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2020 28 Sep

Funkstille

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 26 Comments

 
 

In der Straße, in der ich wohne, wird gerade ein Teil eines Films gedreht. Vergangene Woche fiel mir eine kleine Menschentraube vor einem Nachbarhaus auf. Ein Teil des Teams, ansonsten Schaulustige. Als ich in einem großen Bogen, um nicht zu stören, mit dem Rad vorbeifuhr, sah ich einen Schauspieler auf einer Bank vor einem Nachbarhaus sitzen. Normalerweise befindet sich dort keine Bank. Es gab auch zwei Graffitis an der Hauswand. Kann aber sein, dass die vorher schon dort waren. Die Leute stehen auf ihren Balkonen oder bleiben vor der Haustür stehen und schauen zu. Ein Security-Mann in schwarzem Overall bat Umherstehende darum, sich zu entfernen oder nach Hause zu gehen. Heute drehen sie wohl auch an dem Park hier, in dem es einen großen Sandstein-Brunnen mit Figuren aus altgriechischen Sagen gibt. An einem Wohnwagen steht der Titel des Films: Funkstille. Ein Tatort. Ich bin keineswegs ein ausgeprägter Krimifan; ich wüsste noch nicht einmal, ob ich mir die Funkstille mit Aufnahmen aus dieser Straße ansehen würde. Vor vielen Jahren war ich Mitarbeiterin einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe an einem Forschungsinstitut. Wir trafen uns Donnerstag Nachmittags, um die vom Leiter der Gruppe ausgewählten wissenschaftlichen Aufsätze zu diskutieren und über unsere Arbeiten zu sprechen. Zu Beginn des Treffens fing M, der Gruppenleiter, immer ein Gespräch über den Tatort vom Sonntag an; er diskutierte den Tatort regelrecht durch. Als ich neu in die Gruppe kam, machte er eine Bemerkung, die es fast etwas entschuldigend wirken ließ, dass er so intensiv über den Tatort diskutierte. Es war definitiv eine Routine und die anderen machten mit. Ich fühlte mich ausgeschlossen und dachte darüber nach, auch den Tatort zu schauen, obwohl ich ihn eigentlich nicht sehen wollte, und ich dachte mir, ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wie ich meinen Sonntag Abend verbringe, nur um hier mitdiskutieren zu können. Ich trat aus der Gruppe aus, allerdings nicht wegen des Tatorts, und ich beschloss, nie wieder etwas zu tun, von dem ich nicht überzeugt sein würde. Als vor ein paar Jahren erfuhr, dass jemand eine Wikipediaseite über mich angelegt hatte, fand ich unter den Publikationen, die mir zugeschrieben wurden, eine Dissertation über die Strafbarkeit des Hausfriedensbruchs. Ein Buch, das ich definitiv nicht geschrieben habe, und ein Thema, um das es in dieser Arbeitsgruppe auch nicht ging. Da ich an dieser Wikipediaseite nicht herumwerkle, habe ich den Eintrag auch nicht korrigiert. Wikipedia ist schließlich nicht der Brockhaus; kleine Fehler können auch bereichernd wirken.

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26 Comments

  1. ijb:

    Interessant… der letzte „Tatort“, den ich sah (und es war zugleich auch der erste nach einer recht langen Pause seit ca. Anfang des Jahres), war „der Frankfurter“ vor ca. zwei Wochen. Und er hieß: „Funkstille“. Leider war er ziemlich blöd, und wir haben uns später selbst gefragt, warum wir diesen Blödsinn eigentlich bis zum Schluss geschaut haben, denn ich sagte schon nach 15, 20 Minuten, dass das alles eigentlich nur eine Art Meta-Film sein kann, denn die Macher (den Regisseur kenne ich noch aus meinen sehr lange zurückliegenden Jahren an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg, damals hat er immer sehr eigenwillige Dokumentarfilme gemacht, und ich glaube, der Drehbuchautor war mir auch irgendwie vertraut) sind ja keine Dummköpfe. Es war alles einfach so absurd übertrieben in der schematisierten Erzählweise mit Klischees, Krimi-Sprüchen, Abziehbildern bei den Figuren und total plumpen Drehbuchwendungen und Gags, dass es anders gar nicht sein konnte. Unterhaltsam war es leider dennoch nicht. Oder sagen wir fairerweise: nur marginal. Und das lag letztlich, glaube ich, nur daran, dass ich den aktuellen Frankfurter Kommissar/innen noch immer „Vorschussakzeptanz“ gebe, weil die ersten Folgen, damals, als sie mit dieser Besetzung angefangen haben, einfach so charmant anders und tv-krimimäßig untypisch waren, dass ich das in den ersten Folgen einfach sehr angenehm und auch schön amüsant fand. Leider, soweit ich mich zu erinnern versuche, waren die letzten Folgen dieser Frankfurter Team-Besetzung vorrangig lahm bis arg albern. Und das stelle ich schon seit einer Weile jedes Mal von Neuem fest, wenn ich mich wieder darüber freue, dass „die Frankfurter“ wieder mal an der Reihe sind. Sehr schade.
    Aber diese „Funkstille“ war leider eine totale Gebührenverschwendung, denn das war weder für Krimi-Fans ein Vergnügen (dafür einfach zu plump und doof) – noch für intellektuelle Filmfreunde (weil, äh ja, auch für die einfach zu plump und doof).

