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2016 7 Mrz

Tatort – ratlos

von: Jan Reetze Filed under: Blog | TB | Tags:  | 13 Comments

Geht es eigentlich auch anderen so, oder bin ich es allein, der die Handlung der „Tatort“-Filme nicht mehr versteht?

Ich gebe ja zu, dass ich den „Tatort“ nur noch sehr gelegentlich sehe, vielleicht bin ich deswegen aus der Routine gefallen, aber trotzdem: Der Dresdner „Tatort“ von gestern, der in der Volksmusik-Szene angesiedelt war, ist mir wieder mal ein Rätsel geblieben. Wahrscheinlich deshalb, weil ich regelmäßig nach 20 Minuten bereits vergessen habe, was am Anfang passiert ist. Bei etlichen Szenen hatte ich auch den Eindruck, dass sie überhaupt nur im Film waren, um einige lustig gemeinte Dialoge, ein paar hysterische Schreie der Ermittlerinnen oder einen Vorgesetzten, der wohl den Buffo geben sollte, unterzubringen. Dabei war das Ganze eigentlich ungeheuer vorhersehbar: Dass das Volksmusik-Traumpaar Tina & Toni in Wirklichkeit kein Paar ist, war ebenso meilenweit absehbar wie die von Toni selbst angedrohte „Enthüllung“ per Autobiografie, dass er (wenn ich es richtig kapiert habe) schwul und mit dem Mitglied irgendeiner Volksmusikband zusammen sei — was diese Band wiederum dazu bringt, gleich die Kriminalpraktikantin (gibt es sowas überhaupt?) zu erschlagen, wo es simples Bedrohen auch getan hätte. Den Schluss mit dem bereits vorproduzierten Nachruf-Song habe ich dann überhaupt nicht mehr kapiert, weil er für mich keinerlei Sinn ergibt. Und was dazu noch ein Volltrottel von Fan oder ein Tickets resellender Manager mit der Handlung zu tun hatten — wirklich, ich sollte bei „Conny und Peter machen Musik“ oder vergleichbar unkomplizierten Stoffen bleiben.

Selbst in der nun wahrlich konservativen amerikanischen Country-Szene würde die Verlautbarung eines Sängers, schwul zu sein, kaum noch einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige denn ein Mordmotiv abgeben.

Beruhigend aber immerhin, dass man beim „Tatort“ nach wie vor die Uhr danach stellen kann, dass in der 80. Minute die Streifenwagen ausrücken. Es gibt doch noch Dinge, auf die man sich verlassen kann.

This entry was posted on Montag, 7. März 2016 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

13 Comments

  1. Lajla:

    Ausnahmsweise habe ich mir diesen Tatort zugemutet. Als Adorno in DD war, empfahl er, keine Straßenbahn zu benutzen, wegen der Sprache, die man darin hört. Gestern waren die Männer dazu verdonnert, sächsisch zu sprechen, die Frauen waren sprachemanzipiert, überhaupt waren sie die Actionelektras, aber das waren doch die Ostfrauen immer, oder?

    Warum ausgerechnet mein Lieblingsmädel sterben musste, verzeih ich dem Regisseur nie :) – wahrscheinlich passt Latte mit Zimt einfach nicht zum Barock. Finde jedenfalls auch keinen rationalen Grund. Wie starb noch mal Roy Black? Dachte ich nach dem Film.

  2. Ingo J. Biermann:

    Ich fand den „Tatort“ (leider) auch ziemlich Banane. Die Schauspieler/innen machten auf mich den Eindruck, sich gegen das schnell und unüberlegt dahingeworfene Drehbuch und gegen die komplett lustlose und uninspirierte Regie behaupten zu müssen. Das war bedauerlich mitanzusehen. Schade auch, dass das Jella Haase nicht mehr zugetraut wurde als ihre Rolle auf „Fack ju Göhte“ weiterzuspielen.

    Die Sache mit dem vorproduzierten Lied habe ich allerdings so verstanden, dass der Mord an Toni von langer Hand geplant war, weil sich Tina endlich mit Hilfe des neuen Agenten in der neuen Zeit emanzipieren wollte. Deshalb gab es als allerletzte Einstellung auch noch den Selbstmord des alten Managers, der eben die neuen Zeiten ebenso wenig überlebt wie eben Toni.

    Dennoch: So einiges an den Motivationen der Figuren (vor allem der jungen Kollegen-Band) war wirklich mehr als extrem weit hergeholt und daher alles andere als nachvollziehbar. Ich schau mir „Tatort“ eigentlich fast nur dann an, wenn mich die Schauspieler oder Regisseure interessieren. Hier allerdings wurde eine wirklich gute Besetzung „verschenkt“ …

  3. Michael Engelbrecht:

    Liebe Tatort-Schauende!

