„Ich muss nicht an irgendwelchem Zirkus teilnehmen, um wahrgenommen zu werden, sondern ich kann ich sein – und ich kann das in aller Radikalität. Ich kann wirklich eine ganz private, zurückgezogene Existenz führen – mir sehr zur Freude.“
(W. Rihm)
Dieses Fernsehporträt hatte ich mir vorgemerkt. Dem Misstrauen gegenüber Mediatheken geschuldet (nicht alle sind so fix wie Netflix) schaltete ich gegen meine Gewohnheit schon tagsüber den Fernseher ein, denn normalerweise bekomme ich vom daytime viewing eine semi-depressive Stimmung. Zur besten Frühschoppenzeit am Sonntagmorgen also wurde wiedermal eine Regel durch die Ausnahme bestätigt. Ich ahnte, es würde sich lohnen, aber dass es so gut war – wer konnte das wissen? Was kam, war der Hammer! Soweit ich mich erinnere, waren CDs von Wolfgang Rihm die einzigen aus der Abteilung Klassik, für die ich bereit war, Geld auszugeben, damals als man noch CDs sammelte, wenn auch in stets bescheidenem Maße. „Gesungene Zeit“ beispielsweise, ein Violinkonzert mit Anne-Sophie Mutter. Dann erinnere ich mich gerne auch an ein Interview aus der Essaysammlung Wie kommt das Neue in die Welt?. Dort erzählt der Komponist, sobald ein Termin warte, habe er schon drei Tage vorher schlechte Laune. Das sprach mir mir aus der Seele: hoch lebe die Terminfreiheit für alle Tage! Bemerkenswert, wie dieses empfohlene Fernsehportät zeigt, ist nämlich auch die Qualität der sprachlichen Äusserungen Wolfgang Rihms, in denen sich die Prägnanz seiner Kompositionen widerspiegelt: direkt, präzise, gehaltvoll, existenziell. Wen wundert es, dass ein Denker namens Sloterdijk zu seinen besten Freunden zählt. Es könnte mich positiv umstimmen, solcher Neuer Musik zukünftig mehr Interesse zu schenken. Ins Offene … Kein Zufall, dass auch zu den jüngst zu Gehör gebrachten Piano Improvisationen eines Manafonisten, was die Körperlichkeit und haptische Kraft betrifft, eine Verwandschaft besteht. It´s a stony road he told us and we trusted what he said. Einem Label namens ECM dürften solche Klänge auch nicht fremd sein. Also, Freunde der Musik in Schottland, Kalifornien, Pennsylvania, hierzulande oder anderswo: Wolfgang Rihm – über die Linien. Grenzgänger des Klangs, man schaue sich das an und wird hernach verwundert und verwandelt sein.