Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

„Wenn du ein Improvisator bist und versuchst, Musik innerhalb der Musik zu erschaffen, und mit einem Gespür für Orchestrierung und Skulptur spielst, egal, um welche Art von Musik es sich handelt, wird das Spiel zu einem intimen Ausdruck. Dafür must du mit einem  Empfinden für die Umgebung agieren, und wenn dir das gelingt, übersetzt du die Musik für die jeweiligen Zuhörer. Wenn du in einem Club wie der Unterfahrt in München auftrittst, kannst du den Ort in eine Konzerthalle verwandeln.

Und wenn du in einer grossen Arena spielst, kannst du ihn in einen intimen kleinen Jazzclub  verwandeln. Wie das Village Vanguard. Es geht um die Haltung deiner Spielweise. Und wie du die Musik den Zuhörern nahebringst. So gibt es gewiss bestimmte Bands, die mit der Vorstellung einer Tanzparty spielen. Wir machen das nicht. Der jeweilige Ort ist eine Inspiration, deine Gefühle auszudrücken. Egal, wo du bist.  Einige schwerer zu bespielenden Orte wären grosse Bühne im Freien, und das mit Musik, die so innerlich ist wie die dieses Trio – aber der Aufführungsort hier und heute in Bonn, oder der Pierre Boulez-Saal in Berlin, sind wunderbar.“

(Joe Lovano)

 

Das Studio Sear Sound in New York enthält verschiedene Dimensionen, Möglichkeiten, Musik aufzunehmen. Wir platzierten uns als Trio im gleichen Raum, ich spielte ohne Kopfhörer, und so wie das Schlagzeug von Carmen aufgestellt war, und das Piano von Marilyn,  bildeten wir einen Kreis im Raum, konnten uns direkt wahrnehmen und diese intime akustische Musik spielen. Natürlich kann man mit Kopfhörern arbeiten, um bestimmte  Dinge herauszustellen, im glei hen Studio kannst du das Schlagwerk auch in einem abgetrennten Stand platzieren, du kannst die Instrumente räumlich separieren. Ich war schon öfter im Sears Sound, um Alben aufzunehmen, und kenne die Optionen.  Mit dem Trio Tapestry waren wir an grösster Unmittelbarkeit inzeressiert, und spielten so, wie heute Abend. Mit einem realen Gefühl des Zusammenseins.

Das Album enthält gewiss einige der stillsten Momente, die ich je gespielt habe. Und das gilt für uns drei gleichermassen. Wir agieren auf eine so klare Weise, folgen allein dem Sound, in einer Balance von stimulierenden Impulsen und  Aufeinander Eingehen. Ich schrieb Kompositionen, die  in ihrer Essenz friedvoll sein sollten. Mit der Möglichkeit, für jedes dieser  Raum Öffnenden Stücke eine besondere Stimmung zu schaffen. Ich wollte keine agressive  Haltung einbringen, davon gibt es genug, wenn ich nur an die gegenwärtigen Hösslichkeiten auf der Weltbühne denke, ich wollte  dem eine  Schönheit entgegensetzen, und dafür Kompositionen schreiben, die sehr harmonisch und melodisch angelegt sind, aber mit einem sehr viel freieren Areal für das rhythmische  Element, so dass sich ein wahrer Wandteppich ergibt – die Gruppe Trio Tapestry zu nennen, war Teil des Planes.  Und so kamen die Ideen zusammen für mich als Komponist der Session.“

(Joe Lovano)

 

Wie auch immer man das Wort „tapestry“ übersetzen möchte, als Wand- oder Bilderteppich – dieser eigenwilliger Musik kann man feinste Klang-Knüpftechniken attestieren, und tiefe Dreidimensionalität. Sie speist sich aus feinsten Spuren asiatischer Meditationsklänge ohne New Age-Geschmäckle, aus Elementen der 12 Ton Musik jenseits unterkühlter Abstraktion, und jeder Menge verwandelter,nie nur solide vorgeführter Jazzhistorie. Feinsinnigkeit und Intensität in perfekter Verbindung. In New York entstand die CD/LP-Produktion des Trios unter der Regie von ECM-Chef Manfred Eicher. Die Reihung der Stücke, und das gilt nicht zuletzt für die Vinylausgabe, ist ein Lehrstück für exzellentes „sequencing“.

This entry was posted on Donnerstag, 25. Juli 2019 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Olaf:

    Ich habe schon länger den Eindruck, dass Trio Tapestry ein Album des Jahres für mich sein könnte (neben Playing the Room). Deine letzten Zeilen (tiefe Dreidimensionalität, asiatische Meditationsklänge ohne New Age, etc). bestätigen das. Warum ich mir die LP noch nicht gekauft habe – ein ganz profaner, leider sehr oberflächlicher Grund – das Cover ist für meine Augen ziemlich häßlich (für ECM untypisch). Nun, vielleicht gebe ich dem jetzt trotzdem noch eine Chance.

  2. Michael:

    Das Album kann ohne Übertreibung, in gutem Neudeutsch, als „Instant Classic“ bezeichnet werden. Das Cover, Olaf, ist, gemessen an ECM-Standards, natürlich leicht verblüffend: in der Tradition neuerer Hochglanzphotos von Blue Note Records, sieht man den korpulenten Musiker mit Hut das Saxofon blasen, vor dem East River, der Brooklyn Bridge, und dem Lichterfunkeln der nächtlichen New Yorker Skyline. Aber irgendwie auch wieder witzig!


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