Ich weiss nicht genau, wann die Idee Gestalt annahm. Als ich die Neuausgabe von Wim Wenders‘ „Bis ans Ende der Welt“ sah, und mich fragte, ob das auch eine Art „Roadmovie“ sei, wenn ich mit meinem in die Jahre gekommenen Toyota die einsamen Räume von Sylt erkunde, jetzt, wo die Insel unheimlich leer ist, und man sich in einem seltsam apokalyptischen Szenario wähnen könnte? Als ich in letzter Zeit wieder und wieder Erinnerungsbilder aufspürte, von meiner Kindheit, von grossen Ferien auf Borkum, Langeoog, und einmal auch Sylt? Und schliesslich heisst mein Nachtprogramm „Klanghorizonte“. Und da geht es um mehr als „nur“ um Musik.
Es gibt den Tagesjournalismus vor Ort, Berichterstatter, die für einen Tag auf die Insel fahren, Stimme einsammeln, und ein Schlaglicht werfen auf eine Krisensituation auf der „Insel der Reichen und Schönen“. Eine Schlagzeile mit Schlagseite: ein Klischee mit nur einem Körnchen Wahrheit. Die Stimmen ähneln sich natürlich, ob in Augsburg, Hannover, oder Westerland. Ein Element des Unwirklichen kommt stets hinzu, wird aber leicht verdrängt im alltäglichen Umgang mit der stillen Horror von Covid 19.
Ich plante also, eine ganze Reihe von Tagen und Nächten auf der Insel zu sein, und meine Erlebnisse, Begegnungen und Tagebuchnotizen in eine Radiostunde münden zu lassen. „In Hörnum steht die Jukebox still – eine Insel im Lockdown“. Als Teil der Radionacht Klanghorizonte im Deutschlandfunk am 20. Juni. Dazu die Musik, die den „horror vacui“ einfängt, die insuläre Einsamkeitserfahrung, aber, im Idealfall, auch eine Überwindung der traumatisierenden Situation aufzeigen kann.
Ich recherchierte im Netz, und stellte meinen Antrag auf eine Sonderakkreditierung für die Zeit vom 28. April bis zum 3. Mai bei der Landesregierung Schleswig-Holstein. Ich spielte mit offenen Karten, dass es sich um eine „kulturelle“, keine tagesaktuelle Sendung handle, aber eben auch einen Bericht über eine Insel im Ausnahmezustand. Die Pressestelle war äusserst kooperativ, und bewilligte mir, obwohl es der alltäglichen Praxis zuwiderlaufe, genau diese Aufenthaltsdauer, wobei ich in der Mitte der Zeit, ein rein formeller Akt, eine Verlängerung für die Restzeit beantragen könne. Bis auf die erste Nacht, in der ich vielleicht einen Campingwagen in Rantum bewohne, bin ich in Westerland untergebracht, im „Sylt-Motel“. Das wird eine seltsame Reise.