    Ich hab auch mal in „meinen“ Wikipedia-Eintrag etwas (Halb-)Falsches reingeschrieben, aber leicht überprüfbar, einfach als Test, um zu schauen, was passiert. Es passierte: Nix. Im Gegenzug dazu wurden schon mehrfach engagierte Korrekturen, Verbesserungen und Ergänzungen, die ich bei anderen (Musik- und Film-)Artikeln vorgenommen hatte, teils wiederholt, rigoros rückgängig gemacht, weil die Kontrollettis dort alle möglichen Belege nicht gelten lassen und sich auch auch unverschämte Weise mit schlechteren, und, ja auch falschen Inhalten im Recht fühlen.

  2. ijb:

    Habe eben mal flink geschaut, wie „das Publikum“ den erwähnten Tatort fand. der größte Teil der Kommentare bestätigt meinen Eindruck, aber ich fand die Beiträge so amüsant, dass ich doch die ersten paar hier schnell teilen möchte:

    Hört doch endlich hier auf, den Tatort hoch zu jazzen. Er war langweilig, unlogisch und die Agentennummer kam rüber wie aus einem schlechten TV-Film der 60er Jahre, so, wie sich Gretchen Müller Geheimdienste vorstellt. Was trieb die arme Frau Mittelstädt eigentlich, lange Blicke, Tränen – Gone With The Wind? Mucha hat seine Schauspieler allein gelassen, sehr allein. Jeder rettete sich in seine Idiosynkrasien, das Ganze zerfiel in lose Teilchen, zerfledderte und war am Ende nur noch ärgerlich.

    Eigentlich sind die Frankfurter Tatorte ja nicht schlecht.
    Dieser allerdings war grottenschlecht!

    Das Schlimmste, was in der letzten Zeit gesehen habe.
    Holzige Dialoge, schlecht gespielt, verwirrend. Das Ende überzogen.

    Ich finde das Team bzw. ihre Darsteller gut, deswegen habe ich mir auch diesen Tatort angetan. Die Tessa Mittelstaedt spielt so schlecht dass es einem übel werden kann, ich habe sie in all den Jahren nie anders als mit diesem Gesicht (eine Maske vielleicht ?) gesehen. Ich habe nicht abgschaltet sondern einfach weiterlaufen lassen kann aber nicht sagen wie die Geschichte ausgegangen ist. Mein Interesse war schon auf halber Strecke erloschen.

    Ein furchtbares Machwerk. Die Story voller Lücken und Ungereimtheiten, die Schauspieler:innen ohne gescheite Rollenbilder und Spielfreude.

    Der einzige Lichtblick: Die junge Schauspielerin (Tochter). Ansonsten platt, hölzern und unendlich bieder. Selbst die beabsichtigte Ironie und der Sarkasmus waren extrem bemüht und leider einfach nur langweilig…

    Als die Mutter sich nach Russland absetzen wollte, habe ich ausgeschaltet. Ich fand die Familie unglaubwürdig, vor allem die Mutter, und die Handlung dämlich.

    einfach nur grausam. Habe das erste Mal seit langem wieder einen Tatort angeschaut, aber im Vergleich zu vielen Filmen und Serien im Streaming Angebot, einfach nur langweilig, langsam im Tempo, dröge was die Schauspieler angeht, und amateurhaft was die Story und die Umsetzung war. Nein danke, das war es.

    Also, ich bin ein begeisterter Tatort Schauer, aber diesmal Hang ich nach knapp 30 Minuten ausgemacht. Zu öde, die Schauspieler fand ich schüttelte schlecht und Spannung war auch nicht gegeben. öde hoch 10.

