Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 11 Mrz

Kongolesisches Wurzelkraut

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Man verbindet den Namen Lanzarote mit schwarzem Sand, Vulkangestein, Lavahöhlen, kleinen Buchten, sonnenbrandgeschädigten Briten, Fischrestaurants in El Golfo, ungewöhnlichen Weinanbaugebieten. Weniger mit Reggae. Und es ist auch ein Riesenzufall gewesen, dass ich vor ein paar Jahren, hier, bei einem Konzert von Nils Petter Molvaer in Jameos del Agua, Steve kennenlernte, einen ausgewiesenen Reggaeliebhaber und Reggaeforscher. Da er ein kleines Häuschen besitzt nahe Haria, gehört ein Treffen mit Steve im „Restaurant der fünf Brüder“ zu meinen beständigen Ritualen bei einem Besuch auf der Insel. Als wir gestern auf den „Fisch des Tages“ warteten, erzählte er mir von der allerletzten Produktion Lee Perrys in dessen legendärem Black Ark Studio.

 
 

 

 
 

Manchmal glaube ich, das Steve seine Stories von Reggae und Dub aus „goldenen Zeiten“ mit einem Schuss magischen Realismus garniert. Zum kräftigen warmen Wind, der von Marokko her herüberwehte, runzelte ich die Stirn und bezweifelte, dass Lee Perry so sauber Buch geführt habe in seinem mythenumwobenen Low-Tech-Paradies, welches Musikgeschichte schrieb, bis der Meister selbst alles abfackelte, dass dieses „letzte Mal“ wirklich diesseits von Gerüchten und jamaikanischen Blaubartgeschichten existieren würde. – No kidding, sagte Steve, und erzählte mir folgendes. Ich habe es aus der Erinnerung aufgeschrieben, und gestehe, dass ich immer skeptischer wurde, je länger er davon erzählte.

 

Okay, der Anfang dürfte vielen bekannt sein. Zumindest den Lesern, die mehr als fünfzig Reggaealben besitzen. Als die Siebziger Jahre allmählich ausklangen, verlor Lee Perry mehr und mehr seine Geduld. Auf der einen Seite hingen zu viele dubiose Gestalten im Studio herum, es gab Ärger und schlechte „vibes“ – Lee Perry krakelte die Wände voll mit unentzifferbaren Wörtern. Auf der anderen Seite verschlechterten sich seine Beziehungen zu Island Records zunehmend. Obwohl er mit John Martyn, Robert Palmer, Linda McCartney und The Clash gearbeitet hatte, fehlte es dem Innovator an Anerkennung – vorwiegend wurde seine frühe Zusammenarbeit mit Bob Marley ins Spiel gebracht, und die Herren von „Island“ schienen einzig an kommerzfähigen Sounds interessiert zu sein. Als er ihnen einen verblüffenden Remix von „Heart of The Congos“ anbot (und wir reden hier von einem Klassiker des „roots reggae“), schien Perry nur noch auf „taube Ohren“ zu stossen. „Unacceptable“, hiess es. Was Lee Perry nicht davon abhielt, und nun wird es ominös, eine letzte Produktion in Angriff zu nehmen, bevor das Studio in Flammen aufgehen sollte, mit ganz realen Figuren der kongolesischen Musikszene. Ich notiere das Gespräch mit Steve aus der Erinnerung.

 

  • Und diese Musiker hatten eine Einladung, nach Jamaika zu reisen?
  • Ja, gleich zweimal. Lee Perry war von der Idee eines Afro Jazz-Reggae-Fusion-Albums angetan, und hatte mit Molenga und Kawongolo ja schon im Jahr 1978 gearbeitet, aber das verlief irgendwie im Sande. Dann befeuerte Perry die Idee von neuem, und die Sessions wurden fortgesetzt. Sein Lockruf war klar und deutlich zu vernehmen: „Congo is the root.“ Er hatte seine Bläser ins Studio geholt, und seine bewährten Trommler.
  • Und warum hat man davon kaum je vernommen?
  • Nun, die Story ist etwas konfus: Molenga lieferte eine Fassung im Hauptquartier von „Island“ ab, aber das war seinen Worten zufolge nicht der „final mix“, den er im „Black Ark“ gehört hatte. Nun klang es angeblich muffig – exzessives „delay“, vollkommen verdröhnter Hall. Molenga vermutet, dass Lee Perry sauer war auf die Londoner Zentrale, und die Musik wohl absichtlich sabotiert habe.
  • Klingt wirklich verrückt.
  • Ja, Molenga behauptet, er habe die Musik zu einem kleinen Label gebracht, ein bisschen an ihr gearbeitet, und sie dann in kleiner Stückzahl auf den Markt bringen lassen. Das ist umstritten. Denn die „multitrack“-Fassung muss bei Perry geblieben sein, und die Neuausgabe 2020 basiert auf einer unangetasteten Vinyl-Platte. Die ganze Sache bleibt ein wenig mysteriös.
  • Und was sagt der Experte?
  • Du wirst es hören. Man singt Lingala, Yangi, und Englisch, der Überschwang dieser magischen Begegnung der Kulturen ist unüberhörbar, und alles erschallt in diesem besonderen Gebräu des Black Ark-Sounds. Man traut da manchmal seinen Ohren nicht.
  • Hört sich märchenhaft an. Ich spendiere eine Flasche vino rosado, Steve, vom spanischen Festland, mein Lieblingsrosé, wenn ich hier auf der Insel bin.

 

This entry was posted on Mittwoch, 11. März 2020 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Norbert Ennen:

    Geordert.

  2. Michael Engelbrecht:

    Sowas von surreal.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz