Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Als ich das Foyer aus Glas und Stein meines Agenten betrete – jeder hat ja heute meist sogar mehrere Agenten: Versicherungsagenten, Kulturagenten, Finanzagenten, Gesundheitsagenten, Zeitagenten, Freizeitagenten, Geheimagenten, Entsorgungsagenten etc. – fällt mein Blick auf einen neuen FreeCard-Ständer in dem sonst puristisch leeren Raum. Zwischen den üblichen Sprüchekarten – „Streng mal die Synapsen an!“ – eine kleine bunte Karte auf der ein paar ungelenke Fußballer einer alten Zeichnung in geometrische Felder übergehen: eine Werbekarte für ein extraordinäres Technoalbum von Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick: Echo. Diese drei klassisch ausgebildeten Multiinstrumentalisten und Ausnahmemusiker fragten sich irgendwann einmal, ob es nicht möglich wäre mit akustischen Instrumenten ihrem gemeinsamen Faible für Technomusik Ausdruck zu verleihen und gleichzeitig, dank ihrer Schulung, etwas zu schaffen, was sich nicht immer gleich anhört. Ein paar Samples, Four to the floor, ein Laptop und nun ja, scheißegal wer dahinter steht, das konnte es ja nicht gewesen sein. Also klassische Instrumente samplen, einen alten Moog dazuholen, einen scharfen Groove im 17/4-Takt anstimmen und schon ist der kulturbeflissene Bildungsbürger ähnlich verwirrt wie der maximal rauschbetrancete Clubgänger gegen Sonnenaufgang. Das war 2010: You Make Me Real. Echt! Bop.

Fünf Alben später sind sie nun wieder nahe an ihren Ursprung zurückgekehrt und liefern mit Echo ein minimalistisches, humorvoll verspieltes, groovig-tanzbares und höchst originelles „Technoset“ ab, das sicherlich zu den spannendsten Veröffentlichungen dieses Jahres gerechnet werden muss. Gleich am Anfang kriegt man hier schon den Rest (soll wahrscheinlich eher Rast bedeuten, wäre dann aber als professioneller Hochstart das glatte Gegenteil) und arbeitet sich – Steve Reich lässt grüßen – über ein atmospärisch dichtes Stück nach dem anderen zum Titelsong Echoes (kein erkennbares Zitat an Pink Floyd!) bei dem Anna Wappel in ganz eigener Weise zu dem sich komplex rhythmisch verdichtenden Stück singt. Dazwischen kleine Chamber-Miniaturen, die zu Encore mit der französisch singenden Catherine Ringer überleiten und einen schließlich recht unvermittelt auf dem Mont Blanc absetzen. Mein Tanzagent und mein Kulturagent entspannten imperativ ihre Synapsen und empfehlen ausnahmsweise einmal spontan einstimmig diese intensiv minimalistische emotional vermenschlichte maschinelle Körpermusik; Echt: Echo

 
 
 

 

This entry was posted on Dienstag, 18. Juni 2019 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Lajla:

    Auf diese tolle Werbekarte hätte ich auch reagiert. Ihre Musik hat was von der Neuen Deutschen Welle. Jan, Uwe, was meint Ihr? Ich denke an Trio: „Dadada, Aha Aha …“

    Ich bin ja von der Musik her eher kein Technomädel, aber vom Tanz her würde ich bei jedem Workshop erst mal Echo auflegen und einleiten mit: „Jetzt aber mal die Synapsen locker machen.“

  2. Uli Koch:

    Habe die Neue Deutsche Welle während meiner Zivizeit im sozialen Brennpunkt viel gehört/hören müssen. Da gab es schon einige richtig gute Songs, aber die Masse war einfach banaler. Es könnte aber vom Alter her die Sozialisationsmusik von Brandt Brauer und Frick sein und tief im Unterbewusstsein Spuren hinterlassen haben. Aber Echo zielt eher auf Komplexität und minimalistischen Groove, ist durchkomponierte Kunstmusik, wohingegen die Neue Deutsche Welle sich das provokativ simpel Gekünstelte als Programm gesetzt hatte.

    Hier noch ein Link zu einem bizarren Clip der Gruppe …

  3. Lajla:

    Das Video strotzt ja vor sinnlichem Übermut: von morbid bis geil 👍


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