    Tut mir leid, aber ich habe nach 10 Minuten abgeschaltet. War nicht auszuhalten vor Fremdscham.

    …und immer so weiter…

  3. Jochen:

    Ein schöner Beitrag von Martina, wenngleich ich eine strikte Tatortabstinenz nicht teile – den Vorsatz, nichts zu tun, was der eigenen Überzeugung widerspricht, aber schon ;)

    Manche Tatorte sind ganz gut, andere grottenschlecht. Interessant ist, wie das jeweilige Stadtbild präsentiert wird.

    Vor längerer Zeit korrigierte ich mal einen Wikipediaeintrag über Steve Tibbetts, in dem der Journalist Michael Engelbrecht fehlerhaft zitiert wurde.

  4. Michael Engelbrecht:

    Ich bin schon lang tatortabstinent. Würde aber gucken, wenn mir jemand sagt, der kommende solle superspannend sein. Die letzten Tatorte, die ich faszinieren fand o, o, lange her. Und ich sah den allerersten, TAXI NACH LEIPZIG, als Teenager. Ach, ich will Kressin zurück, und Schimanski / Tanner, und ein früheres Frankfurt-Team, mit dem wunderbaren Kommissar (der im realen Leben BVB-Fan ist) und der schönen Assistentin😉 …

    Ansonsten immer wieder gern der Klassiker

    Tote Taube in der Beethovenstrasse, mit CAN

    P.S. Selbst ein mittelmässiger Schimanski war ein guter Schimanski!

    Und, ähem, bei den Münsteranern, kann ich schon lange nicht mehr lachen.

  5. ijb:

    Die Tatorte von Dominik Graf sind eigentlich immer sehenswert, auch diejenigen, die manchmal nicht 100% gelungen sind. Er hat aber einen sehr eigenen, markanten und sehr kinematografischen Regiestil, der auch über Drehbuchpatzer hinweghilft. Demnächst gibt es wohl zum 1000jährigen Tatort-Jubiläum mal wieder eine Folge von Graf. Die letzte, eine Stuttgarter Episode mit RAF-Thematik, war ganz famos. Würde ich nochmals anschauen.

    Eine andere, sehr gelungene, sehr spannende und auch filmisch sehr reizvolle Episode war auch irgendwas mit einem Terroranschlag oder Geiselnahme in einem Linienbus. Super Regie. Leider fällt mir gerade weder ein, welche Kommissare das waren noch welche Stadt. Irgendwas im Süden, glaube ich. Muss mal recherchieren.

    Nachtrag: Das hier war’s.

    War/ist auch deswegen reizvoll, weil die Tatort-Kommissare da nicht als die üblichen Sprücheklopfer erzählt werden, sondern fast zu so etwas wie Randfiguren werden, was ihre Hilflosigkeit der Situation gut zum Ausdruck bringt.
    Außerdem hervorragend visuell erzählt, die Regisseurin konnte hervorragend die Szenen erzählen, ohne das ganze typische deutsche Fernseh-Dialog-Gelaber. Sehr empfehlenswerte Episode. Habe ich zwei Mal angeschaut.

    Ja, die Münsteraner find ich auch komplett affig und nicht auszuhalten. Das ist echt so plumpes TV-Comedy-Niveau. Typisch deutsche „Comedy“, deshalb offenkundig auch so beliebt. Selbst die Episoden mit Nicht-Schauspieler Christian Ulmen fand ich dagegen noch witziger. Da war einfach von Anfang an klar, dass das kein ernstgemeintes Krimi-Kommissar-Team ist, sondern auch ein kleiner Spaß mit den deutschen Tatort-Konventionen.

  6. Michael Engelbrecht:

    Dominik Graf schrieb mal eine Liebeserklärung an Samuel Fullers Tatort in der SZ.

  7. Michael Engelbrecht:

    „Unklare Lage“ – zu sehen auf tatort.tube …

  8. Martina Weber:

    Dann kann es sich bei den aktuellen Dreharbeiten eigentlich nur um eine Überarbeitung des bereits gesendeten Tatorts „Funkstille“ handeln. Also quasi eine „Funkstille II“.

  9. Michael Engelbrecht:

    Das wäre das erste Mal, dass ein Tatort zweimal gedreht würde bzw. in Teilen überarbeitet. Ich nehme an, das Team hat „Funkstille“ als Namen gewählt. Oder kann ein Sherlock das hier klären?

