Friederike Mayröcker ist ein Morgenmensch. Sie steht zwischen halb vier und vier Uhr auf und arbeitet bis zum Mittag. Sie ist 1 bekennende Exzerpiererin. Jacques Derrida (Die Postkarte, Glas), Peter Waterhouse (Hopkins Journal, eine Übersetzung), Gertrude Stein, Jean Paul (Lebensberichte) usw. Es ist noch dunkel, pink moon, die lady liest, begeistert sich an dem, was in und unter der Struktur der Sprache liegt, sie macht Notizen, beschriftet 1 Blatt Papier und mehr, setzt sich an die Maschine, verwandelt ihr Material in Magie, montiert sie mit anderen, bereits vorhandenen Notizen, die in ihrer Wohnung in Wien in kleinen bunten Plastikkörben gesammelt sind, reihenweise, eine Fülle an Stoff, der sich ausdehnt, schon nach kurzer Zeit völlig verzettelt, Flucht vor die Wohnungstür, Weitertippen im Schneidersitz, von Büchern und Notizen umgeben, die sich ausbreiten, Schutzwall, Sätze und Wörter aus Träumen, Tagebuch einer Diebin, über der die Sterne hängen, 1 Zeile wieder gelöscht, 1 Taumel, Taube, Pulsschlag, freak. „Dann hast du in meine Kapuze HINEINGEGUCKT und gerufen, wie lieb!: in meiner Kapuze war mein altes Gesicht (wie weggekauert) …“ unter einem Himmel aus Porzellan, aber alles Fiktion, bloß keine Erzählung [Trompetenbaum in der Vitrine] sobald sich ein Erzählstrom ergibt, reißt sie das Steuer herum, schneien Papierschnipsel, fluoreszierend.
Der Band „fleur“, 2016 bei Suhrkamp erschienen, enthält Gedichte, die zwischen dem 24.3.2014 und dem 31.5.2015 entstanden sind. Friederike Mayröcker war zu der Zeit 90 Jahre alt, sie wird im Dezember 93. Mille de fleurs pour la madame! „fleur“, der Text = 1 offenes Meer, ich bin in 1 Rausch geraten, Lampionblume, Jasmin, ha! ich bin kein groupie (Verschiebung einer Struktur), c´est Friederike Mayröcker at her best!