Manafonistas

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2017 24 Jul

Anleitung zur Verwandlung der Nostalgitis (Reprise)

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | Comments off

Das ist natürlich ein Problem, wenn man in die Jahre kommt, und im Zeitalter des Recycling auch die edelsten Aufbereitungen von Klassikern nie an das erste Mal heranreichen, die frühen Begegnungen und ihre Folgen. Oder doch? Wer im besten und zweitbesten Alter benennt heute noch den „soundtrack of my life“, ohne mit Worten, Augen und Ohren weit in die Vergangenheit zu schweifen?! Im nun eher sepiagetönten Damals hingen die Trauben auch hoch, man sprang trotzdem auf die Bäume, bastelte Mixtapes zur Eroberung von Herzen und Körpern, hatte konkrete, diffuse Visionen von einer Zukunft, die aus lauter Gegenwart bestand, und einem Klangteppich aus 150 Schallplatten. Die Befeuerungsanlage mutiert mit den Jahren leicht zur edel gebundenen Erinnerung mit Goldschnitt. Sgt. Pepper 50, Heart of the Congos und Before and After Science 40, OK Computer 20. Kraftwerk: Der Katalog. Und – The  Beatles im Spätherbst 2018, mit White Album 50 – es wäre ein Traum, und für manche DAS ALBUM DES JAHRES.

Gibt es ein Gegenmittel für Nostalgitis? Tatsächlich gibt es zwei! Zum einen kann man die alten Sounds heutzutage so springlebendig und highfidel wie nie zuvor hören, im einzig wahren Mono, im superkristallinen Stereo, im berauschenden Sensurround. Das ist der Trick der Zeitreise. Wenn ich einen meiner Lieblingsmusikfilme, „Stop Making Sense“, von Jonathan Demme im fünf zu eins Raumklang erlebe, mische ich mich unters Publikum, und bewege mich wie ein Jungspund zu den hypomanischen Vocals von David Byrne, ein Sitztanz mindestens auf der Petrolcoach.

Zum andern kann man wie damals, kleineren Knie- und Rückenbeschwerden zum Trotz, schlicht weiter auf Bäume springen, den Geist des steten Neubeginns üben, und (ein Beispiel von tausend) den Tag mit einem Augenzwinkern tiefe Nacht werden lassen – und vor dir steht, mit seiner Akustikgitarre bewaffnet, Jeff Tweedy und singt das Lied  „Sky Blue Sky“, in dem er in die alte Heimat zurückkehrt, die sich als tote Stadt entpuppt. Aber was passiert mit dem Sänger und seinem Lauscher? Ein vitaler Elan durchströmt sie, dass sich alle ersten Male, alle staubwolkenwirbelnden Erinnerungen warm anziehen müssen – und ihre gesammelten Pastelltöne besser gegen das kälteste Blau der Welt eintauschen.

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