  10. ijb:

    Meine Theorie wäre, dass irgendwer das „Crew“-Papier/Schild einfach vom letzten „Tatort“-Dreh weiterverwendet (hat).

  11. Michael Engelbrecht:

    Oder sie drehen die Fortsetzung😂

    Aber das wird nach den Verrissen nicht passieren.

  12. Martina Weber:

    Also, ich habe das Schild im Fahrzeug fotografiert, darauf steht:
    Produktionsfahrzeug
    Tatort „Funkstille“
    Tel: (Angabe habe ich wieder gelöscht)

  13. ijb:

    Wie gesagt: Meine Theorie wäre, dass derjenige das Crew/Produktionsfahrzeug-Schild einfach vom letzten „Tatort“-Dreh weiterverwendet.

  14. Michael Engelbrecht:

    Die müssen sparen, wo sie können!

  15. Martina Weber:

    Damit sinken die Chancen, dass ich ausnahmsweise diesen Tatort ansehe. Wenn ich nichtmal den Titel kenne …

  16. Michael Engelbrecht:

    Martina, nimm mal besser die Nummer raus aus deinem Kommentar. Ich habe sie gerade angewählt, und hatte den Aufnahmeleiter des Mainzer Tatort-Sets am Telefon. Und bei unseren 500000 Lesern wollen wir ja nicht, dass der Kollege sich eine neue Nummer zulegen muss …

  17. Martina Weber:

    Ja, habe ich mir auch schon gedacht; ich hatte auch gezögert, die Nummer reinzustellen. Hast du wenigstens den Titel des Frankfurt-Tatorts herausgefunden?

  18. Michael Engelbrecht:

    Ich hätte die Nummer schon entfernt, aber da fiel mir ein, dass ich ja noch unter Bewährung stehe hier 🤣🤣🤣🤣🤣 – man könnte das als übergriffig bewerten.

    Es war ein launiges Gespräch mit Herrn W.

  19. Michael Engelbrecht:

    Nein, das Rätsel zu lösen, überlasse ich euch. Rufe ihn mal an, den Herrn W. ,ein netter Mensch.

    Ich hatte heute einiges zu tun, mit den JazzFacts am Donnerstag, die erst kurz vorher produziert werden. Und nebenher bin ich diesen Tatort-comments gefolgt. Und habe nach ca. drei Jahren wieder einen Tatort gesehen. UNKLARE LAGE ist wirklich sehr gut.

    Heute Abend um 22.15 WDR – ein alter Tatort mit Schimmi und seinem alten Assi, der so viel früher als Götz George starb. Die haben auch nicht immer die Sterne vom Himmel geschossen, aber ich war trotzdem meist sehr gern dabei.

  20. Michael Engelbrecht:

    Ich bin etwas angefixt.

    Ein toller Tatort mit den Münchnern war auch DER TIEFE SCHLAF, der mit Chandler allerdings wenig zu tun hatte.

    Und, wie ich gerade gelesen habe soll der in diesem Jahr gesendete LASS DEN MOND AM HIMMEL STEHN, auch mit den Münchnern, ziemlich grandios sein, der einen oder andern Kritik zufolge …

    Gibt es die eigentlich alle bei tatort.tube im Archiv?

  21. Martina Weber:

    Da hab ich ja was ausgelöst … Ich habe gestern, zum ersten Mal, wie ich gestehen muss, Stanley Kubricks 2001 Space Odyssey gesehen. Diesen Trip kann kein Tatort dieser Welt überbieten.

    Georg Seeßlen schreibt im Vorwort seines großartig geschriebenen und fundiert recherchierten Buches Stanley Kubrick und seine Filme:

    „Einige von Stanley Kubricks Filmen haben mich so sehr getroffen, daß ich mich von ihnen, glücklicherweise, für kurze oder sogar längere Weile aus der Bahn geworfen fühlte. Das hatte damit zu tun, vermute ich, daß diese Filme selber so sehr von der Bahn handelten, und davon, wie man aus ihr geworfen werden kann, und damit, daß sie mit vielem zu tun hatten, aber immer wesentlich mehr als mit diesem vielen mit sich selbst.“

  22. ijb:

    Viele „Tatort“-Folgen sind sehr lange in der ARD-Mediathek zu sehen. Diese Tube kannte ich bis heute nicht, vermute, dass das auch mit der ARD-Mediathek zusammenhängt.

