Mattering and Meaning ist ein Album, das erst im August erscheinen wird. Ich habe das komplette Album angehört ohne die Zukunft aufsuchen zu müssen. M.E. lässt mich an seinen Zeitreisen teilhaben, weil ich seine Mitbringsel für Sendungen des DLF aufbereite. Dan Nicholls heißt der Künstler, den ich nicht kannte. Es gibt eine Menge Musik, die M.E. gefällt, mir aber nicht. Es sind vor allem ereignisarme ambientige Klangflächen, gegen die mein von analytischem Hören geprägtes Immunsystem Antikörper entwickelt hat. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben heißt es, und ich weiß aus Erfahrung, dass man ein Album nicht vor dem Verklingen des letzten Tons in die Tonne werfen darf.
Mattering and Meaning startet mit dem Titel Papa und empfängt den Hörer mit low-fidelen Pianoklängen, spielerisch improvisierten Figuren, garniert von elektronisch erzeugten Klangpartikeln und Klangflächen. Unverkennbar auch die Neigung mit Loops zu gestalten. Nun denn, seit der Erfindung der Minimal Music gehört das zum Vokabular zeitgenössischer Musik wie die Kadenz zur Alpenländischen Volksmusik. Yeh Yeh, das zweite Stück, könnte ich genauso beschreiben wie No. 1. Die low-fidelen Pianoklänge, die Loops sind weiterhin präsent, ziehen sich wie ein Leitmotiv durch das ganze Album. Ich fing schon an, kleine Ressentiments aufkeimen zu lassen. Aber im Verlauf von Fermentation gefiel mir das Aroma dieser Musik immer besser und ich legte den analytischen Kopf-Hörer beiseite. Die quirligen Pianofiguren von Breathe versinken in reizvollen elektronischen Klangwolken, aus denen Überreste eines Vortrags auftauchen. Spricht da Dan Nicholls zu mir?
Erstmals Text in einem instrumentalen Album! Das muss doch ein gewisses mattering oder meaning transportieren. Vielleicht hilft M.E. weiter und liefert eine kurze Zusammenfassung. Ich habe ein wenig über den Albumtitel nachgedacht. Nimmt man ein Wörterbuch zur Hand, dann wird für „to matter“ wie für „to mean“ die Übersetzung „bedeuten“ angeboten (natürlich nicht nur diese). Doch gibt es sicher einen feinen Unterschied. Wenn nicht, wären die Fragen „what is the meaning of mattering“ und „what is the mattering of meaning“ gleichbedeutend.
Der Verzicht auf brillanten Klavierklang scheint mir ein Stilmittel des Albums zu sein. Es lässt mich an home recording denken, zumal in Keep Doing Positive Things ein Kind – Nicholls‘ Tochter oder Sohn? – schreit und juchzt. Dan Nicholls ist ein fantasiereicher Klangbastler. Je später das Album, desto zahlreicher erklingen synthetische Klänge, besonders ansprechend im längsten Stück Lou (The Posthuman Reverberates). Heute habe ich das Album mit Genuss ein zweites Mal angehört und dadurch neugierig geworden mich nach mehr Wissenswertem über Dan Nicholls im Internet umgesehen.
Auf seiner Webseite sind Videos verlinkt – mit bis zu 2 Stunden Spieldauer – die nachdrücklich Einblick gewähren in seine Klangexperimente. Auf SOUNDCLOUD ist Einiges zu finden, auch 2 Vorabveröffentlichungen aus dem hier vorgestellten Album. Besonders angetan hat es mir ein Duo mit der Sängerin Lauren Kinsella, vor 7 Jahren live aufgenommen @BBC Proms Plus. Ein Seitenblick auf discogs, wo ersichtlich wird, mit welchen anderen Künstlern Dan Nicholls kooperierte, brachte Erstaunliches zu Tage für mich. Unter den mir wenigstens vom Hörensagen bekannten Namen fand ich vor:
– Shabaka Hutchings
– Frank Möbus, auf dem Umweg über …
– Oli Steidle & the killing Popes
diese Band hat zwei absolute Kracher-Alben veröffentlicht