Manafonistas

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2017 21 Sep

Mit dem Elektrorad durch deutsche Lande

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Ich bin ein Freund des Deutschen Tourismusverbandes – er macht die Welt zu einem grösseren Ort. Wer hierzulande auf den offiziell gezeichneten Routen radelt, kommt fast dreimal rund um die Welt, äquatorlängentechnisch. „Deutschland umsonst“ heisst das alte Buch von Michael Holzach, der mit seinem Hund die alte BRD durchwanderte, und später daheim in Dortmund in der Emscher ertrank, als er seinen Hund retten wollte. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber die Geschichte fand ich so bestürzend, dass ich damals den Ort aufsuchte, an dem er sein Leben liess – manchen Fremden fühle ich mich seltsam verbunden. Als Kind stürzte ich einmal in diesen alten Kanal, und obwohl er klein und schmal wirkte, riss er mich von den Beinen. Die Wanderlust hat mich nie ergriffen, aber die E-Bike-Lust ganz und gar. Wer diese nun in Mode gekommene Fortbewegungsart Seniorenradeln nennt, ist genauso behämmert wie der Vertreter der Anschauung, dass gutes Essen der Sex des Alters sei. Wie wäre es also mit den Radwegen im Ruhrgebiet, als Dortmunder komme ich ständig an alter Heimat und nie gesehenen Strassen, Wiesen, Erholungszonen, Industrieruinen, Sportplätzen, Schwimmbädern, Friedhöfen, Waldrandzonen vorbei, auch an Kaffeehäusern, die den verblichenen Charme der Nachkriegszeit verströmen, und den guten Filterkaffee noch mit Büchsenmilch servieren. Das Leben ist voller Abenteuer, aber „Deutschland unsonst“, das war einmal. E-Bike-Touristen sind  zahlungskräftig und allseits gern gesehen. 2,3 Milliarden Euro gaben Radreisende aller Art 2015 für Unterkunft, Verpflegung und Kulturgenuss aus. Alles easy going? Keineswegs: mit den Wegbeschilderungen liegt noch vieles im Argen, es droht also, wenn Sie mal GPS daheimlassen, allerschönstes, die Sinne schärfendes, Verirren. Das Verirren im eignen Land ist keineswegs zu unterschätzen. Wer erinnert sich nicht an Brian Enos Zeilen aus seiner Zeit an der Weser: „I got lost in Lüneburg Heath“!? Wem das alles dann doch zu wenig radikal erscheint, dem empfehle ich die Lektüre von Tim Moores Buch „Mit dem Klapprad in die Kälte. Abenteuer auf dem Iron Curtain Trail“. Als Tim die russisch-finnische Grenze hinter liess, gehörte er nur selten noch zum Club der Gern-Gesehenen.

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2 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Tim Moore ist ein Abenteurer mit speziellem Humor. Er ist bereits mit einem störrischen Vierbeiner durch Spanien gewandert (»Zwei Esel auf dem Jakobsweg«), quer durch Europa gereist, um alle Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer zu treffen, denen die ultimative Schmach widerfuhr (»Null Punkte«), er hat fast eine richtige Tour de France gemeistert (»Alpenpässe und Anchovis«) und ist, gehandicapt durch ein hundert Jahre altes Fahrrad mit Holzfelgen, die Strecke des berüchtigten Giro d’Italia 1914 abgeradelt (»Gironimo!«). Nun begibt er sich, unter fahrlässiger Missachtung des natürlichen Alterungsprozesses und des letzten Funkens an gesundem Menschenverstand, auf eine Odyssee, die noch ambitionierter – und wesentlich dümmer – ist als all diese Trips zusammen. Irgendwie lebt er noch immer in London.

  2. Uwe Meilchen:

    Jahrzehnte nach seinem Tod wurde an der Emscher im Jahr 2016 eine Stele aufgestellt, die an Michael Holzach und seinen Hund Feldmann erinnert.

    https://www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/44149-Dorstfeld~/Schriftsteller-und-Journalist-Darum-steht-eine-Stele-fuer-Michael-Holzach-an-der-Emscher;art930,3044466


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