  23. ijb:

    Der tiefe Schlaf:

    1. Ja, das war der mit Fabian Hinrichs – auf den hin er aufgrund des großen Erfolgs dann „seinen eigenen Tatort“ bekam, der dann aber leider wegen schlechten Drehbüchern aus Frustration hauptdarstellerseitig sehr bald wieder versandet ist.

    2. Der Regisseur Alexander Adolph ist einer von den wenigen Fernsehregisseuren, von dem ich mir eigentlich jedes Mal einen Tatort oder anderen Film anschaue, wenn ich mitbekomme, dass einer kommt. Er hat vor langen Jahren einen Dokumentarfilm über Hochstapler gemacht und dann im Anschluss als Spielfilmdebüt einen sehr guten Hochstaplerfilm mit Devid Striesow in der Hauptrolle.

    Apropos Fabian Hinrichs: Ich habe vor einigen Jahren mal eine zehnteilige Gesprächsreihe gemacht, mit zehn bekannten deutschen Schauspieler/innen, jeweils 30 bis 35 Minuten lang. Da gibt es auch eine Episode mit Hinrichs (aber sie sind alle sehenswert, das darf ich sagen, weil ich die Gespräche nicht geführt habe, sondern andere, bekanntere Leute; ich habe nur Regie und Schnitt dabei übernommen). Das Projekt ist auf DVD erhältlich. Drei der zehn Folgen (Ulrich Matthes, Jens Harzer und noch irgendeine dritte) kann ich auch auch per Passwort als Online-Link vermitteln – falls jemand Interesse hat, bitte E-Mail.

  24. Olaf Westfeld:

    Ich habe sicherlich 10 Jahre lang jeden Sonntag mit meiner Frau den Tatort gesehen, ganz klassisch und spießig. Das war ein sehr nettes gemeinsames Ritual… und ist auch schon wieder 10 Jahre oder so her. Jetzt schaue ich alle zwei Monate oder so einen. Wenn ich es mitbekomme die von Dominik Graf oder mit Ulmen / Tschirner oder wenn es sich halt mal ergibt. Hier quer zu lesen, macht jedenfalls Lust, jetzt beginnt ja auch die Jahreszeit zum Fernsehen und Serien schauen.
    Aber ich glaube jeder Kubrick ist besser… so etwas kann man ja nicht immer sehen. Ich bin sehr glücklich, fast viele davon im Kino gesehen zu haben, ich glaube Barry Lyndon ist auf einem Fernseher mäßig, im Kino sind diese Bilder großartig. Diesen Überfall von The Killing fand ich auch beeindruckend und das Ende, all die Scheine werden durch den Nachthimmel gewirbelt (so erinnere ich es ).

  25. Jan Reetze:

    Just for fun: Hier ist ein alter Text von mir, den ich 2010 zum 40-jährigen „Tatort“-Jubiläum geschrieben habe (damals in Deutsch und Englisch). Viel habe ich davon nicht wegzunehmen, außer vielleicht die Einschätzung der „Toten Taube“ als „grottenschlecht“. Aber als der Film neu war, fand ich das wohl, trotz CAN.

    ***

    Vor einigen Tagen feierte die deutsche TV-Krimireihe „Tatort“ ihren 40. Geburtstag. „Tatort“ (im Englischen etwa „crime scene“, keine Verbindung zu den diversen „C.S.I.“-Serien des US-Fernsehens) war von Beginn an eine Erfolgsstory und ist bis heute einer der großen Zuschauermagnete des deutschen Fernsehens. Nach wie vor beenden ungefähr 10 Millionen Zuschauer ihre Wochenenden regelmäßig mit dem charakteristischen Fadenkreuz-Vorspann. Dieses Logo ist über die Jahre hinweg nur moderat verändert worden, auch die Titelmusik (geschrieben von Klaus Doldinger) wurde zwar von Zeit zu Zeit behutsam modernisiert, ist aber im Prinzip seit 1970 dieselbe – und wer sie einmal gehört hat, wird sie so leicht nicht wieder los (aber versuchen Sie mal, sie zu singen!).

    Ich bin alt genug, noch die erste Folge zu erinnern: „Taxi nach Leipzig“, ausgestrahlt am 29. November 1970. Gedreht wurde eine Folge pro Monat. Das änderte sich erst Ende der Neunziger; heute produziert die ARD um die 30 Folgen pro Jahr – 781 bis jetzt. Die typische „Tatort“-Folge startet am Sonntag nach der „Tagesschau“ (Deutschlands wichtigster Nachrichtensendung) um 20.15 Uhr, dauert 90 Minuten und liefert oftmals Kinoqualität. Tatsächlich erlebten einige „Tatort“-Filme der achtziger Jahre ihre Premiere im Kino, bevor sie im Fernsehen gesendet wurden. Eine Episode („Tote Taube in der Beethovenstrasse“, Regie: Samuel Fuller, 1973) erreichte sogar einige Kinos in den USA – was schade ist, denn sie war grottenschlecht.

