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2018 27 Aug

Gregor öffnet seinen Bücherschrank

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Seine Großeltern überlebten auf einem ärmlichen Bauernhof, sein Vater unbekannt. John Williams, Jahrgang 1922, schlug sich nach der Schule als Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und als Radiosprecher durch, meldete sich dann als Freiwilliger bei der United States Army Air Forces. Nach dem Krieg: Studium im Fach Englische Literatur, Promotion, Karriereende als Assistenzprofessor an der University of Missouri (bis 1985). Bereits 1948 veröffentliche Williams sein Debüt Nichts als die Nacht. 1960 folgte Butchter`s Crossing, 1965 Stoner und schließlich 1973 Augustus. Auch wenn sein letzter Roman mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde, konnte John Williams nicht mehr den Erfolg seiner Bücher erleben, er starb 1994.

Anfang des neuen Jahrtausends wird Williams endlich entdeckt, 2013, nach fast 50 Jahren erscheint Stoner in deutscher Sprache, zwei Jahre später Butcher´s Crossing, 2016 Augustus.

Meine John-Williams-Lektüre begann mit Stoner. Stoners Leben wird in einem großen Bogen, von Geburt an, über Kindheit und Jugend – er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf einem Bauernhof auf – Studium, akademische Karriere, Hochzeit, Ehe, Ehekrise, bis hin zu Krankheit und Tod erzählt. Diese Geschichte zu lesen, fasziniert von Anfang an. Der Leser kann so gut nachvollziehen, fast miterleben, wie Stoner versucht, ein gutes, ein wahrhaftiges Leben zu meistern. Ein ums andere Mal scheitert er, beruflich und privat: Auf Grund von Intrigen, hinterhältigen Machenschaften eines Professors bleibt er im akademischen Mittelbau stecken; er heiratet die falsche Frau, klammert sich an sein Kind, versucht immer und immer wieder das erfüllte Leben zu erlangen, vergeblich. Vielleicht ist es gerade das, dass hier jemand versucht, trotz aller Widrigkeiten, sich treu zu bleiben und die Frage „Was macht gutes Leben aus?“ nie aus dem Blick zu verlieren, was den Leser an diesem wahrhaftigen und auch sprachlich grandiosen Roman fesselt. Zitat:

 

Er hatte jene Phase in seinem Leben erreicht, in der sich mit wachsender Dringlichkeit eine Frage von solch überwältigender Einfachheit stellte, dass er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Er begann sich nämlich zu fragen, ob sein Leben lebenswert sei, ob es das je gewesen war …

 

Nach Stoner habe ich, eigentlich war das so gar nicht geplant, einen ganz anderen Williams-Roman gelesen: Butcher`s Crossing. Die SZ nannte diesen Roman einen “Anti-Western“. Mir gefällt diese Bezeichnung nicht, für mich handelt es sich hier um einen ganz unglaublich guten Western, freilich um einen höchst ungewöhnlichen, und ich würde mir dringend wünschen, Wim Wenders würde dieses Buch verfilmen. In Butcher´s Crossing kommt der Held nicht vom Lande, nein,er kommt aus bürgerlichen Verhältnissen und möchte das wahre Leben in der Natur finden, sein Name: William Andrews. Nach seinem Harvard-Abschluss reizt ihn nicht die brügerliche Karriere, sondern die Suche nach einem ursprünglichen, wahrhaftigen Leben. Nachdem unser Held 1870 Boston verlassen hat, trifft er nach langer, beschwerlicher Reise in Butcher`s Crossing, Kansas, auf den Jäger Miller, einen Mann, der die Natur, die Büffeljagd, das ganze Leben kennt, dem man sich anvertrauen kann. Mit ihm und seinem Freund beginnt der Ritt ins große Abenteuer …

Die Witwe von John Williams antwortete im Dezember 2016 der Süddeutschen Zeitung auf die Frage, weshalb ihr verstorbener Mann als Universitätsprofessors diesen Western geschrieben habe:

 

Nun, er lebte im Westen. Die Berge, die Flüsse waren für ihn greifbar. Als er an „Butcher’s Crossing“ schrieb, zog er einfach mit einem Zelt los in die Wälder. Ich glaube, er lag innerlich im Clinch mit Ralph Waldo Emerson, der die Natur für gütig hielt. Ich glaube nicht, dass der Roman autobiografisch ist, aber da steckt viel von seiner eigenen Erfahrung drin.

 

Die Natur wird in diesem Roman ganz und gar nicht als “gütig“ beschrieben, als grandios, das ja, aber eben auch als tödlich. Mich erinnert Sprache und Inhalt so sehr an Ernest Hemingway, an Tod am Nachmittag, Inseln im Strom, Der alte Mann und das Meer und an die Nick Adams Stories, dass ich zuweilen dachte, Hemingway habe einen Western geschrieben. Immerhin, auch ihm ging es letztlich um die Frage nach einem wahrem, einem sinnvollen Leben. Butcher`s Crossing, ein packendes Buch!

This entry was posted on Montag, 27. August 2018 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Gregor:

    Wem die Naturbeschreibungen bei John Williams gefallen, dem sei auch Henry David Thoreau empfohlen. Neu aufgelegt wurde von Jung und Jung „Die Wildnis von Maine – Eine Sommerreise“.

  2. Michael Engelbrecht:

    Mit grosser Freude habe ich das hier gelesen, aich, weil ich bei Western stets hellhörig werde. Mit ähnlich grosser Freude sah ich letzte Woche THE GOOD, THE BAD AND THE UGLY. Und schaute mir im Bonus-Material ein längeres Interview mit Clint Eastwood zu den Dreharbeiten in Spanien an. Absolut interessant. Als der Western totgesagt wurde, gab es alle Jahre wieder seine Auferstehung, auch nach der Zeit von Sergio Leone: wie gerne erinnere ich mich an SILVERADO. Oder später 3:10 TO YUMA. Und was für ein Kracher war es, im letzten Jahr GODLESS zu erleben, auf Netflix. Und wenn mich jemand fragt, einen tollen Western als Roman zu empfehlen, was fällt mir als erstes ein: DAS DICKICHT, von Joe R. Lansdale. Oder, a modern day Western: Endangered, von C.J.Box.


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