many reasons for being thrilled by a picture.

  4. Jan Reetze:

    Das Overpass-Cover ist aber auch wirklich ungewöhnlich schön, selbst für ECM-Verhältnisse. Manchmal würde man sich die als Poster wünschen.

  5. Michael Engelbrecht:

    Ich habe mal nach diesem Künstler gegoogelt, ein Freund von Marc J, und kam dann auf einen Mark oder Marc Wade, der tatsächlich für Covergestaltungen berühmt ist, u.a. für Sticky Fingers. Das kann unmögkich der gleiche Mr. Wade sein. Aber das ist mein favourite von den Stones. Und das ist nun mein favourite von Marc Johnson.

  6. Olaf Westfeld:

    Ein wirklich sehr schönes Cover – auch ich würde mich über ein Poster oder wenigstens eine LP Version freuen…

  7. Rosato:

    die geisterhand hat sich aus dem staub gemacht
    bei Towner knackt’s ab 22:22 immer noch
    macht nix, das ist ein signum für live oder life

  8. Michael Engelbrecht:

    Feiner Text, by the way, und das meinte ich auch in meinem ersten Kommentar vom „weiten Raum“ / Echo. Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte. Dieses Bassalbum habe ich mittlerweile lieben gelernt.

    Die ersten Besprechungen und Vorstellungen dieses Albums gab es im Deutschlandfunk und bei Manafonistas.de – morgen erscheint das Opus.

    Demnächst bekommt Marc Johnson eine Mail von mir – ich weiss nicht, wie berühmt sein Malerfreund ist, aber ich biete 1000 Dollar für das Original… 😉

  9. Michael Engelbrecht:

    Hier die erste Besprechung von Overpass abseits von DLF u d Mana:

    https://jazztrail.net/blog

    Von heute

  10. Lorenz:

    „Légendes“ von Renaud Garcia Fons kann ich aus dem Plattenschrank ziehen. Obwohl er im Overdubverfahren mit einigen Renauds zusammenspielt steht auf der CD: solo bass.
    Und dieser Beitrag hat dazu geführt, dass ich sie endlich mal wieder angehört habe. Immer noch wundervoll und manchmal fast unglaublich. Danke für den Schubser!

  11. Karsten:

    Zwei weitere Bass-Solo-Alben, die hier m.W. noch nicht erwähnt wurden:

    Dave Holland: Ones All
    Miroslav Vitous: Emergence

    Marc Johnsons Overpass macht sofort tieftonsüchtig – dies ist gleichwertiger Stoff.

  12. Michael Engelbrecht:

    A propos „tieftonsüchtig“…

    Marc Johnson’s journeys around the globe have sometimes led to meetings with remarkable instruments: in São Paulo he came across a prizewinning bass made by luthier Paulo Gomes that subsequently became his instrument of choice each time he was in the region. The sound of the bass itself with its full-bodied resonance has also been a determining factor for the nature of the music played.

    On “Yin and Yang” the improvisation takes off from harmonics produced by strumming all four strings of this bass. “The continuity was created by allowing the strings to decay until the next attack. I first recorded a long series of attacks and decays, and then improvised a melody and some bowed effects. This piece is the result.“

    (From ECM background info)


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