    Das Grundkonzept der „Tatort“-Reihe ist die Verankerung in der Region. „Tatort“ ist eine Produktion der ARD, einer der beiden öffentlich-rechtlichen Senderketten Deutschlands. Die ARD besteht aus neun Sendern; prinzipiell hat jedes Bundesland einen, einige der größeren Sender bedienen allerdings jeweils mehrere Bundesländer. Zusammen liefern sie „Das Erste“, das älteste bundesweite Programm. Die „Tatort“-Reihe macht sich diese Konstruktion zunutze: Jeder Sender hat seine eigenen „Tatort“-Kommissare und lässt sie in jeweils ihrer eigenen Stadt agieren. Das ermöglicht eine Menge Lokalkolorit und funktioniert nach wie vor gut.

    Die ARD hat von Anfang an eine Menge Geld in den „Tatort“ gesteckt. Die Kommissare wurden zumeist von exzellenten Schauspielern verkörpert – um einige zu nennen: Klaus Schwarzkopf war der bedächtige Kieler Kommissar Finke, Walter Richter gab den griesgrämigen und cholerischen Kommissar Trimmel aus Hamburg, Hansjörg Felmy spielte den Essener Kommissar Haferkamp, Frikadellen-mit-Senf-Liebhaber und immer noch verliebt in seine „Ex“, in München spielte Gustl Bayrhammer den gemütlichen Kommissar Veigl, der stets seinen Dackel dabeihatte, Sieghard Rupp war der Zollfahnder Kressin, ein latent schmieriger Womanizer aus Köln. (Mit Ausnahme des letzteren liegen alle diese Darsteller bereits unter der Erde …) Auch Österreich und die Schweiz waren mit eigenen Kommissaren an der Reihe beteiligt.

    Die Drehbücher insbesondere der frühen „Tatort“-Folgen stammten von exzellenten Autoren, unter anderem von Herbert Lichtenfeld, Wolfgang Menge, Dieter Wedel, Eberhard Fechner und Friedhelm Werremeier. „Tatort“ war auch die Startrampe für so manchen Schauspieler und Regisseur; der wohl bekannteste Regisseur dürfte Wolfgang Petersen sein, der später mit „Das Boot“ (1981) und „Die unendliche Geschichte“ (1984) zu Weltruhm gelangte. Er entwickelte seinen Regiestil in den sechs „Tatort“-Folgen, die er zwischen 1971 und 1977 drehte. Eine andere „Tatort“-Entdeckung war die damals 15-jährige Schauspielerin Nastassja Kinski („Reifezeugnis“ von 1976); eine weitere Episode brachte einen jungen Jürgen Prochnow ins Blickfeld („Jagdrevier“, 1973).

    In den Frühzeiten des „Tatorts“ waren die Kommissare zwar wichtig, aber sie standen nicht im Zentrum der Geschichten. Tatsächlich fand sich in der damaligen „Tatort“-Serienbibel für die Autoren die Anweisung: Der Kommissar sollte innerhalb der ersten Stunde auftreten. Das hieß: Die Autoren hatten viel Platz, um Handlung, Charaktere und Motive zu entwickeln.

    Zu konsequenten „whodunnit“-Krimis wurden die „Tatorte“ erst um 1980. Auch die Kommissare – vermutlich im Fahrwasser der erfolgreichen US-Serie „Miami Vice“ – wurden nun drastisch verändert, und mit ihnen veränderten sich Sets und die Atmosphäre.

    Die ersten Kommissarinnen tauchten auf (Karin Anselm als Kommissarin Hanne Wiegand aus – wenn ich mich richtig erinnere – Heidelberg; Ulrike Folkerts trat in Ludwigshafen ihren Dienst als Hauptkommissarin Lena Odenthal an, sie ist noch heute aktiv).