    Das Leben ist doch zu kurz für solcherlei Bauernschwänke. Neun von zehn Tatorten sind m. E. völliger Blödsinn oder angestrengter Sozialkundeuntericht. Warum seht ihr euch nicht die 174 Folgen von Sons of Anarchy und Justified an? Die Zeiten, in denen Samuel Fuller einen Granatentatort drehte, sind vorbei.

  4. Ingo J. Biermann:

    Schon. Aber Tatort ist umsonst. Bzw. wenn man schon die Gebühren bezahlt … Manchmal ist es immerhin unterhaltsam und man bekommt immer einen kleinen Einblick in das Wesen des Deutschen. Naja, und für mich jedenfalls ist es zumindest auch von Interesse, zu schauen, was „die Kollegen“ so machen und wie so das Niveau der deutschen Fernsehkunst ist …

    Bei Serien warte ich immer, bis sie nicht mehr so teuer sind. Oder leihe sie in der Bücherei aus. Demnächst steht noch die letzte Staffel „Mad Men“ an und „Better Call Saul“. Das erinnert mich daran, dass ich gleich mal schaue, ob ich die in der Bücherei schon reservieren kann …

  5. Michael Engelbrecht:

    Weisst du, es geht ganz leicht: ich schicke dir entsprechende BluRays, und du sendest sie dann irgendwann zurück. Mit den richtigen Verbindungen ist das alles umsonst :) – manche Serien lasse ich schon länger zirkulieren.

    Du könntest in Kürze bekommen, vor Ende März:

    – Sons of Anarchy (alle Staffeln auf bluray, englisch)
    – Detectorists (two seasons, englisch)
    – Fargo Season 1 (blu ray)

  6. Ingo J. Biermann:

    Das ist nett, sehr gut, danke sehr.

    Ich habe allerdings bis heute noch keinen BluRay-Player gekauft (hab es auch immer vermieden, viele DVDs zu sammeln, da ich schon tausende CDs habe …) und da es jetzt schon immer mehr in Richtung Streaming und Downloads geht, weiß ich gar nicht, ob ich noch einen Blu-Ray-Player kaufen werde. Ich kann mal meine Eltern und Brüder fragen, ob die einen übrig haben.

    Seit einiger Zeit überleg ich auch, ob ich mal ein Netflix-Abo ausprobieren soll. Hat jemand hier Erfahrung damit? Bis jetzt hatten wir aber noch immer so viele ungeschaute DVD-Serien (wir wollen uns noch einmal Twin Peaks komplett am Stück anschauen, steht seit Herbst hier auf dem Regal).

    Bis Ende März bin ich allerdings noch in Norwegen, aber dann … würde ich dann tatsächlich gern auf das Angebot zurückkommen. Mehr per Mail.

  7. Christoph:

    Ich habe nach ca. 10 Min. Tatort schauen aufgegeben. Sehr schlecht. Stattdessen habe ich mit der HBO Miniserie „Show me a Hero“ angefangen. Sie ist von The Wire Schöpfer David Simon, sehr sehenswert und wirklich mal was anderes. Ich bin sehr froh, dass es „sowas“ im Fernsehen noch zu sehen gibt.

    Siehe z.b. zeit.de /show-me-a-hero-tv-serie-hbo-david-simon

  8. Michael Engelbrecht:

    Meine Lieblingsserien der letzten fünf oder so Jahre: Justified, Sons of Anarchy, Detectorists, Vikings, Lost, Homeland, Fargo, Longmire, Red Road, 24 (dazu stehe ich!:)), Bloodline, Broadchurch, True Detective (auch die vielverrissene zweite Staffel), Banshee (die Kritik von Ingo hat ihre Berechtigung, aber ich mag beide Staffeln dennoch sehr, guter Diskussionsstoff), The Bridge, Black Sails, Red Road, Mad Men, The Wire, The Fall, Les Revenants, The Americans … und ein paar vergesse ich immer bei solch assoziativem Aufzählen …

  9. Michael Engelbrecht:

    Ein Text aus dem Jahre 2013, mit einem „Tatort“:

    Gestern gab es im ZDF zwei Kriminalfilme. Lee Tamahoris „Im Netz der Spinne“ sprengt zwar keine Konventionen des Genres (wie einst etwa David Lynchs Blue Velvet), ist aber ein Musterbeispiel für einen klug inszenierten Thriller. Morgan Freeman garantiert ja fast schon allein eine gewisse Klasse, aber hier ist alles stimmig, jede Figur sorgfältig gezeichnet, die Drehungen der Geschichte wirken nie überdreht, der Film fesselt von vorne bis hinten.