    Die jeweiligen Assistenten der Kommissare traten verstärkt in den Vordergrund und das Verhältnis zwischen Kommissar und Assistent wurde Teil der Handlung. Zudem schrieben ihnen die Autoren zunehmend bestimmte „running gags“ und „catch phrases“ ins Buch. Manfred Krug und Charles Brauer als die Hamburger Kommissare Stoever und Brockmöller – ein unvergessliches Duo – etwa hatten in jeder Folge eine alte Swingnummer zu singen, während sie ihren Fall lösten. Ein weiteres Dreamteam waren Götz George und Eberhard Feik als Duisburger Kommissare Schimanski und Thanner. Schimanski ließ für eine Bratwurst und ein Bier alles stehen und liegen, trug stets einen alten Parka und benahm sich oft zweifelhaft, und es gab Fans, die am Bildschirm Strichlisten führten, wie oft er in einer Folge „Scheiße“ gesagt hatte (zumeist kamen zweistellige Zahlen dabei heraus). Von Zeit zu Zeit konnten die beiden das im Film sogar ironisieren.

    Mitte der neunziger Jahre ging mein Interesse an der „Tatort“-Reihe dann langsam, aber sicher zurück. Hauptgrund dafür waren einige Maschen, die in den „Tatort“ eingeführt wurden. Etliche Folgen versuchten sich nun mit zumeist hanebüchenen Fällen an Sozialkritik (oder was die TV-Redakteure dafür hielten); viel zu häufig sah man förmlich das Wort „erschütternd“ durch die Szenerie schweben. Andere Episoden wurden mit unnötig harten Gewaltdarstellungen oder sexuellen Abseitigkeiten angeschärft. Nicht immer, aber immer öfter konnte man schon von Anfang an darauf wetten, dass der Film auf Kindesmissbrauch, sexuell motivierte Gewalttaten oder Inzest hinauslaufen würde. Auch Neonazis, Menschenhandel oder Kinder als User von Designerdrogen wurden gern genommen. Es konnte offenkundig kaum düster genug sein.

    Zunehmend hatten die Ermittler nun auch mit Psychopathen und sonstigen Durchgeknallten zu tun – und das ist für die Dramaturgie eines Krimis immer problematisch, weil die Taten eines Psychopathen kein Motiv brauchen. Er kann sich beliebig brutal und unberechenbar verhalten, ohne dass irgendein nachvollziehbarer Grund dafür benötigt würde. So kam es zu „Tatort“-Folgen, in denen ein schier unerträgliches Level von Hysterie aufgebaut wurde, um die Kiste über ihre 90 Minuten zu schleppen, und so mancher Plot driftete darüber ins komplett Absurde ab.

    Konsequenterweise auch wurden die Episoden immer klaustrophobischer ausgeleuchtet und aus immer seltsameren Kamerawinkeln gefilmt. Aber es hilft nichts, die Kölner Südstadt oder Sindelfingen werden nicht zur Bronx, egal, wie man sie beleuchtet. Es war schlicht albern. Nicht zu vergessen im übrigen jene Episoden, die in kleinen Dörfern angesiedelt waren: Hier konnte man sicher sein, dass hinter den Fenstern des Schweinestalls der blanke Horror zu Hause war und die Polizei auf die offenbar unvermeidliche „Mauer des Schweigens“ stoßen würde.

    Von Zeit zu Zeit versuchte der „Tatort“ auch, bestimmte „Jugendszenen“ auszuleuchten (etwa die Hiphop-Szene), oder man begab sich in bestimmte „Milieus“, etwa die Schwulenszene an einer Kunsthochschule, eine brasilianische Capoeira-Gruppe, oder man nahm den Voodoo-Zauber unter afrikanischen Immigranten unter die Lupe. Üblicherweise ging das schrecklich schief und wirkte hergesucht – außer, die Sache wurde von der ironischen Seite her betrachtet. Das hat manchmal funktioniert; ich erinnere etwa die Folge „Tod im All“ (1997), eine wunderbare Nonsens-Folge, in der Lena Odenthal und Mario Kopper in der Ludwigshafener Esoterik-Szene zu ermitteln hatten – ein Bestseller-Autor morphte zu einem Alien, und am Ende hob ein alter Wasserturm als Rakete ins All ab. Eine andere hochironische Folge spielte in der Deutschen Volksmusik-Szene. Aber solche Folgen waren und sind die Ausnahme.

    Ein paar Jahre ging das so seinen Gang, schließlich aber zerfaserte dieses Konzept. Die Antwort der „Tatort“-Macher darauf bestand darin, nun plötzlich die Kommissare selbst ins Zentrum der Handlung zu stellen. Einerseits tauchten Ermittler auf, die zum Teil selbst mit ernsten persönlichen Schwierigkeiten oder psychischen Problemen zu kämpfen hatten; andere – wie etwa Kommissar Thiel und der Rechtsmediziner Börne aus Münster – waren von vornherein als komisches Paar angelegt. Was eine Zeitlang witzig sein mochte, aber dieses Prinzip muss naturgemäß von Folge zu Folge gesteigert werden und läuft sich irgendwann trotzdem tot. Und es ist auch nicht das, was ich von einem guten Krimi erwarte.

    Der wohl ärgerlichste Gimmick aber, den die „Tatort“-Macher jemals entwickelten, bestand darin, die „Tatort“-Kommissare auf einer persönlichen Ebene in die Fälle zu verwickeln, die sie jeweils gerade zu lösen hatten. Diese Masche war ebenso nervtötend wie vorhersehbar: Wurde der Ermittler zu einer Geiselnahme gerufen, konnte man Gift darauf nehmen, dass sein Sohn oder seine Frau unter den Geiseln waren; wurde in einem Park irgendwo am frühen Morgen eine weibliche Leiche entdeckt, konnte man wetten, dass die Frau in der Nacht vorher noch lebendig im Bett des Kommissars gelegen hatte.

    Die „Tatort“-Reihe hat seit etwa 2000 jene Qualität verloren, die ursprünglich mal ihr Kennzeichen war: Realismus. Die Kommissare ebenso wie die Fälle wurden unwahrscheinlicher und unglaubwürdiger, und immer mehr auch wurden die Fälle ins private Umfeld der Kommissare hineingestellt.

    Dreißig Folgen pro Jahr entwickeln, schreiben und drehen zu müssen ist eine enorme Menge Holz. Folglich werden die Episoden gleichförmiger und wirken zunehmend wie nach einem Rezeptbuch geschrieben – besonders nach Rezepten aus den einschlägigen „Wie-schreibe-ich-ein-Drehbuch“-Ratgeberbüchern. Die Plots sind vollgestopft mit allen möglichen Details, deren einziges Ziel es ist, Subplots zu generieren, die den Film „komplexer“ wirken lassen sollen, die in Wahrheit jedoch nur Verwirrung stiften, ohne irgendwelche Spannung zu liefern. Ich gestehe, dass ich bei etlichen „Tatorten“ der letzten Jahre spätestens nach 20 Minuten den Anfang vergessen hatte; nach 40 Minuten hatte ich keine Ahnung mehr, wovon die ganze Story überhaupt erzählte. Nur auf eines kann man sich verlassen: Um 21:35 Uhr, in der achtzigsten Filmminute, rücken mit Blaulicht und Martinshorn die Polizeifahrzeuge zum Showdown aus, um den bereits halbtoten Kommissar aus der Falle zu retten, in die er sich hat locken lassen. Um 21:43 Uhr ist der Fall gelöst und der Täter in den Streifenwagen verfrachtet. Man kann die Uhr danach stellen.

    Trotzdem. Der „Tatort“ ist eine Institution. Es ist ihm mehr als einmal gelungen, sich neu zu erfinden, und zur Zeit scheint gerade wieder einmal ein Generationswechsel anzustehen. Der „Tatort“ war immer (wenngleich manchmal wohl unbeabsichtigt) auch ein Spiegel des Zeitgeistes. Ein amerikanischer Zuschauer, so er der deutschen Sprache mächtig ist, könnte aus diesen Krimis wahrscheinlich mehr über die deutschen Befindlichkeiten in den jeweiligen Jahrzehnten erfahren als aus soziologischen Abhandlungen. Und es gibt nicht mehr viele Sendungen, über die man das sagen könnte – leider.

    In diesem Sinne also: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber „Tatort“ – auf dich und die nächsten 40 Jahre!

    Nebenbei bemerkt: Die neuen „Tatort“-Folgen stehen nach ihrer Ausstrahlung eine Woche lang hier in der ARD-Mediathek und können weltweit online angesehen werden, allerdings nur in deutscher Sprache.

  26. Michael Engelbrecht:

    Wie wahr, Jan: unterschreibe das meiste :)

    Es gab über Jahre einen studierten Philosophen beim WDR, der, und wir reden hier von Jahren, die erst ein paar Jahre her sind, der besprach im Radio, oder schriftlich, jeden neuen Tatort. Und da stellte sich mir schon, als ich ihn bei den 1. Aachener Krimitagen live erlebte, die eine grosse Frage: WARUM?


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