    Ganz anders die Schlaftablette, die vorher mit der Verfilmung von Nele Neuhaus‘ „Schneewittchen muss sterben“ verabreicht wurde. Ich kenne die Romane der Erfolgsautorin nicht (und das wird auch so bleiben), aber ich hoffe zu Ihrem Besten, dass die Handlung grob vereinfacht wurde. Wozu Valium, wenn das Fernsehen so einen Schmarren zur Prime Time auf die Bevölkerung loslässt? Die Rolle des Mörders gilt als Gelegenheit für altgediente Fernsehstars, mal besonders böse zu erscheinen. Die simple Regel, die mit lächerlicher Hartnäckigkeit angewendet wird: der Mörder ist immer der bekannteste Schauspieler. Hier war sofort klar: Ulrike Kriener ist die Mörderin. Wie doof muss man beim Casting sein, jede Spannung von vornherein mit einem sog. Top-Star zu torpedieren?

    Ich schätze Ulrike Kriener sehr, alte Ruhrgebietsnachbarin, aber in diesem tragikomischen Bauernstadl mit einer zu 100% bekloppten Dorfbewohnerschaft (vom traumatisierten Ex-Häftling über die traumatisierte Kommissarin bis hin zu einer Horde jugendlicher Vergewaltiger und sonstigen Zombies) wirkt nahezu jede Figur haltlos überzogen, nur der Kommissar fast schon wohltuend nichtssagend – die pathetische, plumpe Filmmusik war das I-Tüpfelchen auf den heissen Anwärter zum schlechtesten Krimi des Jahres.

    Wäre da nicht vor Wochen „Mord an Bord“ gewesen, ein Tatort, der so grenzdebil war wie sein Titel. Schien der Film anfangs noch selbstironisch angelegt, und für einige Lacher gut, war Schluss mit lustig, als nach 15 Minuten der Mörder die Szene betrat, ich wusste es sofort – Friedrich von Thun (der mit Abstand bekannteste Schauspieler!) – hier als altersgeiler Sack, dem seine elegante Gattin aus Gründen, die man in der Kindheit des Drehbuchschreibers vermuten muss, ganz und gar ergeben war. Die notgeile Inspektorin lässt sich zwischendurch noch von einer zwielichtigen Figur vögeln, der Handlungsverlauf war so durchsichtig und platt, dass man sich schon fast nach dem grössten Langweiler der englischen TV-Kultur, Inspector Barnaby, gesehnt hätte.

    Und so thront derzeit einsam über allem, die erste Staffel von „Homeland“ (Sat 1), und, nur knapp dahinter, die dänische Inspektorin Lund (ZDF). Es gibt noch Lichtblicke.

  10. Philippe Ressing:

    Tja die Tatorte bestechen in letzter Zeit allgemein durch schlechte Drehbücher, langweilige Plots und affektierte Rollen für die Schauspieler. Dahinter steht wieder mal das Elend der ARD.

    Die einzelnenAnstalten kopieren sich gegenseitig und man kann so richtig die „Themenkarrieren“ verfolgen. Psychopathenstadl allenthalben. Anschaubar sind eigentlich nur noch die Polizeiruf 110 Filme aus Rostock und München.

  11. Jens Müller:

    Dem Elend neuer TATORT-Folgen entgehe ich, indem ich mir einfach die uralten Folgen anschaue, also mit guten Schauspielern, spannenden Plots; Haferkamp, Trimmel, Stoever etc …

    Natürlich spielt da eine gewisse Nostalgie eine Rolle. Die guten Geschichten sind zwar zeitgebunden – aber es bleiben gute Geschichten mit Charakterdarstellern.

  12. Michael Engelbrecht:

    Stimmt: Nostalgie plus Qualität, z.B. die frühen Filme mit Kressin und Schimanski.

    Ich erinnere mich noch gerne an die Filme mit Haferkamp, und wie er es dort immer wieder mit seiner geschiedenen Gattin zu tun bekam. Das hat mir persönlich als Jugendlichem mehr gegeben als Bergmanns „Szenen einer Ehe“ :)

    Aber der Schmarrn war auch damals virulent und kam aus Wien, mit Fritz Eckardt. Schrecklich!!!! Das konnten die Wiener später andernorts ausbügeln mit Patzak, oder wie der hiess …

  13. Jens Müller:

    Sehr wahr! Die Eckardt-Elaborate waren von einer Gemütlichkeit, die mich seelig schlummern ließen. Dass E. dann auch noch den Oberinspektor spielte war nur folgerichtig; der Ermittler war kein Polizist sondern Portier im Hotel Sacher. Peter Patzak war mit seinem „Kottan“ das wohltuende Antidot.


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